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Full text of "Robert de le Piere, Robert le Clerc, Robert de Castel. Zur Arraser Literaturgeschichte des 13. Jahrhunderts"

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BCLHK 

Robert de le Piere, RobertleCIerc, 

Robert de Castel. 

Zur Arraser Literaturgeschichte des 

13. Jahrhunderts. 


Inaugural- Dissertation 


zur 


Erlangung der Doktorwürde 


der Hohen Philosophischen Fakultät 

der 


Vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg 


vorgelegt von 

Angelica Hoffmann 

aus Sehl (Rheinprovinz). 


Halle a. S. 

Buchdruckerei Hohmann. 

1917. 




ml 

HMIrn 


Referent: Prof. Dr. Berthold Wiese. 


Tag der mündlichen Prüfung: 28. Juli 1917. 





Meinen Eltern. 


A 

1 


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Literatur. 


Aubry P. —Jeanroy A., Le Chansonnier de l’Arsenal (Trou- 

vferes du XII* - XIII* sifecle). Reproduction photo- 
typique du manuscrit 5198 de la Bibi, de l’Are. 
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par Pierre Aubry. Introduction et notices par A. Jean¬ 
roy. Paris-Leipzig 1909 If. 

Barbazan—M6on, Fabliaux et contes des po&tes Iran9ais 

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Berger, Elle, Saint Louis et Innocent IV. Paris 1898. 

Berger, Rudolf, Adan de le Haie. I. Candions et Partures. 

= Romanische Bibliothek, herausgeg. von W. Foerster. 
Bd. XVII. Halle 1900. 

Brakeimann, Julius, Archiv fUr das Studium der neueren 

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Cartulaire de l’Evfiche d’Arras Le, manuscrit du XIII* 

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Cartulaire et Comptes de l’hopital St-Jean-en-PEstree 

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Coussemaker, E. de, Oeuvres compl&tes du trouvfere Adam 

de la Halle, Paris 1872. 


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6 


Dinaux, A., Trouvferes, jongleurs, mönestrels. Bd. II: Les 

Trouvferes de la Flandre et du Toumaisis. Paris 1839. 
— Bd. III: Les Trouvferes artesiens. Paris 1843. 

Fauchet, Claude, Recueil de l’origine de la Iangue et po6sie 

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(Les oeuvres de feu M. Claude Fauchet, premier Pre¬ 
sident en la cour des monnoyes, revues et corrig£es 
en ceste demifcre edition.) 

Fiset, Franz, Das altfranzösische Jeu-parti. = Karl Voll- 

möllers Roman. Forschungen Bd. 19, 2. Lieferung, 190&. 

Flores historiarum, ed. by H. R. Luard (Rerum Britanni- 

carum medii aevi scriptores), London 1890. 

Fournier, Paul, Les officialitös au Moyen-Age. Paris 1880. 

I 

Gallia Christians in provincias ecclesiasticas distributa. 

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Gervase of Canterbury, The historical works of — Vol. II: 

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Gottlob, Ad., Die päpstlichen Kreuzzugssteuern des 18 . Jhts. 

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Gröber, G., Französische Litteratur, in Gröbers Grundriß der 

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Guesnon, A. H., Bull, hist et phil. 1894.= Bulletin historique 

et philologique du Comite des Travaux historiques 
et scientifiques, Paris, 1894; S. 420 ff: „Recherches 
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, Bull, hist et phil. 1898 = „Introduction au livre rouge 
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v Comptes rendus des seances de l’Academie des In¬ 
scriptions et Belles-Lettres, T. 27, 1899, S. 464 ff: 
„A. Guesnon, Rögistre de la confr6rie des jongleurs 
et des bourgeois d’Arras;' Note sur le ms. fran 9 ais 
8541 de la Bibi Nat“ 


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7 


Guesnon, A. H., Mdanges Wilmotte, Paris 1910; S. 728 ft: 

„Suchier et Guesnon. Deux trouvfcres artCsiens, Baude 
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1899, S. 166—168, 248-268, U. 1900, S. 1—84, 
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Guy, Henry, Essai sur la vie et les oeuvres litteraires du 

trouvfere Adan de le Haie. Paris 1898. 

Inventaire chronologique des chartes de la Ville d’Arras; 

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Inventaire sommaire des Ardiives dCpartementales [du Pas- 

de Calais] antCrieures ä 1790. Ardiives civiles. Serie A, 
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Jeanroy, A., Ptudes romanes dediees ä Gaston Paris le 29 d£c. 

1890 par ses eieves fran<?ais etc„ Paris 1891. Darin 
S. 88 ff.: A. Jeanroy, „Une pifece artesienne du XIII* 
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du XIII* sifccle*. 

Jeanroy, Alfred et Guy Henry, Chansons et Dits Artesiens 

du XIII* siede. Bordeaux 1898. 

Joinville, Jean Sire de, Histoire de St Louis etc., par Na- 

talis de Wailly. Paris 1874. 

Keller, Ad. von, Romvart, Mannheim 1844. 


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8 


Laborde, Jean Benj. de, Essai sur la musique ancienne et 

moderne. T. II. Paris 1780. 

Langlois, Ernest, Adam le Bossu, trouvfere artesien du 

XIII* sifecle, Le Jeu de la Feuillee. Paris 1911. = Les 
Classiques fran$ais du Moyen-Age. 

Lavisse, Ernest, Histoire de France. Tome 8 ,ime , II, „Saint- 

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Lenain de Tillemont, Vie de saint Louis, roi de France, 

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Maetzner, E., Altfranzösische Lieder. Berlin 1858. 

Matthaei Parisiensis Chronica Majora, ed. by R. H. 

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Meyer, P. et Raynaud G., Le Chansonnier franp. deSt-Ger- 

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Nöcrologe de l’abbaye de Saint-Vaast d’Arras publi6 

par van Drival. Arras 1878. 

Noack, Fritz, Der Strophenausgang in seinem Verhältnis 

zum Refrain. Marburg 1899. = Ausg. und Abhand¬ 
lungen aus dem Gebiet der roman. Philologie. 

Paris, Gaston, La littörature fran^aise au Moyen-Age. 8* 6d. 

Paris 1905. 

Paris, Paulin, Les manuscrits frangais de la bibliothfeque 

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Passy, Louis, Bibliothfeque de l’Ecole des chartes, Jahrg.XX, 

1859, S. 1—89, 805-854, 465—502 „Fragments 

•• 

d’histoire littöraire, ä propos d’un nouveau manuscrit 
de chansons fran 9 aises.“ 

Pirenne, Henri, Geschichte Belgiens, übersetzt von Fritz 

Arnheim. Gotha 1899. (in „Gesch. d. europ. Staaten", 
herausgeg. von Heeren-Ukert-Giesebrecht-Lamprecht). 

Ramsay, I. H., The dawn of the Constitution, or the reigns 

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1908. 


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Raynaud, G., Bibliographie des Chansonniers fran$ais des 

XIII* et XIV* sifccles. 2 vol. Paris 1884. 

Rentes en 1882 = „Rentes dues par les maisons, jardins 

et terres soumis ä la juridiction des 6chevins de la 
ville d’Arras (en 1882 ).“ Tir6 des Archives Munici- 
pales de la Ville d’Arras. = M6meires de l’Academie 
d’Arras, T. 88, Arras 1866, S. 273 ff. 

Richter, Max, Die Lieder des altfranz. Lyrikers Jehan de 

Nuevile Diss. Halle 1904. 


Scheler, August, I = Trouvferes beiges du 12* au 14* sifecle. 

Paris 1876. 11 = Trouvferes beiges. — Nouveile Serie. 
Paris 1879. 


Schultz-Gora, 0., Bausteine für roman. Philologie. Fest¬ 
gabe für Adolfo Mussafia zum 15. Februar 1905. 
Halle 1905. Darin S. 90 ff.: Schultz-Gora, „Vier un- 
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Schwan, Eduard, Die altfranzösischen Liederhandschriften. 

Berlin 1886. 

Socin, Adolf, Mittelhochdeutsches Namenbuch. Basel 1903. 


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und Litteraturen, 88, 1892, S. 801—860, „Die alt¬ 
französische Liederhandschrift von Siena.“ 


„ Die Lieder des Troveors Perrin von Angicourt, kritisch 
herausgegeben und eingeleitet von Georg Steffens. 
Halle 1905. = Roman. Bibliothek herausgeg. von 
W. Foerster, Bd. 18. 

Sternfeld, Richard, Karl von Anjou als Graf der Provence 

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zösischen Litteratur von den ältesten Zeiten bis zur 
Gegenwart. 1. Bd. „Die ältere Zeit“ von H. Suchier. 
2 . Aufl. Leipzig u Wien 1913. 

Wackernagel, W., Altfranzösische Lieder und Leiche aus 

Handschriften zu Bern und Neuenburg. Basel 1846. 


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Waitz, Hugo, „Der kritische Text der Gedichte von Gillebert 

de Berneville mit Angabe sämtlicher Lesarten na<Ji 
den Pariser Hss.“ = Beiträge zur roman. Philologie, 
Festgabe für G. Gröber, Halle 1899, S. 89 ff. 

Windahl, Carl August, Li vers de le mort, Pofeme art6sien 

anonyme du Milieu (?) du XIII* sifccle. Lund 1887. 


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Vorliegende Arbeit befaßt sich mit Fragen, die sich an 
drei weniger berühmte Namen aus der Arraser Literatur¬ 
geschichte des lß. Jahrhunderts knüpfen: Robert de le Piere, 
Robert le Clerc, Robert de Castel. 

Robert le Clerc und Robert de Castel werden von einer 
Reihe von Forschern für ein und dieselbe Person gehalten. 
Die beiden Liederdichter Robert de le Piere und Robert de 
Castel hat man jedoch stets als getrennte Persönlichkeiten 
gelten lassen. Wenn gelegentlich ein Teil ihrer literarischen 
Hinterlassenschaft vertauscht wurde, so läßt sich das verhältnis¬ 
mäßig leicht richtig stellen. 


Wer war Robert de le Piere? Was weiß man von 
seinem Leben, von seiner literarischen Tätigkeit und Bedeutung? 

Der Name „de le Piere* ist keineswegs selten im Artois 
und in Flandern, man findet ihn bei Bürgerlichen und Adligen. 
Darum darf man nicht ohne weiteres Robert de le Piere zum 
nahen Verwandten des Chansonniers Richard de Fournival aus 
Amiens machen, dessen Mutter Elisabeth de la Pierre hieß. 1 ) 
ln Arras begegnete mir der Name in durch Druck zugänglich 
gemachten Belegen vom 12. Jahrhundert an; seine Träger sind 


*) Passy, S. 318. 


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Bürgerliche, z. T. nachweisbar begütert. 1 ) Ad. H. Guesnon, 
einer der namhaftesten Freunde und, infolge langjähriger Archiv- 
Arbeit, der beste Kenner des mittelalterlichen Arras, fand den 
Namen „Robert de le Piere“ zweimal verzeichnet: 9 ) zunächst 
in der Arraser Schöffenliste des Jahres 1256, dann, zum Früh¬ 
jahr 1258 eingetragen, in dem artesischen Totenregister, Hs. 
Bibi. Nat. fr. 8541. Die Eintragung lautet hier „Cauta Robers 
de le Pierre,“ wo cauta für cautes. die Uebersetzung von 
Pierre darstellt, wie Guesnon bemerkt Für gewöhnlich wird 
in den artesischen Urkunden der Name in lateinischer Ueber- 
tragung mit „de Petra,“ „ad Petram“ wiedergegeben. Darf 
man den Robert de le Piere dieser Urkunden mit dem Dichter 
gleichsetzen, wie Guesnon es nach anfänglicher Unsicherheit 
zuletzt unbedenklich tut? 8 ) Dagegen zu sprechen scheint dpr 
Umstand, daß man Robert de le Piere niemals in Verbindung 
mit einem der bekannten Sänger aus der l. Hälfte des Jahr¬ 
hunderts antrifft, wie Adan de Givenchy, Andrieu Contredit, 
den Brüdern Gile und Guillaume le Vinier. 

Wenn freilich die literarischen Denkmäler, in denen Robert 
auftritt, sich zeitlich genau festlegen ließen, so wäre die Frage 
nach der Identität leicht gelöst. Daß dies nicht der Fall ist, 
liegt in dem Charakter der betreffenden Denkmäler begründet. 
Es sind einerseits höfische chansons und jeux-partis, also Er¬ 
zeugnisse einer rein konventionellen Kunst, die für Anspielungen 
auf Tatsachen sehr wenig Raum lassen; andererseits ein Lokal¬ 
gedicht, verfaßt zur Ergötzung eines Publikums, das ganz ge- 

J ) s. Guillaume d. I. P.: Van Drival „Cartutaire de l’abbaye de 
Saint-Vaast d’Arras r6dig£ au XII« sifecle par Guiman“ (Arras 1875), 
S. 210, 289;'„Cartulaire';de l’Ev€di6 d’Arras“, S. 180. — Tiebautd. 1. P.: 
Congas von Jehan Bodel, v. 61, Ausg. Rom. 9,1 S. 29ö; Guesnon, M.-A. 
1900, S. 166, Anm. 1. — Baudouin d. 1. P.: „Obituaire de la cath£drale 
d’Arras au XIII* sifecle“, Soc. des Antiq. de la Morinie, Bull. hist. 2 
(1857-61), S. 377. —Jehan d. 1. P.: Jeanroy-Guy, S. 142. — Mahiu d. I. P.: 
Guesnon, M.-A. 1900, S. 18. — Jak. d. 1. P.: „Rentes en 1382“, S. 320, 
833, 357, 368. 

*) Guesnon, M.-A. 1899, S. 250; M.-A. 1902, S. 160 ff. 

3) Guesnon, a. a. 0., u. M.-A. 1909, S. 69. 


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nau vertraut ist mit den Persönlichkeiten und Verhältnissen in 
Arras; ob sich aber auf große zeitliche Entfernung in diesem 
verhältnismäßig engen Kreis noch etwas deutlich bestimmen 
läßt, das hängt nicht zum geringsten Teil vom Zufall ab. Man 
muß sich also schon zufrieden erklären, wenn sich aus den 
literarischen Denkmälern ungefähre zeitliche Anhaltspunkte er¬ 
geben, die sich in Einklang bringen lassen mit der durch die 
Urkunden bestimmten Zeit. 

Vor Beginn dieser Untersuchung ist noch klarzustellen: 
Was darf man R. d. 1. P. an chansons und jeux-partis zuweisen? 
Folgende 7 Lieder geben die Hss. einstimmig unter seinem 
Namen wieder: 

R. 92, *) (I), veröffentlicht nach der einzigen Hs. a a ) von Keller, 

S. 285 ®), danach Maetzner, S. 42; v. 88—87 bei Passy, 

S. 818. 

* 

R. 696, (II), veröffentlicht im Anhang nach der einzigen Hs. 

a; v. 1—4, 41—45 bei Passy, S. 819 f, 496. 

R. 698, (III), nach Noacks Abschrift von M herausgegeben von 

Stengel in Noack „Der Strophenausgang in seinem 
Verhältnis zum Refrain,“ S. 117. 4 ) 

R. 828, (V), veröffentlicht im Anhang nach a, wahrscheinlich 

der einzigen Hs. 6 ) 


') Nummern der Lieder und Partiiren nach Raynaud. 

*) Bezeichnung der Hss. nach Schwan. 

*) Die Hs. hat v. 28 „quant* in der üblichen Abkürzung. 

4 ) Entgegen Noacks Lesart hat die Hs.: Ueberschrift „Robers de 
le piere"; v. 7 doucors; 12 guarde; 16 ioir en; 27 ainz; 32 ausi; 
47 li queus. 

6 ) Nach Raynaud II, S. 86, stände Lied V in Hs. a unter R. d. I. P., 
in K u. N aber unter „Jehan Erars", in O anonym. Raynaud hat hier 
jedoch, durch die Uebereinstimmung der 1. Zeile veranlaßt, 2 ver¬ 
schiedene Lieder zusammengezogen. Das Lied des Jeh. Erart „Je ne 
cuidai mes chanter, Tant m’en estoie tenuz" ist jetzt zu lesen in der 
phototypischen Wiedergabe von Aubry-Jeanroy, p. 265—6. Da die Pa¬ 
riser Hss. mir nicht zugänglich sind, kann ich nicht sagen, ob das in O 
anonym stehende Lied gleichbedeutend ist mit dem des Jeh. Erart, 
möchte es wegen der Verwandtschaft der Hss. 0—K N aber annehmen. 


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R 1068, (VI), nach Noacks Abschrift der einzigen Hs M 

herausgegeben von Stengel, a. a. 0., S. 126 ; l ) v. l, 
6—8, 41—45 bei Passy, S. 819. 

R 1612, (VIII), veröffentlicht im Anhang nach der einzigen 

Hs. a; v. 1—9, 87—88, 46—47 bei Passy, S. 820, 
819. 


R 1976, (IX), nach Noacks Abschrift der einzigen Hs. M 

herausgegeben von Stengel, a. a. 0., S. 146;*) v. 7—10, 
41—50 bei Passy, S. 820 . 

Für 2 weitere Lieder, R 808, (IV), und R 1578, (VII), 
schwanken die Zuweisungen der Hss. zwischen R d. 1. P. und 
Gillebert de Berneville. 

R 808, (IV), ist veröffentlicht nach T von Dinaux III, S. 418, 

Scheler I, S. 102, und Waitz, Nr. XXIII, S. 78, unter 
den Liedern des Gillebert de Berneville. Jeanroy, 
Rev. d. 1. rom. 45, 1902, S. 196 veröffentlicht die 
Refrains. Das Lied findet sich in 8 Hss.: 
in a, fol 78 r°, steht nur noch das Ende des Lieds von Str. 4, 

v. 9 an; ursprünglich stand es hier als zweites Lied unter 
8 Liedern des R. d. 1. P.; das vorhergehende Blatt, 


L. Brandin, Z. f. S. L. 22,1, der alle Inedita von O veröffentlichen wollte, 
die sidi ausschließlich in Pariser Liederhss. befinden, hat es allerdings 
nicht mit veröffentlicht, was aber auf den Irrtum bei Raynaud zurück- 
zuflihren sein wird. 

’) Die Hs. hat, entgegen Noacks Lesart: Ueberschrift „Robers de 
le piere“; v. 19 assamblä; 23 me tendrai; 27 meri; 41 A le bisete 
oedain. 

*) Die Hs. hat, entgegen Noacks Lesart: Ueberschrift „Robers de 
le piere"; v. 4 en avant; 23 iai s.; 42 au ior dui; 49 que le t. Die 
falsche Lesart in v. 49 veranlaßte Stengel zu der irrigen Vermutung, 
daß in der letzten Zeile ein Name genannt sei. Die Hs. gibt das wirk¬ 
liche Geleit, das bei Noack-Stengel fehlt: 

Bouteillier, tuit mi desir 

Sunt a celi dont ainc ne voill partir, 

Ne ne ferai que c’on die. 

Por ce vo8 ai envoYe 
Ma chancon, que ja vos vi 
Joli. 


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auf dem Lied VI und der Anfang von IV standen, 
ist vor der Zelt des Präsidenten Fauchet, heraus¬ 
gerissen worden wegen der Miniatur, die es 
schmückte; l ) 

in T 1 (= foL 28—69 t 0 ), foL 86 r°, als letztes von 9 Gedichten 

des Gill de Berneville; 

in T a (= foL 69 v°—172 r 0 ), foL 167 v°, alleinstehend unter 

dem Namen „Robers de le Piere.“ Dies ist nicht der 
einzige Fall, daß T 8 ein Lied bringt, das schon in 
T 1 stand; so z. Bsp. Gill, de Berneville R. 410 und 
R. 817. 

Aus dem Vergleich der wenigen in a noch' erhaltenen 
Strophen mit T 1 und T 8 ergibt sich eine enge Zusammen¬ 
gehörigkeit von a und T 1 gegenüber T*: Str. 6, v. 1: T 1 : 
Chancon va t’ent presenter; a: Canchon va t’ent presentv; 
gegen T 8 : Cancorts te va presenter. — Str. 6, v. 8: T 8 : Te 
fera si li afie; demgegenüber haben T 1 und a mangelhafte 
Lesarten, die offenbar auf einer unverständlichen Vorlage be- 
ruhen; a schreibt: Te fera selie 8 ), während der Schreiber von 
T 1 den Passus einfach ganz ausläßt (nach Waitz, S. 118), wohl 
weil er seine Vorlage nicht verstand. Es liegen also 2 ver¬ 
schiedene Rezensionen vor, der einen folgt T 8 , der andern 
folgen a und T 1 ; die eine Renzension gibt als Verfasser 
R. d. L P., die Hss. der andern gehen auseinander und geben 
neben R. d. 1. P. Gill, de Bernev. Die Zuweisung des Liedes 
an Gill, ist demnach offenbar nicht die ursprüngliche, sondern 
erst nachträglich von einem Kopisten vorgenommen. Da nun 
das Lied in T 1 den Schluß einer Reihe von Liedern des Gill, 
bildet, so liegt es nahe anzunehmen, daß der Schreiber von 
T 1 selbst (oder allenfalls der von dessen Vorlage) das in der 
Vorlage anonym stehende Lied aus Versehen oder mit Ueber- 
legung Gilt zuerteilt hat 


*) 8. Passy, S. 321 Anm. 2 und 3. 

*) Zu der Form vgl. Lubinski, Vollm. Rom. Forsdi. 29, H. 2, S. 628. 


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Bei R. 1578, (VII), liegen die Verhältnisse anders, sodaß 
man nicht in der Lage ist zu entscheiden, ob es R. d. 1. P. 
oder Gill, de Bernev. zugehört Das Lied liegt in phototypi¬ 
scher Wiedergabe vor nach Hs. K bei Aubry-Jeanroy, p. 
145—6; nach Hs. U bei Meyer-Raynaud, fol. 144 v°; ver¬ 
öffentlicht ist v. 56—59 bei Passy, S. 316,. das ganze Lied 
nach Hss. X M N U von Scheler I, S. 86, nach sämtlichen 
Pariser Hss. von Waitz, Nr. XVI, S. 66.*) 

Die Hss. a und M bringen das Lied unter dem Namen 
R. d. 1. P. zwischen andern Liedern von ihm, in N K X steht 
es unter Gill.’s Namen mitten in einer Reihe von dessen 
Liedern; P R U führen es anonym. Die Textvergleichung 
ergibt, daß Hss. a und M auf der einen Seite gemeinsame 
Lesart haben gegenüber den Hss. NKXPR(U) auf der 
anderen Seite: Str. 2, v. 1. Ainc (a: ains) mais nus si entre- 
p'ris — gegen N K X P R: Onques mes si entrepris, U: Onke 
mais si esbahis; Str. 3, v. 8. Si que des mauvais (M: malves) 
en sui (M: fui) hais — gegen R: Si que dez mesdisans sui 
hais, N K: des mesdisanz, X: de medisans, P: des mesdisans. 
Str. 4, v. 1. a: aceullis, M: acueilliz — gegen N K: envaiz 
(X P R wohl envais). Str. 4, v. 3. a M: Bele en qui j’ai mon 
euer mis — gegen N K X P R: Dame ou j’ai tout (N P: tot) 
mon euer mis. Str. 4, v. 8. a: Et se vous voles g’ere garis, 
M: E. s. vos volez je sui garis — gegen N K X P R: Dex 
m’en doint venjance a mon devis (R: diex, K P: dont, R: doinst, 
R P: vengance), d. i. irrtümliche Wiederholung von Str. 2, v. 
8 . Dieses Ergebnis der Lesarten-Vergleichung bestätigt die 
enge Verwandtschaft von M und a, die Schwan bereits aus 
der Anordnung der Lieder der betr. Dichter in den beiden 


l ) Photographische Aufnahmen des Liedes aus a und M zeigen 
mir, daß der Variantenapparat bei Waitz (S. 106—7) der Berichtigung 
und Ergänzung bedarf; die Mangelhaftigkeit der Kopie La Cume de 
Ste Palayes von Hs. a tritt auch hier wieder zu Tage. Ebenso ist Waitz’ 
Notiz über die Strophenzahl in den einzelnen Hss. (S. 66) so zu be¬ 
richtigen: ,ln a fehlt die 5. Strophe, die MRNKXP bringen; das 
Geleit findet sich nur in M und a*. 


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17 


Hss. erkannte. 1 ) In der gemeinsamen Quelle, auf die M und 
a zurückgehn (Von Schwan S I genannt), stand demnach Lied 
VII innerhalb einer Anzahl von Liedern des R. d. 1. P. Anderer¬ 
seits beweist die vollkommene Uebereinstimmung der Lesart 
von R mit N K X P sowie seine ähnliche Anordnung der 
Lieder des Gill für diese beiden von Schwan dargelegten 
Hss.-Zweige eine gemeinsame Vorlage (Schwan nennt sie 
S II), in der unser Lied VII inmitten einer Reihe von Liedern 
des Gill, de Bernev. stand. Es ergibt sich also, daß die dop¬ 
pelte Zuweisung des Liedes bis auf sehr alte, vielleicht bis 
auf die ältesten Hss.-Vorlagen zurückgeht. Ich möchte noch 
auf den Umstand hinweisen, daß in den Liederhss. des 
Stammes S II, die das betreffende Lied dem Gill, zuweisen, 
R. d. 1. P. überhaupt nicht vertreten ist, während die Hss. von 
S I, die es unter R. d. 1. P. führen, von Gill, je eine Reihe von 
Liedern enthalten. Der Stammbaum der afrz. Liederhss. ist 
indessen noch nicht so weit geklärt, daß man vorläufig hieran 
mehr als Vermutungen zugunsten der Autorschaft des R. d. 1. 
P. knüpfen könnte. Soviel nur ergibt sich mit Sicherheit: 
nach den Hss. sind die Ansprüche Gill.s an R. 1673 um 

nichts rechtskräftiger als die des R. d. 1. P. — Auch die Me- 

% . 

trik des Liedes gibt keine anderen Aufschlüsse. Die gleiche 
Form, chanson ä refrains in metabolisch gebauten Strophen, 
verwenden beide Dichter noch öfter: Gili. R. 268, 410, 939, 
1287, 1528, 1537, 1553, 1857, 1954; R. d. 1. P. III, VIII, IX. 
Durchführung desselben Reimes durch alle Strophen, wie hier, 
übt R. d. 1. P. in all seinen Liedern ohne Ausnahme, Gilt ge¬ 
braucht die gleiche Technik in nicht ganz der Hälfte seiner 
chansons. Ebensowenig zeigt das Lied besondere sprachliche 
Eigenheiten, die bei dem einen oder andern Dichter aus dem 
Rahmen fallen würden. — Für R. d. 1. P. scheint zu sprechen 
die Uebereinstimmung des Anrufs „Damoisele de grant pris, 
Tasse“ v. 51—2, mit der Widmung in seinem Lied VIII, v. 46 
an „Tassain Wagoune“. Doch wird man auch daraus keine 


i) Schwan, S. 236. 

2 


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18 


zwingende Schlußfolgerung ziehen können, denn Gill, lebte 
und diohtete in Arras gleichzeitig mit R. d. 1. P. (vgl. u.) und 
pflegte nachgewiesenermaßen z. T. dieselben literarischen 
Beziehungen wie er: Beide widmen dem Gille de Noeville 
und dem Colart le Bouteillier je eins ihrer Lieder (R. d. 1. P. 

II und IX; Gill R. 410 und 417.) Ich muß die Verfasserfrage 
für R. 1578 also ungelöst lassen. Da aber keine Gründe gegen 
R d. L P. sprechen, werde ich es in die folgende Untersuchung 
mit einbeziehen. 

De Laborde 4 ) schreibt dem R d. 1. P. an letzter Stelle 
nodi ein Lied zu „Si j’ai <hant6“, d. i. R. 1789 „Se j’ai chantg 
sans guerredon avoir“, das in Wirklichkeit Robert de Castel 
zum Verfasser hat (s. u.), wie de Laborde unter dessen Liedern 
auch richtig verzeichnet Der Grund für die irrtümliche Zu¬ 
weisung an R. d. I. P. ist vielleicht in Hs. M zu suchen, die 
de Laborde ja auch kannte. Dort stehen, Fol. 160 a —16 la, 
vier Lieder des R. d. L P. Auf das folgende leere Blatt ist, 

Fol. 161c, das betr. Lied R. 1789 neben einigen andern nach¬ 
träglich eingetragen worden, anscheinend im 1. Viertel des 
14. Jhts.*) Raynaud hat diese späteren Eintragungen nicht in 
sein Verzeichnis aufgenommen. 

I 

Was die jeux-partis anbelangt, so tritt R. d. 1. P. einmal 
als Partner von Lambert (Fern) auf, in R. 1381 (XII), ver¬ 
öffentlicht nach a, b, Z von Passy, S. 322, abgedruckt nach 
Z von Steffens, Archiv 88, S. 844. — Einmal wird er von 
Jehan Bretel in den Kampf gezogen, R. 1672 (XIII), veröffent¬ 
licht im Anhang nach der einzigen Hs. a; v. 10—18 bei Passy, 

S. 821 f. — Zweimal eröffnet er selbst das Spiel, dem Mahieü 
de Gant gegenüber: R. 9 45 (X), veröffentlicht nach N von 
Dinaux II, S. 302; nach N + X von Scheler I, S. 139; in photo- 
typischer Wiedergabe liegt es vor nach K bei Aubry-Jeanroy, 
p. 281. — R. 946 (XI), nur in Hs. C vorliegend, ist abgedruckt 
bei Brakeimann, S. 256; veröffentlicht von Wackernagel S. 101; 

* • « s 

') Laborde II, S. 336. 

*) s. J.-B. Beck, Die Melodien der Troubadours, Straßbg. 1908, S. 140._ 


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C. Hofmann, Münchener Sitzungsberichte 1867, H, S. 512; 
Scheler I, S. 137; v. 9—16 bei Passy, S. 760. 

In den beiden letztgenannten Partüren steht nie sein voller 
Name, Mahieu de Gant nennt seinen Gegner bloß „Robert 0 . 
Die Zuweisung an R. d. 1. P. stützt sich auf die Uebersdirift 
von XI in Hs. C „Robers de lepi et amaheus de gans“ (s. 
Brakeimann, Archiv 43, S. 256), was der furchtbar flüchtige 
jüngere Schreiber, von dem die Verfassernamen stammen, ganz 
offenbar aus einem „Robers de le piere a maheus de gant“ 
seiner Vorlage verlesen hat, wie Schwan bemerkt 1 ). Die Richtig¬ 
keit dieser Zuweisung wird bestätigt durch die Namen in XI: 
Robert ernennt zum Richter denselben Bouteillier, dem er sein 
Lied IX widmet, Mahieu de Gant wählt Copin, dem R. d. 1. P. 
sein Lied IV zueignet. Man beachte außerdem, daß Mahieu 
de Gant in dem dritten jeu-parti, das von ihm erhalten ist*), 
den Seignor Hermenfroi zur Entscheidung beruft, den man als 
Richter außerdem nur noch bei R. d. 1. P. XIII antrifft. Rud. • 
Berger 8 ) möchte trotzdem die Verfasserangabe in C für einen 
Irrtum halten und den Robert aus XI mit dem Fragesteller 
in R. 871 4 ) (j.-p. zwischen Robert und Chopart) gleichsetzen, 
das wäre nach ihm der Kleriker Robert dou Castel. Zu dieser 
Vermutung wird ihn einmal die Art der Streitfrage von XI 
verleitet haben („Möchtest Du Kanonikus von Arras werden - 
und dem Besitz Deiner Freundin entsagen, oder willst Du 
lieber auf das Kanonikat verzichten? 0 ), und dann die Annahme 6 ), 
daß Chopart, der Gegner Roberts in R. 871, ein und derselbe 
sei wie Copin, der Richter Mahieus in XI. Aber die Art der 
Frage in XI ist schon vollkommen genügend dadurch erklärt, 
daß sie sich an den Kleriker Mahieu de Gant richtet, und die 
Gleichsetzung von Copin und Chopart beruht auf einem Irrtum 
(s. u.) Meiner Ansicht nach ist nach den oben dargelegten 

*) Schwan, S. 261. 

*) R. 1687. 

■) Rud. Berger, S. 377 f. 

*) s. Fiset, S. 632—8. 

6 ) Rud. Berger, S. 234, 378. 

2 * 


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Erwägungen kein Zweifel möglich, daß die beiden jeux-partis 
X und XI R. d. 1. P. zugehören. 

Damit ist die Reihe der Partüren, die man ihm mit 
Bestimmtheit zuweisen muß, bereits abgeschlossen. Darüber 
hinaus lassen sich nur durch nichts gestützte Vermutungen 
anstellen. Von verschiedenen Seiten sind R. d. 1. P. die drei 
jeux-partis R. 239, lf67, 1344 zugesprochen worden. Sie ge¬ 
hören sämtlich zu der Reihe der ohne envois überlieferten 
Partüren in Hs. R 1 , die der Forschung hinsichtlich ihrer Ver¬ 
fasser immer noch Rätsel aufgibt 

R. 289, ddbat zwischen Michel und Robert, ist veröffentlicht 
von Jeanroy. 1 ) Für den zweiten Teilnehmer bringt Jeanroy *; 
neben Robert de Bethune den R. d. I. P. in Frage, dessen zahlen¬ 
mäßige Beteiligung an jeux-partis er aber offenbar überschätzt. 
Rud. Berger 8 ) will das Spiel für R. de Castel in Anspruch 
nehmen. Mir scheint eine spätere Sprachform in dem Gedicht, 
zweisilbig traiteur v. 50 (neben dreisilbig traYtres v. 51) diesen 
beiden Annahmen zu widersprechen. Derartige Kontraktionen 
finden sich weder bei R. de le Piere noch bei R. de Castel; der 
erstere hat IX. v. 41 trahitor. 

R. 1167, Fragment von 3 Strophen eines jeu-parti zwischen 
Jehan und Robert, veröffentlicht von Scheier II, S. 125, möchten 
Dinaux, der eine Strophe daraus wiedergibt 4 ), Passy 6 ) und 
Scheier®) R.d.1. P. zuweisen. So wie sie uns überliefert ist, 
enthält die Antwortstrophe des Robert v. 15 eine elidierte 
Form fouragie für fouraagie, (God 4, 63 foragie „affaibli par 
räge“), wie deren bei R.d.l.P. keine zu finden sind; sie 
spräche für eine spätere Abfassungszeit 

R. 1844, Partüre zwischen Hue und Robert, ist veröffent- 


*) Jeanroy, Rdlr. 40, S. 361 fl. 
*) a. a. O., S. 352. 

*) Rud. Berger, S. 822. 

«) Dinaux UI, S. 286. 

5 ) Passy, S. 822. 

.*) Scheier II, S. 334. 


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licht von Jeanroy 1 ). Hier bringt wieder Dinaux *) den R. d. L P. 
in Vorschlag. Guesnon 8 ) sieht in dessen Partner den Hue 
d’Arras, der 1269 in einer Urkunde begegnet; für Robert läßt 
er die Frage offen. Jeanroy 4 ) hält sich eng an den Text, in 
dem Robert von seinem Gegner einmal „ Robert li Dus“ an¬ 
geredet wird, und schwankt nur, ob dieses „le Duc 0 Titel 
oder Eigenname ist Auch möchte er das Jeu lieber gegen 
Ende des 13. Jhts. ansetzen auf Grund der Form loe mit 
analogischem e in der l. sg. ind. praes. (v. 12) und wegen der 
zahlreichen enjamjjements. In Roberts Anteil sind sie v. 14—15, 
33—34, 49—51 besonders auffallend. In R, d. 1. P.s Gedichten 
kommen die erweiterte Verbalform und starke enjambements 
nicht vor. 

Da die 3 jeux-partis nur in einer Hs. vorliegen, sind die 
rein sprachlichen Verdachtmomente nicht einfach ausschlag¬ 
gebend. Es steht ihnen aber kein einziger greifbarer Anhalts¬ 
punkt 'gegenüber, der für R. d. 1. P. spräche, und so ist man 
vorläufig durch nichts berechtigt, ihm die 3 fraglichen Partüren 
zuzuweisen, am wenigsten R. 1344, bei dem ja noch andere 
Gegengründe hinzukommen, wie man sah. 

Als Schiedsrichter tritt R. d. 1. P. kein einziges Mal auf, 
wenigstens findet sich in den uns erhaltenen jeux-partis nie 
sein voller Name. Bei dem hohen Ansehen, das er in lite¬ 
rarischen Kreisen genoß 6 ), befremdet das einigermaßen. Ich 
glaube ihn in dem Robert wiederzufinden, der neben einem 
Jaket in der Partüre Bretels mit Grieviler R. 693 6 ) zum Richter 
ernannt wird. Jaket tritt in einem andern jeu-parti zwischen 

') Jeanroy, a. a. O., S. 363. 

*) Dinaux UI, S. 241. 

®) Guesnon M.-A. 1902, S. 1B8. 

4 ) Jeanroy, a. a. O., S. 859. 

5 ) vgl. die vadurie „Arras est escole de tous biens entendre", 
s. u.; wenn man R. glauben darf, ist ihm auch einmal vom Puy der 
Preis zuerkannt worden, vgl. den Anfang von Lied VIII: „Cil qi m’ont 
repris De ma kanchon courounee“. In den Hss. ist keine seiner Chansons 
als coronee bezeichnet. 

«) Passy, S. 24 IX. 


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denselben Dichtern, R 1346, neben Simon Pouchin als Schieds¬ 
richter auf, den man in R.d.T.P.s Partüre XII wiedertrifft. 
Offenbar ist er gleichbedeutend mit dem ältesten Bruder dieses 
Simon, Jaket oder Jakemon Pouchin, dessen Freigebigkeit 
Adan de le Haie in seinem Conge Str. 9 rühmt '), der wie 
viele andere der führenden Bürger von Arras in die leidige 
Steuergeschichte verwickelt war, von der die Lokalsatiren *) be¬ 
richten, und daher mitsamt seinen Brüdern in Stück II v. 88 
ironisiert wird, der schließlich als „Pouchins li ainsnes“ neben 
R d. 1. P. selbst unter den vergnügten und unterhaltenden Ge¬ 
sellen in Stück I auftritt (s. u.) 8 ). Aber so wahrscheinlich auch 
dieses Zusammentreffen in R 693 ist, eine Gewißheit ergibt 
sich bei der Alltäglichkeit des Namens Robert nicht 

R d. 1. P.s literarische Hinterlassenschaft beschränkt sich 
demnach auf 9 Lieder und 4 Partüren. Aus dem Inhalt läßt 
sich keins von diesen Denkmälern zeitlich festlegen. Passy 4 ) 
glaubte freilich jeu-parti XIII auf 1271 datieren zu können, 
doch zeigt schon Guesnon 6 ), daß diese Annahme auf einem 
Mißverstehen von v. 18 beruht. — Es handelt sich nun darum, 
zu untersuchen, welche historischen Persönlichkeiten hinter den 
Namen stecken, denen R. d. I. P. seine Lieder widmet und die 
neben ihm in den Partüren begegnen. 


Der literarisch bedeutendste unter ihnen ist Rs Partner 
in XIII, Jehan Bretel. Er ist der einzige, der in den jeux- 
partis den Titel „Prince del Pui“ erhält, der einzige, dessen 
fürstliche Stellung unter seinen Dichtergenossen auch dadurch 
bekundet wird, daß man den Puy einfach als „seinen Hof“ 
bezeichnete. ®) Welchen Anteil er an der Wiederbelebung des 

1 ) Barbazan-M6on I, S. 109, v. 97 ff. 

*) 8. Jeanroy-Guy. 

®) Ueber ihn s. Guy, S. 62 f., 75; Guesnon, M.-A. 1899, S. 249, 
266 Anm. 6. 

*) Passy, S. 822. 

5) M.-A. 1902, S. 162. 

*) R. 1034, Str. 4, sagt Grieviler zu ihm: »Sire, a vo coürt avez, 


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28 


Arrasör Puy hat, von der sein Zeitgenosse Vilain d’Arras 
singt 1 ), ob von ihm etwa auch die Anregung dazu ausging, 
ist nicht mehr zu ersehen. Soviel aber wenigstens steht fest, 
daß die höchste Blüte dieser zur Pflege höfischer Dichtkunst 
und kunstfroher heiterer Geselligkeit begründeten Genossen¬ 
schaft mit seiner literarischen Wirkungsdauer zusammenfällt 
Ueber Zeit und Umstände seines bürgerlichen Lebens verdankt 
man Guy 2 ) und Guesnon 8 ) die sichersten Aufschlüsse. Seine 
Familie zählte zu den „sergants heritavles* des mächtigen 
Klosters Saint-Vaast, das die Kernzelle der Ville von Arras 
bildete; dieses Lehnsamt verlieh richterliche und notarielle 
Gewalt über gewisse Teilbesitzungen der Abtei, seine Inhaber 
waren höchst' angesehene Bürger. Nebenher betrieb Bretel 
offenbar Geldgeschäfte. Sein Reichtum geht aus Andeutungen 
in mehreren Partüren hervor, ferner aus der Tatsache, daß er 
in der Satire von der Windmühle Aufnahme gefunden hat, 4 ) 
die die schlauen reichen Kaufleute und Bankiers aufs Korn 
nimmt; verfaßt wurde diese Satire spätestens 1259, vielleicht 
sogar vor 1250 6 ). Das Ende seiner Lebensbahn ist in dem 
artesischen Nekrolog verzeichnet:^ er starb 1272, gegen Aug.- 
Sept. Sein Geburtsjahr läßt sich nur ungefähr berechnen. 
Juni 1282 wird sein 1244 verstorbener Vater als Gläubiger 
der Stadt Troyes unter dem Namen „Johanni Bretel seniori* 
aufgeführt, was beweist, daß unser Jehan Bretel spätestens 
damals schon erwachsen gewesen sein muß. Ob man daraus 
schließen darf, daß seine literarische Laufbahn mindestens um 
dieselbe Zeit begann? Seine Lieder sind so wenig gefühls¬ 
mäßig, daß man sie an sich jedem spateren Alter Zutrauen 
könnte, und dasselbe gilt erst recht von der Routine seiner 
jeux-partis. Mit Sicherheit läßt sich keins seiner Lieder und 

je vöus afi, / par mainte fois a vo tort estriv6“, nach photographischem 
Abzug von Hs. b, Fol. 156, v°. 

») R. 472. 

2) Guy, S. 40 f. 

») Guesnon M.-A. 1902, S. 164 ff. 

«) Jeanroy-Guy XXII, v. 61 ff. 

6 ) Guesnon M.-A. 1900, S. 127 f. 


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Partüren auch nur annähernd so früh festlegen. Lied R. 168 
widmet er „a Beatris au cors gent / Ki s’entent“ mit der Bitte, 
es singen zu lassen 1 ). Diese Beatris dürfte gleichbedeutend 
sein mit der Gönnerin des Gillebert de Berneville, Beatrix von 
Brabant 1 ), Schwester Heinrichs III. (1248—61), vermählt mit 
Heinrich Raspe IV. von Thüringen, dann mit Wilhelm von 
Dampierre, dem ältesten Sohn Margaretens von Flandern aus 
zweiter Ehe, der 1251 in einem Turnier den Tod fand. — Jeu¬ 
parti R. 258 enthält eine Anspielung, die ermöglicht, es ungefähr 
zu datieren. Bretel legt darin Grieviler die Streitfrage vor: 
w Meine Dame ist von einem andern um Liebe gebeten worden 
und hat ihn abfallen lassen; was soll sie nun lieber tun: mir 
die Sache verheimlichen oder alles sagen ?“ Grieviler ist der 
Ansicht, daß sie es ihm erzählen soll, Bretel dagegen behauptet, 
dadurch würde sie ihrem Freund die Ruhe rauben und nichts 
als Leidenschaft und Unheil heraufbeschwören, und stützt seine 
Warnung durch ein Beispiel: „Jehan, li were en Hollande / 
Mut par ferne, jel vous di“. 8 ) Gemeint ist die Schlacht bei 
Westcapelle auf der Insel Walcheren, am 4. Juli 1253, wo das 
große Heer, das Margarete von Flandern aus ihrem Land und 
den nächsten französischen Provinzen zusammengezogen hatte, 
unter Führung ihrer beiden Söhne aus zweiter Ehe, Veit und 
Johann von Dampierre, eine ungewöhnlich schwere Niederlage 
durch die holländisch-französischen Truppen des deutschen 
Königs Wilhelm II. von Holland erlitt, auf dessen Seite Mar¬ 
garetens Sohn aus erster Ehe, Johann von Avesnes stand. 
Diese Schlacht und die vorhergehenden und folgenden Kämpfe 
im Hennegau und den angrenzenden Gebieten, von Juli 1252 
bis Juli 1254, sind die blutige Austragung des Erbstreites 
zwischen den Häusern Avesnes und Dampierre, der letzten 
Endes auf die Doppelheirat der Margarete von Flandern zurück¬ 
geht. Ihre erste Ehe mit Bouchard d’Avesnes, aus der zwei 
Söhne entstammten, war, offenbar mit ihrem Einverständnis, 
von ihrer Familie auf Grund der Tatsache als ungültig ange- 

i) G. Raynaud, Bibi. £c. Ch. 41, 1880, 8. 210. 

*) vgl. unter Lambert Fern u. Gillebert de Berneville. 

») Steffens, Ardiiv 88, S. 848 f. 


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26 


fochten worden, daß ihr Gatte vorher die Weihen bis zum 
Subdiakon empfangen hatte. Während er noch ih Rom Dispens 
nachsuchte, hatte sie sich aufs Neue mit Wilhelm von Dampierre 
vermählt. Daß sie ihre Söhne aus zweiter Ehe offenkundig 
bevorzugte, begünstigte den Ausbruch der Erbstreitigkeiten. 
Wilhelm von Holland griff in den Konflikt ein, um seine An¬ 
sprüche auf die Unabhängigkeit Zeelpnds von Flandern durch¬ 
zusetzen, und so kam es zu den blutigen Kämpfen „en Hol¬ 
lande", das in Wirklichkeit ja mit den zeeländischen Inseln 
eine Herrschaft bildete. 1 ) Das Volk ließ bei der Beurteilung 
dieses Ereignisses die rein politischen Vorbedingungen außer 
Acht und sah in den Vorgängen aus dem Eheleben der Mar¬ 
garete von Flandern den einzigen Anlaß zu jenem großen 
Blutvergießen. Ganz ähnlich wie Bretel sagt der Geschichts- 
Schreiber Matthaeus Parisiensis, indem er die Schlacht auf 
Walcheren in ihren Ursachen mit den Kämpfen um Troja ver¬ 
gleicht: „sicut Troia per feminam legitur fuisse cum suis in- 
colis destructa, ita per feminam, scilicet Flandriae comitissam, 
et haec strages tarn dampnosa noscitur perpetrata". 2 ) Zweifel¬ 
los lebte der Eindruck dieses Ereignisses in den angrenzenden 
Ländern noch Jahre hindurch fort. Es läßt sich daher nicht 
ohne Weiteres bestimmen, ob die betreffende Partüre Bretels 
gleich in der 2. Hälfte des Jahres 1253 oder in einem der 
folgenden Jahre verfaßt worden ist — Jeu-parti R. 668 ist 
noch zu Lebzeiten des Sängers König Tiebaüt von Navarra, 
der von 1234 bis Juli 1258 den Thron innehatte, entstanden. 
„Li Rois u Navare apent / Le grant sens desfendi" sagt Bretel 
zur Bekräftigung seiner Ansicht, daß große Schönheit den 
höchsten Geistesgaben vorzuziehen sei. 8 ) Wie schon Tarb6 
bemerkt 4 ), greift er damit auf Tiebauts jeu-parti mit Bauduin 


J ) Zu dem Vorhergehenden vgl. Lavisse, 3II, S. 89 f.; Pirenne- 
Arnheim, bes. S. 275 ft; C. Sattler, „Die flandr.-holl. Verwicklungen 
unter Wilh. v. Holl.“, Gött. Diss. 1872. 

2) Matthaei Parisiensis Chronica Majora, V, S. 382. 

4 Steffens, Archiv 88, S. 846. 

*) Pr. Tarb6, „Chansons de Thibaut IV“, Reims 1851, S. 151. 


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V 


— 26 — 

R. 294 zurück, das eine ähnliche Streitfrage behandelt. — Ein 
weiteres jeu-parti, R. 1354, würde auf eine frühere Entstehung 
verweisen, wenn es eine Gewähr dafür -gäbe, daß Bretels 
Partner darin, Jehan Simon, mit dem 1248 im artesischen 
Nekrolog verzeichneten Jean Simon gleichzusetzen ist; Simon, 
so nennt sich auch der Verfasser des moralisierenden Stückes VIII 
der ^Chansons et Dits Aftesiens“, dessen Abfassungszeit sich 
aber nicht bestimmen läßt. 1 ) — Gänzlich zweifelhaft erscheint 
es mir, ob man in jeu-parti R. 1185, das die Hss. dem Roi 
de Navarre zuweisen, in dem zweiten Teilnehmer Guillaume 
und dessen Richter Gillon das Arraser Brüderpaar Guillaume 
und Gile le Vinier, gestorben 1245 und 1252, erblicken darf, 
wie Fiset es tut 2 ), und in dem zweiten Richter Jehan unseren 
Jehan Bretel. Es wäre das einzige Zeugnis. für Bretels Be¬ 
ziehungen zu den Brüdern le Vinier, und ob König Tiebaut 
überhaupt mit der Arraser Dichterschule in Verbindung stand, 
bleibt trotz Fiset fraglich. — Bei so formelhaften Dichtungs¬ 
gattungen wie die jeux-partis und die Chansons schließt dieser 
Mangel an sicheren literarischen Belegen aus früherer Zeit 
indessen keineswegs die Möglichkeit aus, daß Bretels dich¬ 
terische Betätigung bereits im 2. Viertel des Jahrhunderts ihren 
Anfang genommen hat. 


Fast genau gleichzeitig mit Bretels Leben spielt sich das 
des Audefroi Louchart ab, den Bretel-in XIII als Richter 
gegen R. d. 1. P. anruft. Er entstammt einem Arraser Geschlecht, 
dessen Macht jahrhundertelang in Blüte stand. 8 ) Von 1244 
an als Bankier nachgewiesen, steht Audefroi Louchart 1258 in 
der Schöffenliste; er starb gegen Sept. 1273. Aus zahlreichen 
Urkunden geht hervor, daß er einer der bedeutendsten Bankiers 


*) Guesnon, M.-A. 1899, S. 259. 

2) Fiset, S. 507. 

3) s. Guesnon, „Sigillographie“ S. 24, 17, 23; „Rentes en 1382“; 
Le Gentil, „Le vieil Arras“, Arras 1877, S. 84, 92. 


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seiner Vaterstadt war, was in der Geldstadt Arras viel besagt. 
Die Grafen von Flandern, von Guines, von Artois, der englische 
. Thronfolger Eduard, die flandrischen Städte zählten zeitweise 
zu seinen Schuldnern. *) Sein Reichtum war seiner Zeit sprich¬ 
wörtlich.*) In den Satiren seiner Vaterstadt spielt er eine 
dementsprechende Rolle. Gegen ihn, unter dem Namen 
Audefroi, Sire Audefroi, richten sich die heftigsten Angriffe des 
Verfassers, der dem Groll der. „menue gent“ über die An¬ 
maßung und den sittlichen Verfall der Patrizier seine Stimme 
leiht Stück II, XIII, XXIV s ) zeihen ihn gewissenloser, ja un¬ 
ehrenhafter Ausübung seines Schöffenamts, XXIV f) wirft ihm 
falsche Vermögensangabe zum Zweck der Steuerhinterziehung 
vor. Von diesen Stücken ist II vor Pfingsten 1262, XXIV 
zwischen 1262 und 1266 entstanden 6 ), XIII ist; undatierbar. 
Noch einmal kurz vor seinem Lebensende wird Audefroi, dies¬ 
mal in ehrenvollerem Zusammenhang, von Baude Fastoul in 
seinem Conge genannt, der auch die Freigebigkeit seiner Söhne 
rühmt. 6 ) Aus den Worten Adans de le Haie in jeu-parti 
1679 „Cui denier ont fait laissier/Gieu, feste, gas et riboy“ 7 ) 
geht hervor, daß Audefroi früher, seiner Vermögenslage ent¬ 
sprechend, heiteren geselligen Aufwand liebte, in späteren 
Jahren aber aus Liebe zum Geld all dergleichen fallen ließ. — 
Er hatte Interesse für die literarischen Spielereien; wie sie unter 

den Intellektuellen in Arras damals Mode waren. Das geht 

6 

aus einer ganzen Reihe von jeux-partis hervor, in denen er 
unter dem Namen Audefroi, Sire Audefroi, Audefroi Louchart 
zum Richter gewählt wird; einige Male nimmt er auch selbst 


') Zu dem Vorhergehenden s. Guesnon, M.-A. 1899, S. 252; M.-A. 
1900, S. 140 Anm. 5; M.-A. 1902, S. 157. 

*) s. R. 1191, Waitz XXXI, v. 7—8. 

») Jeanroy-Guy, II v. 57 ff, XIII v. 33, XXIV v. 219. 

«) a. a. O., XXIV v. 59-64. 

s ) Guesnon, M.-A. 1899, S. 252; M.-A. 1900, S. 155. 

®) Barbazan-M6on I, S. 114, v. 73, S. 123, v. 349 ff. 

*) G. Raynaud, Rom. VI, S. 592. 




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an dem Spiel teil. 1 ) Es fällt auf, daß er in den erhaltenen 
jeux-partis nie anders als in Gesellschaft von Jehan Bretel 
begegnet Man darf wohl annehmen, daß auch der Anfang 
der literarischen Betätigung dieser beiden zeitlich nicht allzu 
weit auseinanderfiel. Unter den Partüren, die seinen Namen 
bringen, befindet sich R 668 (Lesart der Hss. b und z\ das, 
wie man oben sah, vor Juli 1258 entstanden ist Von den 
übrigen lassen sich nur die Nummern R 664 und 940 etwas 
genauer festlegen, ln ihnen treten neben Audefroi und Bretel 
der Graf von Anjou und Perrin auf. Ersterer ist Karl von 
Anjou, Bruder Ludwigs des Heiligen, letzterer der als Lieder¬ 
dichter bekannte Perrin von Angicourt*) den mit Karl von Anjou 
auch ganz reale Beziehungen verknüpften. Er folgte dem Fürsten 
später nach Italien und leistete ihm dort als Architekt, dann 
als Verwaltungsbeamter langjährige Dienste. Die beiden Par¬ 
türen müssen bei einem Besuch Karls im Norden entstanden 
sein. Karl, geboren März 12*26, hätte nach Steffens’ sehr ver¬ 
lockender Annahme 8 ) während der Jahre seiner Ausbildung 
in allen Ritterkünsten, 1242—5, häufig in Arras geweilt. In 
diese Zeit könnte seine Einführung in den Dichterkreis am 
ersten fallen. Die literarische Betätigung des Perrin liegt nach 
Guesnon in der Zeit um 1245—50, nach Steffens »etwa im 
4. oder 5. Jahrzehnt des 13. Jhts.;“*) Perrin würde also in 
den 40 er Jahren zu Karl von Anjou in literarische Beziehungen 

e 

getreten sein. Unsere beiden jeux-partis wie auch alle übrigen, 
in c)enen er auftritt, geben Karl den Titel Graf von Anjou; 
sie können daher nicht vor 1246 verfaßt sein, denn Karl 

t 

empfing seine Erbländer Anjou und Maine erst nach seinem 
Ritterschlag, am 27. Mai 1246, aus der Hand seines königlichen 


•) 8. Fiset unter Audefroi (li Bastars) und Audefroi Loucart; zu 
ergänzen R. 862, Passy S. 23 VI. 

*) s. Steffens, „Perrin von Angicourt,“ Einleitung; und Guesnon, 
M.-A. 1909, S. 70 ff. 

3) Steffens, a. a. O., S. 26. 

4 ) Guesnon, M.-A. 1909, S. 74; Steffens, a. a. O., S. 78. 


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Bruders. 1 ) . Man muß die Partüren also bei einem späteren 
Besuch Karls in Arras entstanden denken, zwischen 1246 und 
Frühjahr 1265, wo er zu seiner Heerfahrt nach Italien aufbrach. 


Dem Audefroi Louchart stellt R. d. 1. P. in XIII einen 
Sire Ermenfroi als Schiedsrichter gegenüber. Wer ist 
dieser Sire Ermenfroi? Ich finde nur noch einmal, von Roberts 
Freund Mahieu de Gant, einen Seignor Hermenfroi als Richter 
genannt, gleichfalls phne Familiennamen. 3 ) R. d. L P. sagt von 
ihm XIII v. 61 f., im Hinblick auf Audefroi Louchart: „Sire 
Ermenfroi qui a plus longement/Amd et plus al6 aveuc la 
gent; M damit ist nicht notwendig gesagt, daß der Betreffende 
älter an Jahren sei als Audefroi. Es genügt vielmehr an-? 
zunehmen, daß er früher mit den Genossen des Pui, der gent, 
in Verbindung gekommen ist und länger in ihrer Mitte von 
amour gesungen und über Minnefragen zu Gericht gesessen 
hat; mehr besagt die Wendung nicht in der Sprache dieser 
literarischen Zunft — In den zeitgenössischen Lokalgedichten 
begegnet der Name Ermenfroi mehrmals Der berühmteste, 
oder auch berüchtigste unter seinen Trägern ist Ermenfroi 
Crespin. Er gehört einer außerordentlich weit verzweigten 
Familie an, 8 ) die nach Guy 4 ) die reichste und mächtigste von 
Arras überhaupt war, und sogar die Louchart, Douchet, Pouchin 
in den Schatten stellte. Ermenfroi Cr. selbst war Bankier 
(„usurier“), als solcher mehrfach Gläubiger des Grafen Robert II. 
von Artois. 6 ) Das Jeu de^la Feuillee lehrt ihn neben Jakemon 
Louchart als einen* der neuen mächtigen Günstlinge des Grafen 
kennen, es nennt ihn „de le vile signour". 6 ) In den satirischen 


•) Stemfeld, S. 27 f. 

*) R. 1687. 

s ) Guesnon ,Les Origines d’Arras etc,“ M6m. de I’Acad. d’Arras, 
T. 26, 1895, S. 238 ff. 

4 ) Jeanroy-Guy, S. 120. 

6 ) Guy, S. 434. 

*) Langlois, v. 790 ff. 


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— 80 — 

„Dits Artösiens“ kommt er schlecht weg. Er ist identisch mft 
dem Frekin 1 ) in Satire XIII 9 ); er und sein Geschlecht, les 
Frekinois 1 ), Cil de l'Estree 4 ), aus dem offenbar regelmäßig 
Schöffen hervorgingen, tragen nach den Satiren einen jiaupt- 
anteil der Schuld an dem Steuerskandal, der Arras damals in 
Erregung versetzte; als Lügner und Betrüger werden sie an 
den Pranger gestellt in der satirischen Allegorie von der Wind¬ 
mühle 6 ), in der auch Bretel seinen Teil erhält, wie man oben 
sah. Schließlich wird im Jeu de la Feuillee 6 ) der Vorwurf 

des Geizes gegen sie erhoben. — Ermenfroi Crespin ist auch 

• * 

in einigen Urkunden wiedergefunden worden, die aber sämtlich 
seinen späteren Jahren angehören: in dem censier von 1261, 
in der gräflichen Schuldenliste von 1274 und in einer seinen 
Sohn betreffenden Urkunde von 1 269. Er starb gegen Pfingsten 
1277 ^ Immerhin ergibt sich aus der Erwähnung der 
Frekinoia^in der vor 1262 entstandenen Satire II, daß Ermenfrois 
Söhne bereits vor dieser Zeit im öffentlichen Leben in Arras 
eine Rolle spielten, wahrscheinlich als Schöffen. Er wird also 
dem Alter nach Bretel und Audefroi Louchart ungefähr an die 
Seite zu stellen sein. 

; Ein zweiter Ermenfroi, der in Frage kommen könnte, ist 
Ermenfroi de Paris, der im Jeu de la Feuillee 8 ) neben Ermenfroi 
Crespin als Geizhals verschrien und in Satire XXIV 9 ) wegen 
betrügerischer Steuer-Einsdiätzung angegriffen wird, seiner Ver¬ 
mögenslage nach zu urteilen also sicherlich eine Persönlichkeit 
von Ansehn war. Der auf seine Kinder ausgedehnte Tadel 
im J. d. L Feuillee zeigt, daß seine Nachkommen zur Zeit der 

*) Bildung aus -froi + germ. Diminutiv - Suffix -kin, s. Gues- 
non, M.-A. 1899, S. 265. 

*) Jeanroy-Guy, XIII, v. 42. 

3) a. a. O. II, 22. 

«) a. a. O. XIII, 23 ff. 

*) a. a. 0. XXII, 152, 159. 

Laaglois, v. 218 ff., 794 ff. 

*) Guy, S. 484; Guesnon, M.-A. 1900, S. 145 Anm. 3. 

8) Langlois, v. 218 ff. 

*) Jeanroy-Guy, XXIV, v. 111—4. 



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Entstehung des Jeus schon erwachsen waren, aber die schwierige 
Datierbarkeit dieses Stückes läßt keine sicheren zeitlichen 
Rückschlüsse zu. Sein Tod fällt mit dem des Ermenfroi 
Crespin sehr nah zusammen: er starb Ende 1276. *) 

Ein dritter gleichen Namens ist Ermenfroi le Tailleur, 
Sohn des Ermenfroi Kiepuce oder Puche. In einem bald 
nach seinem Tode" entstandenen moralisierenden Stück der 
„Chansons et Dits Artösiens“ wird er als im Besitz ansehnlicher 
ererbter Heichtümer aufgeführt; dabei heißt es von^ihm: 
„D’onneur faire fu travellieres“.*) Mehrere ihm gehörige 
Immobilien sind aus Urkunden bekannt 8 ) Da sein Vater 
schon 120 1 Schöffe war und 1281 starb, er selbst 1262 4 ), 
darf man wohl annehmen, daß er seinen beiden Namensvettern 
dem Alter nach voranging. 

Unter den drei Genannten nimmt Ermenfroi Crespin nach 
Geburt, Vermögen und Rang die erste Stelle ein; an ihn wird 
man für den Sire Ermenfroi des R. d. 1. P. und Mahieu de Gant 
zunächst zu denken haben, wenn auch eine vollkommen sichere 
Entscheidung nicht getroffen werden kann. 


Einem gleichfalls bedeutenden Arraser Bürgergeschlecht 
gehört Simon Pouchin an, der in Partüre XII als Schieds¬ 
richter gegen R. d. l. P. angerufen wird; Lambert Ferri gibt 
ihm den Beinamen „le poissant“. Aus Adans 8 ) und Fastouls 
Conggs 6 ) erfährt min, daß die Pouchins ihren Reichtum der 
Kunst zugute kommen ließen; sie gewährten den Dichtern 
freigebigste Unterstützung. Simon und sein Bruder Paket 
waren die besonderen Wohltäter des Fastoul, der ihnen 1272 


*) Guesnon, M.-A 1900, S. 144 Anm. 8. 

*) Jeanroy-Guy, XIV, 58 f. 

3) Jeanroy-Guy, S. 146; „Inventaire dironologique“ p. Guesnon, 
Doc. XXXlll. 

4 ) Guesnon, M.-A 1900, S. 2. 

5 ) Barbazan-M6on I, S. 109 f., v. 97-120. 

«) a. a. 0., S. 112 f., v. 81 ff. 


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1 


— 8 * — 

in seinem Äbschiedsgedicht aufrichtigen Dank und Lob dafür 
ausspricht 1 ) Simons Beziehungen zu dem Dichterkreis sind 
weiter aus zwei anderen Partüren zu ersehn, in denen er zum 
Richter ernannt wird, einmal wieder mit Dragon 9 ), einmal mit 
seinem ältesten Bruder Jaket zusammen. 8 ) Andererseits sieht 
man die Familie Pouchin, wie die meisten der führenden 
Geschlechter, in die mißliche Steuergeschichte verwickelt, von 
der die lokalen Satiren berichten, fn Satire II 4 ) findet man 
Simon und seine Brüder wieder, der Verfasser rühmt sie 
höchst ironisch. Simon Pouchins tbd ist im artesischen 
Nekrolog verzeichnet: 1287 oder 1288. B ) Die beiden andern 
jeux-partis, in denen . er als Richter auftritt, sind wegen 
Bretels Beteiligung mindestens vor 1272 anzusetzen, damit 
sind sie nur sehr ungefähr datiert Satire II bekundet, daß 
Simon im bürgerlichen Leben bereits vor 1262 eine bedeu- 
Rolle spielte. Genaueres aus seinen früheren Jahren ist nicht 
bekannt 


In Partüre XI wird ein Copin gegen R. d. 1. P. zum Richter 
ernannt; demselben sendet Robert sein Lied IV mit den Worten 
„Cancon, va t'ent presenter / A Copin qui escouter / Te fera.. 
Dieser Copin ist nicht der Liederdichter Ernoul Copin (Caupain, 
Hs. T), wie P. Paris 6 ), danach Gröber 7 ) annimmt; vielmehr weist 
ein ganz ähnlich lautendes envoi des Alart de Cans in R. 881 
darauf hin, daß Copin Doucet gemeint ist: .Copin Doucet, 
proi vous que faites tant / Que en maint lieu faites chanter 
ce chant.. . a8 ) Ob der Adressat und Gönner, dem Jean 


*) a. a. O., S. 112 t, v. 87 ff. 
») R. 927. 

*) R. 1846, s. o. 

*) Jeanroy-Guy, 11, v. 86—42. 


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6 ) Guy, S. 62. 

8) Hist. litt. 28, S. 749. 
i) Gröber, S. 952. 

8) Hist. litt. 28, S. 628. 


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Erart in seinem Lied R. 2055 anempfiehlt „qu’il parmaintiegne 
honor / Et largece et valor: / S’en accroistra ses pris“ eben¬ 
falls Copin Doucet ist, wie Guy angibt 1 ) oder aber Jean 
Douce*X kann ich nicht nachprüfen. Der so Angeredete war 
jedenfalls ein Bürger von Rang. Wenn Guy richtig zitiert, so 
läge in dieser Stelle eine weitere Bestätigung, — deren es aber 
kaum bedarf, — dafür, daß man unsern Copin unbedenklich 
mit dem angesehenen Arraser Bürger Copin oder Jakemon 
Doucet gleichsetzen kann, aus dessen Leben man einige Daten 
kennt. Er war begütert; eine seiner Besitzungen ist in einer« 
Urkunde vom März 1260 und in’dem Censier von 1261 er¬ 
wähnt, eine andere in einer Urkunde seiner Witwe, März 1265 8 ). 
Vor 1260 bekleidete er das Amt eines Schöffen, und zwar 
gehört er unrühmlicherweise zu denen, die in der letzten Arraser 
Satire 4 ) wegen ihres unredlichen Vorgehens bei der fraglichen 
Steuergeschichte heftig angegriffen werden. Der Verfasser der 
Satire gibt der Erregung des Publikums den Geld-Aristokraten 
gegenüber Ausdruck, auf deren Betrügereien sich dieser Skandal 
zurückführt. Den Schöffen, die ihr Amtsschwur verpflichtete, 
die Steuererhebung gerecht zu leiten, wird zum Vorwurf ge¬ 
macht, daß sie die falschen Vermögensangaben der reichen 
Bürger durchgehen ließen, und mehr als das, der Verdacht 
einer Unterschlagung wird angedeutet. 6 ) Wann sich diese dunklen 
Finanzoperationen abspielten, läßt sich vorläufig nicht aufs Jahr 
bestimmen; doch geschah es keinesfalls nach Pfingsten 1260, 
weil um diese Zeit einer der mitbeschuldigten Schöffen schon 
das Zeitliche gesegnet hatte. 6 ) Zur Zeit der Abfassung der 
Satire, zwischen Ende 1262 und Okt. 1266 (s. o.), war Copin 
Doucet nicht exiie 7 ), sondern bereits tot. 8 ) Wie aus den oben- 

J ) Guy, s. XLV1I; Jeanroy-Guy, S. 123. 

2) So Hist. litt. 23, S. 648; danadi Guesnon, M.-A. 1902, S. 144, 159. 

2) Guesnon. M.-A. 1900, S. 165 Anm. 2. 

4 ) Jeanroy-Guy, XXIV, v. 233. 

6 ) a. a. O. v. 199-210. 

6) Guesnon, M.-A. 1900, S. 155. 

'O Jeanroy-Guy, S. 123. 

8) Guesnon, M.-A. 1900, S. 149. 

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erwähnten Urkunden hervorgeht, starb er zwischen 1261 und 
März 1265. Derselbe Name begegnet wieder in späteren Ur¬ 
kunden'). Doch läßt die Zusammenhaltung mit dem in der 
letzten Satire ebenso geschmähten Audefroi Louchart zur Genüge 
erkennen, daß es sich hier nur um den Copin Doucet der 
älteren Generation handeln kann. — Rud. Berger l 2 * ) hält unsern 
Copin Doucet für einen einfachen Jongleur, indem er ihn mit 
dem Copart gleichsetzt, der in jeu-parti R. 871 von einem bisher 
nicht identifizierten Robert angegriffen wird (s. o. zu R. d. 1. P. 
X und XI), und als Richter Ferris auftritt in R. 298. Aber dieser 
Copart erweist sich als eine Person für sich. Jeu-parti R. 871 
läßt vermuten, daß er Kleriker war (s. u. R. d. C.), und so darf 
man ihn wohl gleichsetzen mit dem Copart Doucet Je couronnß“, 
d. i. der Tonsurierte, der Kleriker, aus Fastouls Congö v. - 161 , 
den Guy irrtümlich als „mönestrel couronne au Puy d’Arras 
faßt. 8 ) Das zeigt also, daß er 1272 noch lebte. Schwerlich 
wird er gleichbedeutend sein mit dem Copart, dem Sohn 
unseres Schöffen Copin Doucet, der neben seiner Mutter und 
zwei Brüdern in der oben zitierten Urkunde vom März 1205 
steht 4 5 ) (man beachte die Verschiedenheit der Namen in der 
Urkunde und bei Fastoul und die Wendung Ji clercq et leur 
fernes“ in der Urkunde). Man steht hier wohl einem anderen 
Zweig derselben großen Familie gegenüber. Guesnon fand 
den Kleriker Copart «eite ailleurs en 1298.“ 6 ) 


Einem artesischen Adelsgeschlecht entstammt Gille de 
Nueville, dem R. d. 1. P. sein Lied II widmet. Nach diesem 
Geschlecht benennt sich heute noch der 5 km südöstlich von 
Arras gelegene Flecken Neuville-Vitasse. Die Zufügung Vitasse 

l ) Nach Guy, S. 103, Jeanroy-Guy, S. 123 in „God. Inv. 11, 200, 
fSvrier 1294“ (v. st. ?). 

*) Rud. Berger, S. 234, 878. 

3) Guy, S. LI Anm. 1; 572. 

4 ) „Inventaire chronologique“ p. Guesnon, Doc. XXXIII. 

5 ) Guesnon, M.-A. 1902, S. 144. 


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rührt von dem Taufnamen Wistace-Eustache, der den ältesten 
Söhnen jeweils erblich war, während der Name Gille sich bei 
den jüngeren forterbte. Aus der Erblichkeit des Namens er¬ 
geben sich Schwierigkeiten für die Identifizierung. Ein Gille 
wurde Herr von Neuville zwischen 1250 und 1254 nach dem 
Tode seines Vaters und zweier älterer Brüder Eustache und 
Jean. Sicherlich ist er es, den Baude Fastoul in seinem Cong6 
1272 samt seinen zwei Söhnen Ridiaus und Brisegaus als 
„sires Gilles li viex“ ehrenvoll und dankbar nennt: „le plus 
vaillant houme / Et cui mes cuers aime le miex, / Ki soit 
entre le Lis et la Somme.“ 1 ) Er tritt 1278 im „Roman de 
Ham“ als hochangesehener Ritter auf, der aber selbst nicht 
mehr an den Turnieren teilnimmt Neben ihm turnieren die¬ 
selben beiden Söhne und noch andere Glieder derselben 
Familie (Guis Aimers)*). Ich möchte annehmen, daß der Mes- 

sire Giles de Neuville, Vertrauter des Grafen Robert II., der 

# 

am 6. Dezember 1273 an ihn und andere Herrn schreibt: 
„quar nous desirons vo compeignie seur tous autres“, und 
ebenso der „Gilles de Noeville, homme du comte“ vom 3. April 
1283 8 ) kein anderer ist als er. — Sein zweiter Sohn trägt 
wieder den Namen Gille; er war schon vor Juni 1267 ver¬ 
mählt 4 ), also erwachsen, und starb nicht später als 1295. 6 ) — 
Zu entscheiden, welche von diesen beiden Generationen R. d. I. P. 
näher stand, ist schwierig. Für den Vater scheint zunächst 
die Nennung des Gilles li viex durch Baude Fastoul zu 
sprechen, denn der von Fastoul als sein Wohltäter Verewigte 
muß mit dem Arraser Dichterkreis Fühlung gehabt haben; und 
Verständnis für die dort geübte Kunst lobt ja R. d. 1. P. an 


*) Barbazan-Meon I, S. 123 f., v. 361 ff. 

2) Fr. Michel, Hist, des Ducs de Normandie ... suivie de la relation 
du Tournoi de Ham, Paris 1840, S. 274, 278, 293, 294, 281-282, 310, 
353, 359, 365—366. 

3) „Inventaire sommaire“ p. Richard, S. 36b; 45 f. 

4 ) a. a. O., S. 28 a. 

5 ) Zu dem Vorhergehenden, Gille de Neuville und seine Familie, 
s. Guesnon, M.-A. 1900, S. 12 f.; M.-A. 1909, S. 68 f. 


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86 


seinem Adressaten, indem er sagt: „Gille de Kueville qui 
entendes“. Doch da in der Familie der Neuville literarisches 
Interesse auch sonst noch bezeugt wird 1 ), genügt dieser Punkt 
nicht zur Sicherstellung. Auch die Widmung des Gillebert de 
Bemeville an den „Chevalier Gille de Noevile“ 2 ) gibt keinen 
Anhaltspunkt. 


Eine merkwürdig mysteriöse Figur ist Dragon, den 
Robert im Geleit seines Liedes 111 nennt und den er als 
Richter in Partüre XII berult. Offenbar genoß Dragon großes 
Ansehn im Puy von Arras, denn keiner wird so oft wie er 
zum Richter in den jeux-partis gewählt. Dabei war er, nach 
den Liederhss. zu urteilen, selbst so wenig literarisch frucht¬ 
bar, daß Guy 8 ) ihn treffend mit Conrart, dem Beschützer der 
jungen Academie vergleicht. Nach den mir zugänglichen 
Quellen möchte ich glauben, daß Dragon die Beteiligung an 
Partüren gänzlich abzusprechen ist. Fiset 4 ) führt ihn zweimal 
als Widerpart auf: in R. 067 und 609. Für das crstere jeu- 
parti stützt er sich auf Raynauds Bibliographie, die den Anfang 
der Partüre widergibt „Dragon, vostre ensient,“ was aber nach 
Schwan 6 ) auf eine fehlerhafte Abschrift zurückgeht und zu 
verbessern ist in „Grieviler, vostre escient“ (= R. 6C8). Was 
das zweite anbelangt, so scheint es mir durchaus möglich, daß 
Pfagons Name darin nur einem Kopisten-Irrtum zu verdanken 
ist (s. w. u.). — Ueber die Persönlickkeit des Dragon ist nichts 
bekannt; offenbar ist er Guesnon in artesischen Urkunden 
nicht begegnet. Es liegt nahe, mit Guesnon 6 ) und Schultz- 
Gora den Namen für ein in literarischen oder anderen Kreisen 
geläufiges Pseudonym zu halten, wie es deren in Arras mehrere 


*) Guesnon, M.-A. 1909, S. 65 ft. 

2) R. 410, Waitz No. X. 

3) Guy, S. 86 f. 

4 ) Fiset, S. 515. 

5 ) Schwan, Litbl. 6, Sp. 63. 

8) Guesnon, M.-A. 1902, S. 154. 




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gab. Schultz-Gora 1 ) glaubt ihn mit Jehan de Vergelai identi¬ 
fizieren zu können, der nach Jeanroy-Guy 2 ) in Urkunden von 
1-271, 128i (1295 derselbe?) auftritt und wahrscheinlich gleich¬ 
bedeutend ist mit dem Sire Jehan de Vregelai in Fastouls 
Congö, v. 265. Schultz-Gora wird zu seiner Annahme geführt 
durch die Partüre R. 669 (nur in Hs. a vorliegend) zwischen 
Bretel und Jehan de Vergelai, wo Bretel seinen Gegner in der 
vorletzten Strophe „statt, wie bisher, mit Jehan de (del) Vergelai, 
wahrscheinlich aus metrischen Gründen [?] mit Dragon“ an¬ 
redet, (die Hs. schreibt ragon). Mir scheint der Verdacht näher 
zu liegen, daß es sich hier bloß um einen Flüchtigkeitsfehler 
des Schreibers handelt, wie man ihn z. Bsp. in der Hs. Z 
zweimal findet. 8 ) Dem Schreiber von a kann ich allerdings 
keinen zweiten Fehler dieser Art nachweisen. Passy 4 ) stellt 
freilich Namensverwechslung in der 1 . Zeile von R. 1637 und 
R. 8 fest. Wie ich mich aber an photographischen Abzügen 
überzeugte, stehn die Namen im Text der beiden Lieder ganz 
richtig. Passy und ebenso Raynaud, Bibliographie, haben die 
Liedanfänge offenbar nach der Table notiert, wo die falschen 
Namen stehen werden. Die Möglichkeit bleibt immerhin offen, 
daß dem Abschreiber (vielleicht nicht dem letzten, der sorgfältig 
zu sein scheint) einmal statt „Jehan“ der vorher bereits ein 
Dutzend mal dagewesene Name „Dragon“ in die Feder ge¬ 
kommen sei, so lange wenigstens, bis Schultz-Goras Annahme 
anderweitig gestützt würde. Zu ihren Gunsten könnte man 
vielleicht anführen, daß Bertran, den Jehan de Vergelai hier 
zum Richter erwählt, sonst, soviel ich sehe, als Richter stets 
neben Dragon auftritt; 6 ) doch zwingt das gleichfalls nicht zur 
Annahme einer Gleichheit. — Es bleibt also vorläufig kein 
anderer sicherer Weg, um etwas über Dragons Lebenszeit zu 
erfahren, als die jeux-partis. Zunächst trifft man ihn, mit nur 

*) Schultz-Gora, S. 95. 

2) Jeanroy-Guy, S. 113. 

3 ) R. 618, Str. 1 (s. Passy, S. 29 XXIV; Archiv 88, S. 354 f.); R. 
668, Str. 5 (s. Archiv 88, S. 346 f.). 

4 ) Passy, S. 26 Anm. 1; S. 38 Anm. 2. 

5 ) R. 918 u. 1774. 


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wenigen Ausnahmen, 1 ) stets mit Bretel zusammen, also vor 
1272. R. 918 ist wegen der Beteiligung des Perrin von Angi- 
court vor 1269 anzusetzen. Ferner ist Dragon Richter in der 
Partüre der croisade de Pouille (R. 496) im Jahre 1265 (s. u. 
Lambert Ferri). Daß er auch schon vor den 60 er Jahren eine 
Rolle spielte, geht aus dem Lied des Wibert Kaukesel R. 924 
hervor, der es Jehan Erart, Boutillier und Dragon zusammen 
widmet Von diesen dreien darf man den ersten, der litera¬ 
rische Beziehungen zu maistre Willaume, d. i. wohl der 1245 
verstorbene Guillaume le Vinier, pflegte, 2 ) höchst wahrscheinlich 
mit dem 1258 und 1259 im Nekrolog eingetragenen Arraser 
Jean Erart 8 ) gleichsetzen. Den Wibert Kaukesel selbst fand 
Guesnon 4 ) als Kanonikus scolasticus Atrebatensis um 1250 
wieder; sein Lied fällt möglicherweise in eine frühere Zeit. 
Durch Dragons Teilnahme an R. 258, daß sich auf 1253 oder 
wenig später datieren läßt (s. u. Jehan Bretel), wird endgültig 
erwiesen, daß er auch schon um die Mitte des Jahrhunderts 
Widmungen entgegennahm. 


Zum Richter in Partüre XI ernennt R. d. 1. P. einen 
Boutillier; ihm sendet er auch sein Lied IX mit den Worten: 
„Por ce vos ai envole/Ma chancon, que ja vos vi/Joli.“ 
Diese Wendung legt nah, daß Boutillier selbst Liederdichter 
war. Es ist derselbe Colart le Boutillier, dem Gillebert de 
Berneville sein Lied R. 417, Jehan de Nueville seine Pastorelle 
R. 962 widmen mit der Bitte, sie zu singen. Eine ganze An¬ 
zahl seiner Lieder sind uns erhalten. Um so weniger weiß 
man von seinem bürgerlichen Leben. Gehörte er wirklich dem 
artesischen Adelsgeschlecht der Boutillier an, deren Wappen 
Dinaux 1 ) seinen Liedern in Hs. T vorgesetzt findet, oder ist 


') R. 692 u. unser R. 1331 (XII). 

3) wohl R. 1712, s. Guy, S. XLVII. 

3) s. Guesnon, M.-A. 1902, S. 159. 

4 ) Guesnon, a. a. O., S. 140 f. 

*) Dinaux II, S. 287; III, S. 131. 


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er unter die zahlreichen Arraser Bürger gleichen Namens 1 ) zu 
zählen? Ich vermag es nicht zu entscheiden. Seine Lebens¬ 
zeit läßt sich vorläufig nur aus seinen literarischen Beziehungen 
bestimmen. Von den Dichtern, mit denen er Lieder tauschte, 
gehören einige vorwiegend dem 8. Viertel des Jahrhunderts an, 
soweit man bisher sieht; so Bretel, den er im Geleit von 
R. 814 nennt, Gillebert de Berneville und der Kleriker Henri 
Amion, die ihm je ein Lied widmen (R. 417 und R. 825), und 
Phelipot Verdiere, der Adressat seines Liedes R. 1875. Das 
Lied R. 924, das Wibert Kaukesel dem Jehan Erart, Colart le 
Bouteillier und Dragon zusammen zueignet, stammt möglicher¬ 
weise aus einer früheren Zeit (s. o. Dragon). In dem Jehan 
de Nueville, dem Colart sein Lied R. 889 widmet, wofür dieser 
ihm seine Pastorelle R. 962 schickt, 2 ) erblickt Guesnon 8 ) offen¬ 
bar mit Recht den Jehan de Neuville-Vitasse, der in Urkunden 
von 1242, 1244 und 1246 auftritt und vor 1254, vielleicht so¬ 
gar vor 1250 starb; er ist der ältere Bruder des Gille de 
Nueville, den man oben als den wahrscheinlichen Dichterfreund 
R. d. 1. P.’s kennen lernte. Der nachweislich älteste von 
Boutilliers Bekannten ist Maistre Willaume; ihm eignet er 
seine beiden Lieder R. 891 und 1610 zu und teilt mit ihm das 
Spiel R. 2129. Ich zweifle nicht, in ihm den durch zahlreiche 
Lieder, Pastorellen und Partüren bekannten Kleriker Guillaume 
le Vinier zu sehen, dem viele Handschriften den Titel „maistre“ 
geben. Nach Guesnons Unterjochungen 4 ) lebte er in der 
l. Hälfte des 13. Jhts. und starb Sommer 1245. -- Nach diesen 
ungefähren Festlegungen ist man berechtigt, Boutilliers litera¬ 
rische Tätigkeit beiderseits der Mitte des 13. Jhts. anzusetzen, 
ähnlich wie P. Meyer 6 ) und M. Richter 6 ) es tun. 

J ) s. R. 1191, = Waitz Nr. XXXI; Guesnon, Bull. hist, et phil. 
1898, S. 211; Invent. sommaire p. Richard, S. 42b, 48 b; Cart. et Comp- 
tes de l’hop. St. Jean-en-FEstree, S. 329. 

2) s. Richter, S. 10, 60. 

®) Guesnon, M.-A. 1909, S. 65 ff. 

4 ) Guesnon, Bull. hist, et phil. 1894. S. 432 

5 ) Rom. 19, S. 30 Anm. 1. 

®) Richter, S. 6. 


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Die beiden folgenden, Mahieu de Gant und Lambert Ferri, 
gehören dem Klerikerstand an. Mahieu de Gant, Roberts 
Partner in den jeux-partis X und XI, ist aus einer weiteren 
Partüre (R. 1687) und als Liederdichter bekannt P. Paris,') 
nach ihm Jeanroy,*) Fiset, 3 ) und mit Vorbehalt Gröber 4 ) identi¬ 
fizieren ihn mit dem gleichfalls als Liederdichter überlieferten 
Mahiu le Juif, während de Laborde 6 ) diesmal zuverlässiger ist, 
indem er sich streng an die Hss. hält. Die Gleichsetzung 
der beiden Mahiu ist unbegründet; denn die 2 Lieder, in 
denen der Verfasser auf seinen Üebertritt zum Christentum 
anspielt, tragen in keiner einzigen Hs. den Namen Mahieu de 
Gant: R. 818 ist in seinen beiden Ueberlieferungen, M und 
T, „Mahius li Juis“ überschrieben, R. 782 in C, M, T „Mahieu 
le Juif“; in H „Moniot d’Arras“; in den übrigen steht es 
anonym. Die Charakteristik der Ausdrucksweise des Dichters 
bei P. Paris 6 ) bezieht sich nicht auf Mahieu de Gant, sondern 
auf diese beiden Lieder des Mahieu le Juif. — Damit fällt für 
Mahieu de Gants Datierbarkeit der mit der Hs. H gegebene 
Hinweis auf eine Zeit vor 1254 weg. 7 ) Aus Mahieus litera¬ 
rischen Beziehungen läßt sich für seine Lebenszeit nichts 
Genaues entnehmen. Ls steht lediglich fest, daß sein Bretel 
gewidmetes Lied R. 1144 vor 1272, das dem Sire Audefroi 
gewidmete R. 1810 vor 1273 entstanden ist. Der Kleriker 
Henri Amion, Adressat von Lied 1228 und Partner in R. 1687, 
ist wahrscheinlich der von Fastoul, Cong6 v. 98 genannte, 
gehört demnach auch spätestens ins 3. Viertel des Jahrhunderts. 
Richter in der letzgenannten Partüre sind Vilain d’Arras, den 
Guesnon 8 ) in dieselbe Zeit zu setzen geneigt ist, ohne seine 


>) P. Paris, Mss franp. VI, S 88. Hist. litt. 23, S. 546, 657. 
*) Jeanroy, Rdlr. 40, S. 352. 

*) Fiset, S. 438, 517. 

*) Gröber, S. 951. 

5 ) Laborde, II, S. 205, 334. 

6) Hist. litt. 23, S. 657. 

7) zu Gröber, S. 951. 

8) Guesnon, M.-A. 1902, S. 153—4. 


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historische Persönlichkeit bestimmen zu können, und Seignor 
Hermenfroi, den ich mit Ermenfroi Crespin gleichsetzen möchte 
(s. o.) — Die Liederhandschrift X verrät von M/s Leben nur 
noch einen Umstand: sie gibt ihm den Beinamen „li clers“ 
(Fol. 186 a), offenbar mit Recht, denn wenn Mahieu nicht Kle¬ 
riker gewesen wäre, so hätte es keinen Sinn, daß R. d. 1. P. 
ihn in XI vor die schwierige Wahl stellt: „Möchtest du 
Kanonikus an der Kathedrale von Arras werden und der 
Liebeserfüllung entsagen, oder willst du lieber auf das Kano- 
nikat verzichten?“, worauf Mahieu antwortet: „Pfründen und 
Reichtümer verachte ich zwar nicht, aber-Nun er¬ 

wähnt Guesnon gelegentlich 1 ) einen Mathieu de Gand, der 
von 1253 ab die Archidiakonatsstelle, ein ebenso wichtiges 
wie einträgliches Amt, von Ostrevant in der Diözese Arras 
bekleidet hätte. Das wäre die urkundliche Bestätigung dafür, 
daß Mahieu de Gant es in seinem späteren Leben tatsächlich 
zu Pfründe und Reichtum gebracht hätte. Doch diese Angabe 
bei Guesnon (die dazu benutzten Urkunden sind mir unzu¬ 
gänglich), stellt sich als Namensverwechslung heraus: der be¬ 
treffende Archidiakon hieß Wautier (Gautier) de Gand. 3 ) — 
Die Frage also, ob für Mahieu de Gants literarische Betätigung 
auch das 2. Viertel des Jahrhunderts anzusetzen ist, läßt sich 
nach dem Vorliegenden allein noch nicht beantworten. 


Roberts Partner in XII ist Lambert Ferri, gleichfalls 
Liederdichter und bekannt als Teilnehmer und Richter in zahl¬ 
reichen jeux-partis. Die Partüren zeigen ihn, mit wenigen 
Ausnahmen X X stets in Gesellschaft von Jehan Bretel. Der ganz 
überwiegend größte Teil seiner literarischen Tätigkeit spielt sich 
also vor 1272 ab. Etwas engere Grenzen lassen sich nur für 

») Guesnon, M.-A. 1900, S. 34. 

*) s. Guesnon selbst, Bull. hist, et phil. 1898, S. 194 Anm. I und 
211 Anm. 20. Cartulaire de l’Ev€di6 d’Arr., S. 207. Desnoyers, Ann. 
hist. publi6 p. la Soc. de l’hist. de France, 1861, S. 327. 

3) Soviel ich sehe, nur unser XII, R. 359 u. 1674. 


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einzelne jeux-partis ziehen. So sind R. 165 und 375 vor 
Okt 1268 zu setzen, da um diese Zeit der eine der Schieds¬ 
richter, Pierre Wion, bereits tot war. 1 * * ) In R. 295 und 978 ruft 

4 

Ferri den Perrin, d. i. Perrin d’Angicourt zum Richter; in 
R. 1838 treten sie zusammen als Schiedsrichter auf. Perrin 
von Angicourt weilte spätestens seit 1269 in Italien 5 ), dem¬ 
nach sind die betreffenden Partüren mindestens vor diesem 
Jahr entstanden, nach Steffens und Guesnons Ansicht gar im 
2. Viertel des Jahrhunderts (s. o. Audefroi Louchart). Sein Lied 
R. 1110 widmet er der „Dame d’Artois, contesse d’onorance“ 
mit der Bitte „qu'ades en leautey / Serves amors“. 8 ) Gemejnt 
ist Mathilde, Maheut von Brabant, Gemahlin des Grafen Robert I. 
von Artois, nach dessen frühem Heldentot auf dem Kreuzzug 
von Aegypten 1250 in zweiter Ehe vermählt mit dem Grafen 
Gui de Saint-Paul, die als eine „princesse courtoise“ galt 4 ) 
und von Haus aus Interesse für höfische Dichtung hatte, gerade 
wie ihr Bruder, der Herzog Heinrich III. von Brabant, und 
ihre jüngere Schwester Beatrix 6 j. Dame d’Artois war sie tat¬ 
sächlich nur bis Sept. 1265, wo König Ludwig die vormund¬ 
schaftliche Verwaltung der Grafschaft für ihren Sohn, seinen 

Neffen, in eigne Hand nahm. Erst recht konnte sie seit Juni 

% 

1267 nicht mehr so genannt werden, da ihr Sohn damals selbst 
zur Regierung gelangte und mit ihm seine Gemahlin Amipie 
de Courtenay, eine neue Dame d’Artois. 6 ) — R. 496 hat schon 
Fauchet 7 ) datiert auf Grund der darin erwähnten croisade de 
Pouille, d. i. die im Mai 1265 angetretene Heerfahrt Karls von 
Anjou gegen Manfred. Dieses jeu-parti ist bis in die Zeit 
der neueren Forschung der einzige feste Anhaltspunkt ge¬ 
blieben, der es ermöglichte, die Blütezeit der höfisch-bürger- 


l ) Guesnon, M.-A. 1900, S. 149 Anm. 1. 

*) Steffens, Perrin von Angicourt, S. 44 ff. 

*) Dinaux, 111, S. 344. 

4 ) Lenain de Tillemont, UI, S. 237. 

6 ) vgl. Steffens, Perrin v. Angicourt, S. 38 f. 

6) Lenain de Tillemont, IV, S. 383 f.; Guy, S. 131. 

7) Fauchet, Fol. 585 r<>. 


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liehen Lyrik in Arras genauer festzulegen. — R. 1514 ist durch 
die Person seiner Schiedsrichter besonders interessant Ferri 
sagt am Schluß des Spiels: 

„Edouart, chies des englois, 
ferri, vos amis courtois, 

vous requiert vo jugement 

• • 

et vous prie boinement 
que par vous soit soustenus 
ses drois, q’il n’en soit conclus.“ 

Sein Partner, Mesire Robert du Caisnoi, erwidert: 
„Quens d’angau, nequns bourjois 
[n’jafiert au conte de blois; 
n’afiert, a mon encient, 
canc’on voit ne qanc’on sent 
ä amour, c’est de ca jus 
li souvraine des vertus.“ 1 ) 

Die so bezeichneten Schiedsrichter sind Eduard, Sohn 
König Heinrichs III. von England, und sein jugendlicher Oheim 
Karl, Graf yon Anjou, Ludwigs des Heiligen jüngster Bruder. 
Ganz allgemein genommen kann man sich dem Zweifel nicht 
verschließen, ob solche envois an hochstehende Persönlichkeiten 
die tatsächliche Anwesenheit der Betreffenden bedingten, ob 
sie nicht vielmehr rein formelhaft verwendet wurden, nachdem 
dergleichen Huldigungen in den chansons nun einmal Mode 
geworden waren. Die Art indessen, wie Ferri seinen Gönner 
bittet, ihn zu verteidigen, macht geneigt, hier doch persönliche 
Gegenwart der Schiedsrichter anzunehmen. Die Realität von 
Eduards Beziehungen zu den Arraser Bürgern überhaupt läßt 
sich schlecht bezweifeln, nachdem man hörte, daß Eduard 
Gelddarlehen aufnahm bei einem ihrer Mächtigsten, Audefroi 
Louchart, der selbst auch zu dem Dichterkreis gehörte. 2 ) 

J ) Nach photographischer Aufnahme von Hs. a, Fol. 164 v°. 

2) Es bietet sich so selten Gelegenheit, diese Regungen*bürger- 
lichen Lebens auf welthistorischen Boden zu stellen, daß ich den Versuch 
nicht unterlassen möchte, zu bestimmen, wann wohl Karl von Anjou 
und der englische Thronfolger in Arras Zusammentreffen konnten. 


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Ob man berechtigt ist, Partüre R. 1354, in der Ferri zum 
Richter über Bretel und Jehan Simon berufen wird, vor 1248 
anzusetzen, ist noch zweifelhaft (s. o. Bretel). — Im Ganzen 
ergibt sich also: vor dem 3. Viertel des Jahrhunderts ist Lambert 
Ferri vorläufig nicht mit Sicherheit nachzuweisen. 


Ob Eduards erste große Festlandsreise, von der berichtet wird, 
Juni 1254—Nov. 1255, genauer sein Rückweg Herbst 1255, ihn überhaupt 
durch Nordfrankreich führte, ist fraglich; die Quellen sagen nichts davon. 
Die Reise galt zunächst seiner Vermählung am spanischen Hof, dann 
folgte ein etwa einjähriger Aufenthalt in der Gascogne, die dem jungen 
Prinzen schon 1249 von seinem Vater übertragen worden war. (Ramsay, 
S. 133, 147, 159.) — Karl von Anjou, der sich 1253 von Margarete von 
Flandern den Hennegau hatte übertragen lassen und damit in den grossen 
Erbstreit der Avesnes-Dampierre verwickelt wurde, weilte bis 1257 mit 
Sicherheit in Nordfrankreich. (Sternfeld, Kap. VI u. S. 127). 

Den ersten festeren Anhalt hat man für das Jahr 1259. Es wird 
erzählt, daß Eduard einmal im Lauf dieses Jahres den Kanal kreuzte, 
um die. französischen Turniere aufzusuchen. (Gervase of Canterbury, 
II, S. 209). — Der Graf von Anjou verbrachte bloß die ersten Monate 
dieses Jahres im Norden; seit Juni findet man ihn in der Provence, 
möglicherweise hatte er sich [schon im April dorthin aufgemacht. 
(Sternfeld, S. 150.) 

Von da ab ist Eduard sehr oft in Frankreich zu finden. Okt. 1260 
reist er über Lyon in die Gascogne, beeibt sich nach Erledigung von 
Vcrwaltungsangelegenheiten nach Nordfrankreich und zeichnet sich dort 
in allen Turnieren aus. (Ramsay, S. 191, Lit. Anm. 3—5; Gervase II, 
S. 211.) Februar oder März 1261 kehrt er nach England zurück. 
(Flores historiarum II, S. 466; Gervase II, S. 213; Ramsay, S. 198 Anm. 1; 
eb. S. 188 Anm. 8 u. S. 199 Anm. 8 gehören ebenfalls hierher.) — Ebenso 
weilt Karl im Winter 1260—1261 mit Sicherheit in Frankreich. (Stern- 
feld, S. 169-161.) 

Schon in der 2. Hälfte desselben Jahres 1261 ist Eduard wieder 
in der Gascogne zu finden, möglicherweise vom August ab, sicher zu 
Ende des Jahres. Auf der Rückreise hält er sich in Nordfrankreich auf. 
Anfang Februar trifft man ihn in Paris, im März ist er wieder in Eng¬ 
land. (Royal Letters, II, S. 177,197; Foedera, conventiones, litterae etc. 
ed. by Rymer-Sanderson-Clarke-Holbrooke. Vol. 1. London 1816. S. 412, 
414,416,417.) — Wie viele der Wintermonate 1261—1262 Karl im Norden 
verbrachte, ist fraglich. Gegen Anfang des Jahres kamen beunruhigende 
Nachrichten von einer Empörung in Marseille, die ihn schleunigst in 


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Von seinen Lebensumständen sind einige bekannt. Seinem 
berühmteren Dichterfreund Adan de le Haie muß er in beson- 
derem Maß nahe gestanden haben; nicht nur, daß er in den 
meisten von dessen Partüren als Schiedsrichter auftritt, auch 


die Provence abriefen; das Datum seiner Reise liegt nicht vor. (Stern¬ 
feld, S. 162 , 164.) 

Ende November des gleichen Jahres 1262 folgt Eduard seinen 

% 

Eltern nach Frankreich, die wegen wichtiger politischer Verhandlungen 
mit Ludwig dem Heiligen hinübergefahren waren. Während sein Vater 
schon im Dezember nach England zurückkehrt, verweilt er bis zweite 
Hälfte Februar 1268. (Gervase;ll, S. 216; Ramsay, S. 199, 201, Lit. A. 1.) 
— Um die Wende des Jahres 1262—3 kehrte höchst wahrscheinlich auch 
Karl von Anjou nach Nordfrankreich zurück, nachdem es ihm im No¬ 
vember glücklich gelungen war, das rebellische Marseille zu unterwerfen. 
Ueber die ersten Monate 1268 fehlt es an Nachrichten; erst im Mai 
trifft man ihn wieder in der Nähe von Paris. (Sternfeld, S. 172, 174.) 

Für Herbst 1263 wird uns ein Zusammentreffen zwischen Eduard 
uhd Karl von Anjou in den historischen Quellen ausdrücklich berichtet. 
Am 28. Sept. setzt Eduard mit seinen königlichen Angehörigen und einer 
Reihe englischer Barone zu dem parlamentum in Boulogne über, wo 
Ludwig IX. in dem fast hoffnungslos gewordenen Konflikt zwischen dem 
englischen König und seinen Baronen vermitteln soll. Mit Ludwig und 
seiner Gemahlin finden sich eine Menge französischer Großer dort ein, 
ah ihrer Spitze Karl von Anjou. Die Verhandlungen haben keinen 
Erfolg, und gegen den 7. Okt. fahren die Engländer bereits wieder 
heimwärts. (Ramsay, S. 206.) — Nur wenige Wochen später führt der 
gleiche Konflikt die Parteien aufs neue vor Ludwig, dessen Entscheidung 
sie sich diesmal im Voraus unterwerfen. Eduard setzt am 24. Dez. 
über den Kanal. (Gervase II, S. 282.) Am 28. Januar 1264 erläßt Ludwig 
in Amiens seinen Schiedsspruch so einseitig zugunsten des Königtums, 
daß er im englischen Adel und Volk heftigsten Unwillen hervorruft, 
der in der Folgezeit zum offenen Kampf führt. Uebrigens wird berichtet, 
daß Karl von Anjous Sympathien in diesem Konflikt zwischen Monarchie 
und Adel nicht auf des Königs sondern auf Leicesters Seite standen. 
(Flores hist. II, S.602.) König Heinrich bleibt danach bis zum 16. Febr. 
in Frankreich, Eduard etwa ebenso lange. (Ramsay, S. 210—218; Flores 
hist. 11., S. 486 f.) — Man ist berechtigt anzunehmen, daß Karl von Anjou 
um diese Zeit in ihrer Nähe weilte. Die neue Verschwörung in Mar¬ 
seille, die gegen Anfang 1264 entdeckt wurde, so nah sie ihm ging, 
machte offenbar nicht seine persönliche Anwesenheit im Süden not¬ 
wendig. (Sternfeld, S. 190 ff.) 


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der unglückliche Baude Fastoul verbindet die beiden in seinem 
Abschiedsgruß. 1 ) 

Die Annahme, daß er, gleichwie Adan, Kleriker war, wird 
schon nahegelegt durch seine beiden von ihm serventois ge¬ 
nannten Marienlieder R. 198 und 2053; er widmet sie zwei 
Geistlichen, dem Bischof von Autun, der ihn erzogen hat, und 
dem Dechanten der Pfarrei Ste-Croix in Arras, die der Abtei 
Saint-Vaast unterstand. Die urkundliche Bestätigung dieser 
Vermutung erbrachte Guesnon (s. u.). 

Allem Anschein nach war er mit Glücksgütern reicher 
gesegnet, als Adan es in seinen jüngeren Jahren wenigstens 
war. ln dem vor Oktober 1268 entstandenen jeu-parti R. 375 


Für England bringt die folgende Zeit die blutigsten Kämpfe und 
die Niederlage der königlichen Partei, für Eduard selbst Gefangenschaft 
von Mai 1264 bis Mai 1265. (Ramsay, S. 212 ff.) Inzwischen steigerte 
Karl seine Vorbereitungen und Rüstungen zur Heerfahrt nach Italien, 
die er dann am 14. Mai 1265 von Marseille aus antritt. (Sternfeld, S. 245.) 

Die historischen Quellen lassen demnach ein Zusammensein Eduards 
und Karls in Nordfrankreich im Winter 1260—1 und zu Anfang 1264 
mit größter Wahrscheinlichkeit erschließen, von Herbst 1263 berichten 
sie es sogar ausdrücklich. Daneben bleibt eine mehr oder minder große 
Möglichkeit offen (für die ersten Monate 1259?), für die Wintermonate 
1261—2 und 1262—3. Zwischen 1259 oder 1260 und Anfang 1264 also 
wäre historische Wahrscheinlichkeit für die Entstehung unserer Partüre 
R. 1514 in reichem Maß vorhanden. Auf eine frühere Zeit, etwa bis 
in die Mitte der 50er Jahre zurück, verweist außerdem eine interessante 
Notiz bei dem Fortsetzer des Gervase of Canterbury. (Gervase of 
Canterbury II, S. 221.) Er berichtet von einem jungen englischen Edel¬ 
mann, Roger of Leyburne: „fuerat enim cum dom. Edwardo filio regis, 
ante tempore parlamenti Oxoniensis (d. i. Juni 1258), contra voluntatem 
baronum, ipsiusque Edwardi denarios ubique expenderat, ipsum ad 
torneamenta in Francia et alibi adduxerat.“ Es ist in der Tat die an¬ 
sprechendste Vermutung, daß der für Ritterkünste begeisterte, glänzende 
junge Prinz auf einer solchen Ausfahrt, begleitet von seinen Waffen¬ 
genossen, in Wahrheit „chies des englois“, in der mächtigen, blühenden 
Stadt Arras geweilt hätte und, an der Ausübung höfischer Dicht- und 
Sangeskunst dort lebhaften Anteil nehmend, sich vielleicht sogar von 
Ferri, seinem amis courtois, und andern darin unterweisen ließ. 

*) Barbazan-M6on I, S. 128, v. 493 ff. 


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(s. o.) wird er als „maires de Saint Ltenart“ angeredet, er war 
also erblicher Vorsteher oder Pächter dieser bei Boulogne-s.- 
Mer gelegenen Besitzung, die den Benediktinern gehörte. 1 ) 
Später, 1282 , findet Guesnon 3 ) ihn als canonicus diaconus bei 
der Eidleistung des neuen Bischofs von Arras wieder, neben 
seinem Konfrater und Sangesgenossen Philippe Verdiere, der 
in 3 jeux-partis neben Lambert auftritt (R. 1674, 1354, 49») 
und der höchstwahrscheinlich mit dem Genossen des R. d. I. P. 
in Stück I von Jeanroy-Guys „Chansons et Dits Artösiens“ gleich¬ 
zusetzen ist (s. u.). Guy 8 ) findet einen Lambert Ferri im arte- 

i 

sischen Nekrolog verzeichnet, Fol. 34 v°, d. i, nach andern 
Angaben bei Guy und E. Langlois (Jeu de la Feuillee) zu 
schließen, im Jahr 1301 (1302?). Wenn dies wirklich das 
Todesjahr unseres Dichters und nicht das eines späteren 
Namensvetters ist, wie ich lieber glauben möchte, dann hätte 
der Sangesgenosse des R. d. 1. P. ein beträchtliches Alter er¬ 
reicht. 


Es bleiben noch zwei Adressatinnen aus R. d. 1. P.s Ge¬ 
dichten. Sein Lied VI entsendet er mit den Worten: A le 
bisete Oedain sage et jolie / T’en va, chancon!..“ Diese 
Oede ist zweifellos gleichbedeutend mit der Demisele Oede, 
die in 5 jeux-partis, nach einigen Hss. wenigstens, zur Schieds¬ 
richterin ernannt wird. So oft sie in den Partüren auftritt, 
geschieht es in Gesellschaft von Jehan Bretel. Genauer zu 
datieren sind vielleicht die 4 jeux-partis R. 668, 947 + 916, 
1351, 1637, in denen sie mit Grieviler zusammen steht (s. u. 
R. de Castel). Von diesen ist R. 668 wegen des »roi u Na- 
varre apent" vor 1253 anzusetzen (s. o. Bretel). — Gewiß hat 
man eine Arraser Bürgerin in ihr zu erblicken. Die Möglich¬ 
keit scheint mir nicht ausgeschlossen, daß in dem „le bisete 


*) s. Passy, S. 338 ff.; Pirenne-Amheim, S. 325—330. 

2) Guesnon, M.-A. 1899, S. 250. 

3) Guy, S. XXXlll. 


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Oedain" das bisete Familienname wäre. Ein Jehan Biset ist 
in dem Arraser Zinsverzeichnis aus dem Jahre 1382 genannt 1 ) 


In der „damoisele de grant pris, Tasse“, der .Tassain 
Wagoune“, Adressatin von Roberts Liedern VII und VIII, 
findet Guesnon die Witwe des Bankiers Andre Wagon wieder, 
die unter dem Namen Honestacia, Anestaise, Onestasse in 
Urkunden begegnet. Die Wagon gehören zu den bedeutendsten 
Geldleuten von Arras. 1245 wird Tasse Wagone von der 
Stadt Douai zur Zurückerstattung der Wucher-Erpressungen 
ihres verstorbenen Gatten herangezogen. Der artesische Ne¬ 
krolog verzeichnet ihren Tod Ende 1255.*) Aus diesen Daten 
ergibt sich, daß der Andrius Wagons, den Satire XXII 8 ) neben 
Jehan Bretel und den Crespins als Betrüger und Heuchler 
brandmarkt und ebenso die Gattin des Andriu Wagon, die 
in Stück XV 4 ) wegen überragender Dummheit als „niece saint 
Oison“ und Genossin von sainte Auweline verspottet wird, 
einer späteren Generation angehören. 6 ) Nichts hat unsere Tasse 
mit den verschiedenen Damen Tasse li Anstiere zu tun, die 
aus Urkunden 6 ) und aus der letzten Satire über die Steuer¬ 
affäre 7 ) bekannt sind, denn zu der Zeit dieser verschiedenen 
Belege hatte sie längst als Tasse Wagone das Zeitliche ge¬ 
segnet 8 ) Ebenso beruht es auf einem Mißverständnis, wenn 
Jeanroy 9 ) die Tenorbezeichnung in den Motetten von Mont¬ 
pellier (Raynaud et Lavoix, Recueil de Motets fran<?. I, No. 226, 
241, 248) „Chose Tassin“ als Erinnerung an Tassain Wagone 

*) Rentes en 1882, S. 301. 

2) Guesnon, M.-A. 1900, S. 125 u. Anm. 5. 

3) Jeanroy-Guy, XXII, v. 113—124. 

4 ) a. a. O., XV, v. 86-92. 

5 ) vgl. Guesnon, M.-A. 1900, S. 7 u. 125 1. 

6 ) Jeanroy-Guy, S. 108 f. 

7) eb. XXIV, v. 167. 

8 ) zu Passy, S. 500 Anm. 18; Jeanroy, £tudes romanes dediees a 
G. Paris, S. 85 Anm. 1. 

3) Jeanroy, a. a. O. 


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auflaßt Zu dieser Verwechslung könnte einen vielleicht Roberts 
Lied VIII verleiten. Vor dem envoi „Tassain Wagoune ai 
prouvee / A sage entendant“ redet Robert seine Dame in Str. 5 
an: „Bele, qi aprls / m’aves a chanter doublee / et en moi 
toudis / bone amour fine esmesree * (nach der einzigen Hs. a.). 
Robert behauptet danach also, seine musikalische Kunstfertig¬ 
keit seiner Herrin zu verdanken. Wenn man nun wie Passy 1 ) 
glaubt, daß die Adressatinnen in Roberts Liedern, Oede oder 
Tasse, der wirkliche Gegenstand seiner Flamme waren, so 
wird mah dem Text von Lied VIII zufolge geneigt sein, Tasse 
Wagoune für die Muse zu halten, die ihm Unterweisung und 

• * c 

Anregung zu komponieren gab, und könnte die Bestätigung 
dafür sehen in dem „Chose Tassin“ der Motetten-Sammlung 
von Montpellier. Letzteres umso leichter, als das „chanter 
doublee“ in der oben zitierten Textstelle mit dem bei Gode- 

• i 

froyll, 75 c verzeichnten „doubler* = „die Oberstimme singen“*) 
zusammenzuhängen scheint und damit leicht an die Motetten- 
Komposition denken läßt, eine der im 13. Jht. beliebtesten Arten 
der mehrstimmigen Komposition, die darin besteht, daß sich 
Uber der musikalischen Basis, dem Tenor, eine oder mehrere 
Oberstimmen mit eigenen Texten erheben. 8 ) Ich möchte in¬ 
dessen glauben, daß die einzige Hs. die Stelle fehlerhaft über¬ 
liefert hat, und daß zu lesen ist: „Bele, qi apris / M’aves a 
chanter, doublee / Est en moi toudis / Bone amour fine es* 
meree.“ Außerdem halte ich es an sich schon für unrichtig, 
der Dame, Tasse eine so ganz persönliche Stellung zu Robert 
einzuräumen. Seine envois an Tasse stehen genau auf der 
gleichen Stufe wie die seiner anderen Lieder. Abgesehn davon, 
daß er ihr in Lied VII eine Bitte an seine Herrin aufträgt, zeigt 
namenUich die Wendung in VIII „Tassain Wagoune ai prou- 

*) Passy S. 818 f. 

*) God. übersetzt ungenau mit „chanter ä double partie;" ebenso 
gibt er „d’ouble, s. m." (= die Oberstimme) mit „diant ä double par¬ 
tie" wieder; so auch „doublee, s. f.," indem er sich nur auf unsere 
Textstelle stützt. 

*) P. Aubry „Trouvferes et Troubadours," Paris 1909, S. 18 ff. 

4 


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vee / A sage entendant“, daß man in ihr nichts weiter zu 
sehen hat als eine erprobte Beurteilerin der poetisch-musikalischen 
Spielereien des Puy. Jene „Bele qi apris m’aves a chanter“ 
existierte sicher nur in der Phantasie des Dichters, die ganze 
Stelle ist meiner Ansicht nach als höfische Huldigung an diese 
fingierte Dame aufzufassen. — Die Bezeichnung „Chose Tassin* 
in den genannten Motetten findet eine andere, befriedigende 
Erklärung durch P. Aubry. 1 ) Er verweist zu ihrer Deutung 
auf eine Stelle in der Musiklehre des magister Johannes de 
Grocheo, die um die Wende des 18. Jhts. in Paris entstanden 
ist. Johannes de Grocheo spricht von der Gattung der estampie 
und von der besonderen Ausgestaltung dieses schwierigen 
Tonstückes durch einen nicht näher bezeichneten Tassynus, in 
dem man einen jongleur vermuten muß. Er nenfit die „diffi- 
ciles res Tassyni,“ die „schwierigen Stücke des Tassynus,“ als 
Beispiele für die erweiterte estampie. Aubry hat denn auch 
gezeigt, daß die mit „Chose Tassin“ bezeichneten Motetten- 

Tenore ganz wie die puncta einer estampie auf gebaut sind. 

# 

Es besteht also kein Zweifel mehr, daß hier der Name irgend 
eines Künstlers auf der viele, eines jongleurs, verewigt ist. 

Zu welcher Zeit Tasse Wagoune die Widmungen Roberts 
entgegengenommen hat, läßt sich genauer nicht bestimmen. 
Durch die Form der Anrede in VII „Damoisele de grant pris 
Tasse“ darf man sich nicht täuschen lassen, als ob das -be¬ 
treffende Lied aus der Zeit stammen müsse, da Tasse noch 
unverheiratet war. Die Bezeichnung „damoiselle“ wird damals 
in doppelter Bedeutung verwendet: einmal für die unverheiratete 
Frau, statt des sonst üblichen „pucele“ 2 ), dann aber auch für 
die verheiratete Frau, solange sie noch jung ist Letztere Ein¬ 
schränkung macht wenigstens Schultz 8 ) bei Damen adligen 
Standes; trifft sie ganz allgemein und auch bei Bürgerlichen zu? 

*) P. Aubry, „Recherches sur les „Tenors“ fran$. dans Ies motets 
du 19« sifecle,“ Paris 1907, S. 82 ff. 

*) vgl. R. 769= 1281, Zarifopol „Richard de Foumival“, Hall. Diss. 
1904, S. 19 ff. ... 

3) Schultz, D. Höf. Leben z. Zeit d. Minnesinger, P, 1889, S. 210. 


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Aus diesem Zusammenhang ergibt sich also wieder die 
Wahrscheinlichkeit, daß R. d. L P. schon in der l. Hälfte des 
Jahrhunderts dichtete und sang; wie weit aber seine literarische 
Tätigkeit zurückreichte, ist hiernach ebensowenig festzustellen 
wie bei den übrigen Personen seiner. Lieder und Partüren. 


In diesem Sinne ist die zweite Quelle, die von & d. 1. P. 
berichtet, auch nicht ergiebiger. , Es ist die oft veröffentlichte 
und besprochene vadurie „Arras est escole de tous biens en- 
tendre“ 1 ), eins der originellsten unter den scherzhaften, 
moralisierenden, satirischen »Chansons et Dits ArtOsiens,“ deren 
Reihe es in Hs. T (Bibi. Nat fr. 12615) eröffnet Der Verfasser 
beginnt mit dem Lobe der Stadt Arras. So groß ißt ihre 
Berühmtheit, neulich öffnete sich gar der Himmel, unser Herr¬ 
gott wollte die motets (d. s. die Gesangstücke, die damals in 
aller Leute Mund waren) von Arras erlernen. Gott wurde 
krank; zu seiner Erholung und Zerstreuung kehrte er in das 
Haus des „Prince“ ein und ließ unterhaltsame Gesellen holen, 
die ihn unterweisen sollten. Der älteste Pouchin beschäm^ 
selbst unsern Herrgott durch sein glänzendes Wissen in Astro- 

. . i , , 

nomie. Darauf (v. 16 ff.): 

„Diex a fait mander Robert de le Piere, 

Gar dou yieil Fromont seut il la maniere; 

S'i vint Ghilebers, Phelipös Verdiere, 

• • 

Et s’i est venus Rousßiaus li tailliere; 

Ghilebers canta de se dame eiere: 

• Diex dist k’il sivra tous tans leur baniere.* 

Den größten Anklang findet jedoch die Unterhaltungsgabe 
des Bretel. Seine schauderhaft derben Scherze bringen Gott 
dermaßen zum Lachen, daß er auf der Steüe gesund wird. 
Aber jdabei bleibt es nicht: als nämlich zwei andere Bürger 
hinzukämmen, Garet und Baude Bechon, zwei Erzschurken und 


*) Jeanroy-Guy, S. 83 f.; dazu s. letzte Besprechungen von Guy, 
S. LV, u. Guesnon, M.-A. 1899, S. 249 ff. 



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Betrüger, da entsetzt sich Gott so sehr Uber ihre Schlechtig¬ 
keit, daß er einen schlimmen Rückfall bekommt. Nun wird der 
berühmte maistre Wike geholt. Wir hören, daß er ganz hervor- 

ragende anatomische Kenntnisse besitzt, jedoch nur einem 

% 

leckeren Braten gegenüber. Nach weiteren Lobeserhebungen 
dieser Art bricht das Lied unvermittelt ab. 

Das Ganze gibt einen hübschen kleinen Auschnitt aus 

dem geselligen Leben, das damals in Arras herrschte. Es zeigt, 

% 

wie man dort Sanges- und Dichtkunst pflegte und hoch ehrte, 
daß man ; auch für wissenschaftliche Dinge Interesse zeigte, 
gern einen derben Scherz ausführte und belachte und für die 
Schwächen und Eigenheiten seiner lieben Mitbürger ein offenes 
Auge und harmlosen Spott bereit hatte, daß es dazwischen 
aber auch nicht an unliebsamen Störungen des bürgerlichen 
Friedens fehlte. Grade das letztere Thema leitet zu den heftigen - 
politischen Satiren über, die in der Handschrift folgen. 

0 

ln diesem Kreis tritt R. d. 1. P. gefolgt von mehreren Sanges¬ 
genossen auf. Bekannte Namen finden sich darunter, ln Gille- 

0 

bert, der von seiner „dame eiere“ singt, darf man^zweifellos 
mit Dinaux 1 ) Gillebert de Bemeville wiedererkennen. Er hat 
in den Archiven nach Guesnons Aussage *) leider keine Spuren 
hinterlassen. P. Paris*) will ihn öfters in flandrischen Chroniken 
als Ratgeber des Herzogs von Brabant zitiert gefunden 

0 ® 

haben. Die betreffenden Stellen sind fnir nicht bekannt Seine 
Wir£pngszeit läßt sich aus seihen Liedern und Partüren nur 
ungefähr ermitteln. Wenn G. Paris 4 ) ihn „fin du 13* sifecle“ 

ansetzen will, so ist das entschieden zu spät Was man von 

% 

seinen Werken datieren kann, weist ins 8. Viertel des Jhts., 
wenn nicht noch weiter zurück. So ist sein Lied R. 188 
(Waitz XIX), das dem Grafen von Anjou gewidmet ist, zwischen 
1246 und 1265/6 entstanden: 1246 empfing Kart seine Erb- 


*j Dinaux, in, s. äOß. * - 
*) Guesnon, M.-A. 1899, S. 250. 
8) Hist. litt. 23, S. 579. 

«) G. Paris, 8. 206. 


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58 


länder Anjou und Maine aus Ludwigs Hand 1 ); seit 1265/6 
war er nicht mehr bloß Graf, sondern König von,Sizilien *), ein 
Titel, dem ein Dichter später gewiß den Vorzug gegeben hätte. 
— ln Partüre R. 491, wo der Cuens d'Anjou sein erwählter 
Richter ist, hat er den Duc de Brabant zum Partner, d. i. 
Heinrich 111., der den Herzogstitel von 1248 an bis zu seinem 
frühen Tode 1261 führte. Dessen Schwester Beatris, seit 1251 
Witwe des Wilhelm von Dampierre, ist die Herrin, die er in 
einer Reihe von Liedern besingt 8 ); in R. 414, 1028, 1560 
(Waitz XX, I, 111) nennt er sie mit Namen. In einem davon, 
R. 1560, grüßt er neben ihr den „Erart qui Valeri crie“, d. i. 
Erart de Valöry 4 ), einer der tapferen Ritter und Kampfgenossen 
des Karl von Anjou, gest. 1277. — Seine Partüre mit Thomas 
Erier, R. 1191 (Waitz XXXI), die aus der Glanzzeit des Audefroi 
Louchart stammt 6 ), gehört ebenfalls einem der mittleren Jahr¬ 
zehnte an. — Um die Mitte des Jahrhunderts lebte und dichtete 
auch Colart le Bouteillier, den Gillebert sein Lied R. 417 (Waitz 
XIV) zu singen bittet (s. S.89). . 


Unmittelbar neben Gillebert steht Phelipos Verdiere. 
Die Berühmtheit, deren er sich offenbar erfreute, läßt sich aus 
seiner literarischen Hinterlassenschaft nicht mehr gut recht- 
fertigen. Von Werken unter seinem Namen ist nichts über¬ 
liefert als ein jeu-parti mit Lambert Ferri, R. 1674. In zwei 
andern Partüren, R. 496 und 1354, tritt er als Richter neben 
Fern auf. Von Colart le Boutillier wird ihm ein Lied, R. 1876, 
gesandt, damit er es singe. Passy 6 ) will ihm den langweiligen 


•) s. o. s. 28 t. 

2) Sternfeld, S. 242. Die Königskrönung fand in Rom am 6. Jan. 
1266 statt. 

*) Steffens, Perrin v. Angicourt, S. 33 f. Vgl. o. S. 24 u. 42. 

4 ) s. P. Paris, Le Romancöro frang., S. 121; Lenain de Tillemont, 
IV, S. 13; Gröber, S. 9Ö0. 

*) s. v. 7-8. 

") Passy, S. 326. 


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»DH des Marcheans* 1 ) zuschreiben. Seine Gründe erweisen 
sich alle als nicht stichhaltig. Der Verfasser des »Dit* war 
ein amter menestrel, der von seiner Kunst leben mußte, und 
gehörte wohl nicht dem Artois, sondern einer südlicheren 
Provinz an. — Man kann nicht bezweifeln, daß unser Phelipot 
Verdiere gleichbedeutend ist mit Ferris Konfrater, dem cano- 
nicus diaconus gleichen Namens aus dem Jahre 1282 , der 
schon um 1270 im Genuß einer Pfründe stand.*) Er wird 
auch gemeint sein mit dem Phelipot, den Baude Fastoul im 
Jahre 1272 in seinem Congö neben segnieur Jehan Verdiere 
grüßt.’) Demnach entstammte er einer begüterten Arraser 
Familie. Seine literarische Wirkungszeit ist nicht genauer 
bestimmbar. In der Partüre der croisade de Pouille 1265 
(R. 496) wird er zum Schiedsrichter ernannt, desgleichen in 
dem jeu-parti des fragüchen Jehan Simon (R. 1854, s. S. 26). Ob 
seine Beziehungen zu Boutillier (s. S. 88 f.) weiter zurüddiegen, 
laßt sich nicht sagen. 

Die Namen der übrigen Persönlichkeiten, die in unserer 
vadurie auftreten, hat Guesnon fast ausnahmslos in Arraser 
Urkunden aus dem 8. Viertel des Jhts. wiedergefunden. Robert 
steht also im gleichen chronologischen Verhältnis zu ihnen 
wie zu den meisten seiner literarischen Freunde aus den Lie¬ 
dern und Partüren. 


Wie man gesehen hat, begegnet die Mehrzahl von Roberts 
Zeitgenossen in der vadurie wie in den chansons und jeux- 
partis vorwiegend im 8. Viertel des Jhts., doch widersetzt sidi 
nichts der Annahme, daß ihre Wirkungszeit über die Mitte des 
Jahrhunderts zurückreichte. Demnach könnte der 1258 ver¬ 
storbene Bürger Robert de le Piere, wenn er auch früher aus 
dem Leben schied als die meisten von ihnen, dennoch wohl 

*) Ausg. Crapelet, „Proverbes et dictons populaires", Paris 1881, 
S. 169. 

*) Guesnon, M.-A. 1899, S. 250. 

”) Barbazan-Mion I, S. 116, v. 188 ff. 


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in ihrer Mitte gelebt haben. Diese Vermutung wird durch 
eine Urkunde bestätigt. Man erinnert sich, daß in der vadurie 
ein Garet auftrat, über dessen mauvaiste Gott sich so entsetzte. 
Es ist der gleiche, der in Satire XXIV*) der Steuerentziehung 
beschuldigt wird und in Stück II 9 ) der Schurkerei in seinem 
Schöffenamt Unter dem Spitznamen Garet verbirgt sich, wie 
Guesnon zeigt 8 ), ?in hochstehender Arraser Bürger, Jacques 
Louchart, und diesen findet Guesnon 4 ) wieder in der Schöffen¬ 
liste des Jahres 1255 als Kollegen des Robert de le Piere. 
Danach besteht kein Zweifel mehr, daß der Sänger und der 
Schöffe R. d. 1. P. nur eine Person sind. 


Zwei dürftige Daten über Lebenszeit und bürgerliche 
Stellung des Sängers R. d. 1. P. — sein Schöffenamt 1255 und 
sein Tod Anfang des Jahres 1258 — sind somit gesichert. 
Es läßt sich ihnen nur wenig Biographisches zufügen. Mit 
Robert ist die Familie de le Piere nicht zum ersten Mal auf 
dem Arraser Schöffenstuhl vertreten. Ein Tiebaut de le Piere 
begegnet dort im Jahre 1212 6 ). Die Wahl der Schöffen be¬ 
schränkte sich damals schon längst auf den Kreis der Patrizier 
allein. 6 ) Unser Sänger gehörte also zweifellos einem der alt¬ 
angesessenen Geschlechter von Arras an. Man ist darum wohl 
auch berechtigt, in der Aeußerung des Mahieu de Gant, Par- 
türe XI, eine Anspielung auf Roberts günstige Vermögenslage 
zu sehn. Robert vertritt dort die Ansicht, daß es besser sei, 
platonisch zu lieben in gesichertem Reichtum als seine amie 
zu besitzen und auf Geld und Gut Verzicht zu leisten, worauf 
Mahieu ihm entgegnet: „Avoirs vos a si sougi / Ke jamais 
bien n’ameres“. Aus jeu-parti XII mit Lambert Ferri erfahren 

• # 

*) Jeanroy-Guy, XXIV, v. 192. 
a. a. O., II, v. 27. 

3) Guesnon, M.-A. 1899, S. 262. 

4 ) Guesnon, M.-A. 1899, S. 260. 

®) Guesnon, M.-A. 1900, S. 166, Anm. 8. 

«) Pirenne-Amheim, S. 818 tt. 


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wir, daß R. d. 1. P. verheiratet war und nach seiner Heirat das 
Singen ließ. Aber wenn Robert auch sagt, das er seiner jetzigen 
Gattin vorher in Liedern gedient habe (v. 18—14), so ist es 
fraglich, ob man das wörtlich nehmen darf; jedenfalls wird man 
schwerlich ihren Namen in seinen Liedern wiederfinden. Ebenso¬ 
wenig wie von Tassain Wagone darf man, meiner Ansicht 
nach, von der bisete Oedain, der er Lied VI widmet, glauben, 
daß sie die Geliebte sei, auf deren Wunsch er zu singen vor¬ 
gibt Auch in Lied IV z. B. behauptet er, auf die Bitte seiner 
Herrin hin zu singen. Das hindert ihn durchaus nicht, es 
zum Schluß einem kunstverständigen Genossen, hier Copin, 
zu widmen, von dem er so ein günstiges Urteil im Puy er¬ 
langen möchte. Warum sollte die Dame Oede, deren Interesse 
an höfischer Kunst durch die jeux-partis bezeugt wird, dem 
Dichter mehr bedeuten? Es wird überhaupt schwer, an ein 
wirkliches Gefühl zu glauben, das unter diesen erstarrten Formen 
eines überlebten Frauenkults, wie die Chansons ihn zeigen, 
verborgen sein sollte. Wohl ist es R. d. 1. P. hie und da ge¬ 
glückt, das bei den weitaus meisten seiner Sangesgenossen 
vollkommen hohl dastehende Schema des höfischen Dienstes 
seiner Person anzupassen. Einzelne seiner Lieder zeigen einen 
anmutigen Fluß der Gedanken, eine frische Natürlichkeit des 
Ausdrucks, die unmittelbar dem Gefühl entsprungen sein könnte, 
— aber nicht sein muß. Der Eindruck der Frische, den diese 
Lieder machen, wird sicher zum TeU ihrer glücklichen Technik 
zu verdanken sein: der Verwendung von Kurzversen und dem 
besonders reichlichen Gebrauch von Refrains, was ihnen einen 
gut sangbaren und volkstümlichen Anstrich gibt Wie weit die 
besondere musikalische Begabung des Dichters, die ihm unter 
seinen Zeitgenossen einen Namen machte, hier mitgewirkt 
hat, kann ich nicht beurteilen; zweifellos ist sie in Betracht 
zu ziehen. — Von dieser musikalischen Begabung des R. d. 1. P., 
die vielleicht größer war als seine eigentlich dichterische, 
wissen wir leider nur weniges. Die vadurie hebt rühmend 
hervor, daß er die „maniere“, die Kompositions- und Vortrags¬ 
methode des alten Fromont beherrschte, und Lambert Fern 


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— 57 — 

9 

• »i# 

äußert in jeu-parti XII sein Befremden darüber „K’aves perdu 
le maniere / De vous et de vostre chant“. Ob diese Methode 
noch andere musikalische Gattungen als die chanson umfaßte, 
muß man unbestimmt lassen. Die Texte geben keine sichere 
Gewähr dafür, daß Robert auch motets komponierte, weder 
die Stelle in Lied VIII „Bele qi apris usw.“, die fehlerhaft 
überliefert ist (s. S. 49), noch der Zusammenhang der vadurie. Es 
heißt dort zwar in der ersten Strophe: „Dex voloit d’Arras 
les motes aprendre* 1 ), aber nicht f damit sondern mit dem 
Zwischenfall, daß Gott krank wurde und sich auf alle Weise 
zerstreuen lassen will, steht Roberts Auftreten in engstem 
Zusammenhänge.*) Andererseits drängt sich die Vermutung 

0 • 

einer vielseitigen Kunstbetätigung bei einem außergewöhnlich 
musikbegabten Menschen von selbst auf. Auch der Name des 
alten Fromont gibt hierüber keinen weiteren Aufschluß. Guesnon *) 
kennt einen Fromont, der ehemals Kaplan des Bischofs Raoul 
(1208—1221) war. Dürfte man in ihm den Lehrmeister Roberts 
sehn, so läge darin ein interessantes Zeugnis für den Anteil 
der Geistlichkeit an der Entwicklung der weltlichen Musik. 
Die Gleichbedeutung der beiden Fromont ist aber bloß Ver¬ 
mutung. — Man muß sich also zunächst mit dem begnügen, 
was Roberts Lieder allein Uber seine Kunst verraten, und da 
gewinnt man den Eindruck eines wirklichen Talents, das stark 
genug ist, sich eine künstliche Modeform bis zur Natürlichkeit 
anzuetgnen und ihr einen neuen persönlichen Reiz zu geben. 

] ) Dieser Zusammenhang zeigt übrigens, daß das motet in Arras 
schon um die Mitte des Jhts. in hoher Blüte stand, daß es also zeitlich 
weiter zurückreidit als Jeanroy „Örigines de la poäsie lyrique en Fr.*, 
S. 118, und Gröber, §285 es ansetzen. 

*) vgl. PaSsy, S. 824 f. 

3) Guesnon, M.-A. 1899, S. 2Ö0. 


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56 


Weit weniger eigenartig sind dagegen die literarischen 
Erzeugnisse, die uns unter den beiden Namen Robert de Castel 
und Robert le Clerc überkommen sind. Dieser Mangel an 
Eigenart erschwert mehr als alles andere die Lösung der Frage, 
ob wir unter den beiden Namen zwei getrennte Persönlichkeiten 
oder ein und dieselbe Person zu sehen haben. Die Frage 
selbst wird hervorgerufen durch eine Notiz in der Vatikan- 
Liederhandschrift a, Fol. 62 r°, wo der Kopist Lied R. 1277 
(III) überschreibt „Robert de castel clers“, nachdem er 2 andere 
Lieder (R. 913 und 48 = II und I) einfach „Robers (Robert) 
de castel“ überschrieben hatte. 1 ) Diese Schreibernotiz veraniaßte 
verschiedene Forscher, den Liederdichter „Robert de castel cler$“ 
für gleichbedeutend zu halten mit dem „Robert le clerc“, der 
als Verfasser einer langen Büßpredigt, der „Vers de le mort“ 2 ) 
überliefert ist, ferner in jeu-parti R. 155 als Richter auftritt und 
in einer Arraser Satire verspottet wird. Als erster tut dies 
Passy. 8 0. Paris 4 ) läßt vorsichtig die Frage der Gleichsetzung 
offen, Passys Ansicht wird von Fiset 6 ) ohne Nachprüfung über¬ 
nommen; ihr schließt sich auch Rud. Berger an, der den Ver¬ 
fasser der Vers de le Mort stets „Robert dou Castel“ nennt. 8 ) 
Suchier vertritt noch die gleiche Ansicht in der l. Auflage 
seiner Literaturgeschichte, wo er sagt: „Mancher, der nicht 
eigentlich zu den Schriftstellern gehörte, hat sich doch wenigstens 
in der Tenzone versucht .... Auch Robert le Clerc oder 
du Chastel, dem wir auch ein langes Gedicht über den Tod 
verdanken, gehört dieser Gruppe der Arraser Lyrik an.“ 7 j 
ln der 2. Auflage verzichtet er auf eine solche Gleichsetzung: 


*) Nach Gröber, S. 888, führt R. de Castel im Register derselben 
Hs. den Beinamen „clerc“; ich kann das nicht nachprüfen. Vgl. Keller, 
S. 272, die Ueberschrift über Lied II „Robers de kastei clers.“ 

^ Ausg. Windahl. 

*) Passy, S. 474. 

4 ) Rom. 20, 1891, S. 189. 

6 ) Fiset, S. 508, 518. 

®) Rud. Berger, S. 44, 45 u. o. 

7) Sudiier-Birdi-Hirsdifeld, 1900, S. 189. 


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„Ebenso gehört Robert le Clerc, dem wir auch ein langes 
Gedicht Uber den Tod verdanken, dieser Gruppe der Arraser 
Lyrik an." l ) Vorsichtiger wäre es, die Stelle hier ganz zu 
streichen, denn wir haben keine Gewähr dafür, daß Robert le 
Clerc sich selbst in der Tenzone versucht hat (s. u). — Aus¬ 
drücklich will Gröber 1 ) den „clerc Robert von Arras,“ Verfasser 
der Vers de le Mort und vielleicht auch einer Loenge Notre 
Dame, 1 ) Von dem „clerc Robert du Castel von Arras," dem 
Lyriker, unterschieden wissen; wie es scheint, aus eben dem 
Grunde, daß letzterer nur in der vatikanischen Handschrift 
„clerc“ genannt wird. 


Doch bevor man auf diese Frage eingeht, wäre zu prüfen, 
ob wenigstens der Name Robert le clerc, so oft er um 
jene Zeit in Arras begegnet, stets den Verfasser der Vers de 
le mort bezeichnet, der sich in Str. 76 selbst so nennt. 4 ) In 
der Literatur tritt er uns außerdem noch zweimal entgegen: 
als Schiedsrichter in Partüre R. 155 6 ) und in der Lokalsatire 
XVII, 6 ) wo er seinen Spott abbekommt Dazu kommt, daß 
ein Robert le Clerc in dem artesischen Totenregister, Hs. Bibi. 

*) a. a. O., »1918, S. 195. 

*) Gröber, S. 888 und 952. 

3) Es ist die von H. Andresen unter dem Titel „Ein altfranzösisdies 
Marienlob" Halle 1891 herausgegebene Dichtung, die, anonym überliefert, 
in nur einer Hs. steht, Bibi. Nat. fr. 375, worin sie unmittelbar auf die 
Vers de le mort des Robert le clerc folgt. Tobler, Archiv 87, S. 828 
ff., ist wegen weitgehender Uebereinstimmung der Ausdrucksweise in 
den beiden Werken geneigt, das Marienlob gleichsfalls dem Robert von 
Arras zuzuschreiben. Die vollkommene Formelhaftigkeit des Ausdrucks 
in beiden Dichtungen macht eine Entscheidung der Verfasserfrage un¬ 
möglich. Ich begnüge mich darum damit, den Text-Besserungsvorschlägen 
Toblers einen hinzuzufügen; v. 265—270 wird verständlich, wenn man 
in v. 270 me statt ne setzt: „A Dieu guerroier / Por moi desvoier/Ai 
molt entendu; / En crueus loier, / Si ne sai proier, / Me sera rendu.“ 

4 ) Als erster stellte dies fest G. Paris, 2« 6d.. S. 811; und Rom. 
XX, S. 187 ft. 

5 ) Passy, S. 474 VII. 

®) Jeanroy-Guy, S. 71 ff. 


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Nat fr. 8541, gegen Ende des Jahres 1272 *) eingetragen ist. 
Stehen diese verschiedenen Verweise zunächst zeitlich ifn 
Einklang miteinander? 

Das größte der drei literarischen Denkmäler, von den 
Arraser Kopisten der Hs. A die Vers de le mort genannt 8 ), 
bietet naturgemäß die faßlichsten Handhaben zu einer Datierung. 
Im Laufe seiner langen Predigt Uber die Allmacht des Todes 
und die Vergänglichkeit alles Irdischen, seiner Mahnungen zur 
Buße und zum Rechttun, nimmt der Verfasser oft Gelegenheit, 
auf seine nähere Umgebung, auf Zustände und Ereignisse 
seiner Zeit Bezug zu nehmen. So ermahnt er die sündige 
Stadt Arras (Str. 12, 147 ff.), ihre Schöffenschaft (63), ihrpn 
Abt (99), klagt dem Papst die Habgier der Geistlichkeit (oß), 
richtet heftige Vorwürfe gegen die Kaste der Bankiers (be¬ 
sonders 144 ff.), gegen die er den Bischof von Arras (75), dpn 
Grafen Robert, den Herrn des Artois, (148—150, 152, 154, 162 ) 
und den König von Frankreich (162) zu scharfem Einschreiten 
aufruft, stellt Betrachtungen an über das Ende eines dieser 
Zunftgenossen, des reichen, habgierigen Bürgers Bertoul(l04—5), 
wendet sich in ganz persönlicher Erbitterung gegen die 
avocas (bes. 168—185), bringt Anspielungen auf innerpQlitische 
Kämpfe zwischen Bürgerschaft und Klerikern (149), auf Steupr- 
unterschlagungen und ihre Folgen (159), und erhebt wieder¬ 
holt nachdrücklich seine Stimme, um zur Teilnahme an einem 
Kreuzzug aufzufordem, den der König plant ( 1 21—125,138- lf 2, 
196—20*). 

Durch diese letztere Anspielung rückt er für uns in einen 
weiteren historischen Zusammenhang, der Ausgang für die 
Datierung der Dichtung geworden ist: es handelt sich um die 
Zeit, da Ludwig IX. sich zu einem seiner beiden unglücklichen 
Kreuzzüge rüstete, entweder dem 6ten nach Aegypten, 1248-54, 
oder dem 7 ten nach Tunis, auf dem er August 1270 den Tod 
fand. Zum erstenmal nahm der heilige König das Kreuz De- 


*) Guesnon, M.-A. 1900, S. 18, Anm. 6. 
*) s. Ausgabe Windahl, S. VIII f. 


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zember 1244 ^ die Vorbereitungen dauerten bis in den Sommer 
1248, wo er am 12. Juli die Oriflamme in Saint-Denis nahm, 
aih 28. Aug. von Aigues- Mortes aufbrach*). Das zweitemal 
gab er seinen Entschluß zur Kreuzfahrt am 25. März 1267 
kund; der Aufbruch erfolgte am l. Juli 1270*). Während einer 
dieser Vorbereitungs - Epochen, Ende 1244—Sommer 1248, 
oder Frühjahr 1267 — Sommer 1270, müssen die betreffenden 
Strophen der Vers de le mort entstanden sein. Welcher voll 
den beiden Zeiträumen für die Entstehung der Dichtung in 

Frage komme, darüber gingen in der literarhistorischen For- 

% • 

sdiung die Meinungen bis zuletzt, auseinander. Ludwigs erster 
Kreuzfahrt geben mehr oder weniger entschieden den Vorzug: 
Windahl 4 ), G. Paris 6 ), Gröber 6 ), Wallheinke 7 ). Für den zweiten 
Kreuzzug entscheiden sich: P. Paris 8 ), Jeanroy 9 ), 'Guy 10 ) 
Guesnon 11 ), Suchier 1 *), G. Paris 18 ), Wulff-Walberg 14 ); wenn’ 
Rud. Berger 16 ) ohne nähere Begründung die Vers de le mort 
in die Jahre 1275—1278 setzt, möchte man einen Druckfehler 
annehmen. — Am eingehendsten beschäftigt sich mit der Frage 
nach der Entstehungszeit der Vers H. Guy in seinem * Essai 
sur la vie et les oeuvres littßraires du trouvfere Adan de le 

Haie*. Ausgehend von der Voraussetzung, daß die Vers de 

• • • ~ 

' *) Lenain de Tillemont, 111, S. 61. 

*) Lavisse, 3 II, S. 88 u. 99. 

*) Lavisse, a. a. O., S. 99—102. 

. v 4 ) WiiÜdahl, S. XXXIX: 12491 

») G. Paris, 2« 6d., S. 252:1246; Rom. 20, S. 189:1244. 

°) Gröber, S. 687: „u. 1244“; S. 888:1248. 

7) Wallheinke »Die Vers de le Mort v. Hellnant u. v. Robert le 
Clerc“, Leipz. Diss. 1911, S. 26 f.: 1247. 

®) P. Paris, „Les Mss. Iran?.“, S. 281:1269. 

°) Jeanroy, „£t. rom. d6d. ä G. Paris“, S. 94. 

’°) Guy, S. 126 ff: 1269. 

“) Guesnon,M.-A. 1899,S. 167; u. M.-A 1900, S. 28 u. 16B: Ende 1266. 
“) Sudiier-Birch-Hirsdifeld, S. 168:1269. 

“) G. Paris, 3« 6d., Tabl. diron.: 1270. 

14 ) Wulff-Walberg, „Les Vers de la Mort par Helinant“, Soc. d. 
anc. t. 52, Paris 1905, S. 111 ff: „1260 ou 1270“. 

“) Rud. Berger, S. 828. 


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le mort gleichzeitig entstanden sind mit den 4 politischen 
Satiren aus den „Chansons et Dits Artesiens“, 11, III, XIII und 
XXIV, und mit Adans erstem motet „A Dieu comant amouretes“, ■ 
sucht er die Ablassungszeit der Vers festzustellen, um den 
Aufbau seiner Biographie Adans dadurch zu stutzen. Seine 
auf breite Grundlage gestellte, glänzend stilisierte Untersuchung 
verbindet in so irreführender Weise Feststehendes mit Ver¬ 
wiesenem und Falschem, daß es nötig ist, sie Punkt für Punkt 
auf ihre Haltbarkeit zu prüfen. 

Guy möchte nadiweisen, daß die Vers nicht dem ersten, 
sondern dem zweiten Kreuzzug Ludwigs des Heiligen un¬ 
mittelbar voraufgehn, genauer, ins Jahr 1269 zu setzen sind. 

§ 1 (S. 127 f.) zeigt er zu diesem Zweck zunächst, daß die 
Deutung von Str. 159, durch die Windahl (S. XXXIX) den 
1 . Kreuzzug stutzen zu können glaubte, auf einem gänzlichen 
Mißverstehen der betreffenden Stelle („a Paris li baras“) be¬ 
ruht Dann geht er zu seiner eignen Beweisführung Uber. 

ln § 2 (S. 128) schließt er aus der Annahme, das Todgedicht 
sei gleichaltrig mit Adans 1. motet und den Satiren, daß es 
ebenso wie jene in den 60 er Jahren verfaßt worden sei. Guy 
geht hier von der Voraussetzung aus, daß der große Steuer¬ 
skandal, von dem die lokalpolitischen Satiren Kunde geben, 
sich auch in Adans motet und besonders klar in den Vers 
de le mort wiederspiegle. Daß der Zusammenhang von 
Adans motet mit den Satiren ganz unerwiesen ist, zeigt schon 
Guesnon 1 ). Als ebenso hinfällig, stellt sich die enge Ver¬ 
bindung heraus, die Jeanroy *) und Guy 8 ) zwischen den Satiren 
und den Vers konstruieren. Wohl nehmen auch die Vers 
gelegentiich Bezug auf die meineidigen Bürger und die pflicht¬ 
vergessenen Schöffen von Arras (Str. 159 u. 68; die übrigen 
Strophen, die Guy, S. 126 Anm. 1, zum Beweis heranzieht, 
wenden sich bloß allgemein gegen den Wucher und die 1 Hab- 

») Guesnon, M.-A. 1900, S. 157. 

*) Jeanroy, fitudes rom. d$d. ä G. Paris, S. 93 f 
*) Guy, S. 106 f., 128 ff. 


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gier, der Arraser Bürger); aber an sich gestattet das noch 
keine genaue Zeitbestimmung, denn zweifellos hat es solche 
Verstöße gegen das Gemeinwohl in Arras tu jeder Zeit ge¬ 
geben *). Guy behauptet indessen, daß der von Robert le Clerc 
unter die „boins* gezählte abes d’Arras (Str. 99) gleich¬ 
bedeutend sei mit dem abb6 der Satiren, dem in der Steuer¬ 
affäre die undankbare Aufgabe zufiel, die falschen Aufstellungen 
der.Schöffen zu prüfen und eine neue Steuerverteilung vor¬ 
zunehmen. Diese Behauptung läßt sich nicht halten angesichts 
der sicheren zeitlichen Fixierung der Satiren einerseits 1 ) und 
der Vers andererseits, auf die ich hier vorgreifen darf. — 
Die Strophe 99, in der Robert le Clerc dem abe d’Arras sein 
Wohlwollen kundgibt, ist gegen Herbst 1266 entstanden (s. S. 87), 
der betreffende Abt von Saint-Vaast ist also Simon de Noyon 
(Simon Noviomensis), der von 1262—1279 dem Kloster Vor¬ 
stand 8 ); die Angaben der Historiker über ihn sind zu spärlich, 
als daß man Roberts Ermahnung v. 10 f. „Renonce a cele 
volente/Dont li povre sont desrentö“ daraus erläutern könnte, 
oder daß man etwa die voraitfgegangene lange Krankheit be¬ 
stätigt fände, auf die Robert v. 8 anspielt — Was dagegen 
den ab£ der Satiren anbelangt, so ist es zunächst zweifelhaft, 
ob hier überhaupt an den Abt von Saint-Vaast gedacht werden 
darf 4 ). Falls dies erlaubt ist, könnte nur der Vorgänger des 
Simon.. de Noyon, Paul d’Haspres (Paulus Hasprensis), 
1262 - Mai 1262 6 X in Frage kommen; denn Satire II, die den 
abe mehrfach erwähnt 6 ), ist bereits vor Pfingsten 1262 ent¬ 
standen 7 X kann sich also auf keinen späteren Abt beziehen. — 
Auch was Guy des Näheren über das Schicksal des fraglichen 


9 

•) vgl. Guesnon, M.-A. 1900, S. löfr. 

*) durch Guesnon, M.-A. 1899 u. 1900. 

•) Gallia Christ. HI, col. 887; Näcrologe de l’abbaye d6 Saint- 
Vaast, S. 29. 

*) 8. Guesnon, M.-A 1899, S. 162. 

B ) Gail. Christ. III, col. 387; Näcrol. de l’abb. de St.-Vaast, S. 28. 
®) Jeanroy-Guy, II, v. 68, 68 ff. 

*) Guesnon, M.-A. 1899, S. 2Ö1 ff. 


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abe der Satiren aus den Vers de le mort erschließen will, 
entbehrt durchaus der Grundlage, und ebenso die Gleich¬ 
setzung der „eskievins de deus et d’as“ des Robert le Clerc 
mit den pflichtvergessenen Schöffen, die dem ab6 dort zu 
schaffen machten. Guy beruft sidi auf Str. 169 der Vers: 

„Par eskievins de deus et d’as 

Fu fais a Paris li bafas 

Que li cuens ara le moitte 

Es borgois parjures d’Ar ras“ .... 

Der Dichter äußert darin lediglich seinen Unmut Uber eine 
durdi schlechte Schöffen in Paris verübte Betrügerei, derzu- 
folge der Graf die Hälfte der Geldbußen erhält, die aus den 
Steuerhinterziehungen der Arraser Bürger fließen 1 ). Guy (S. 126) 
wiü aus ihr herauslesen, indem er wieder die Parteinahme 
des Dichters für den ab6 der Satiren hineindeutet, daß in Paris 
dem abe der Prozeß gemacht worden sei, wobei die Schöffen, 
deren Amtsbruch er aufgedeckt hatte, ihn selbst in die An¬ 
klage verwickelt hätten. Die betreffende Strophe, die wegen 
der voraufgehenden Str. 121 nach Frühjahr 1267 entstanden 
sein muß (s. S. 87 f.), scheint mir überhaupt auf Ereignisse Bezug 
zu nehmen, die sidr mehrere Jahre später abgespielt haben 
als die Anklage gegen den ab6, von der die Satiren berichten. 
V. 11L sagt der Dichter von dem Grafen Robert mit Beziehung 
auf die Schöffen, die die Betrügerei in Paris verübt haben: 
„Quant il les prist, ne cuida mie/ Faire eskievins de tel haras“, 
„als der Graf sie bestätigte, glaubte er nicht ein solches Pack 
zu Schöffen zu machen". Ich glaube nicht, daß der junge 
Graf, für den bis Sept 1266 sein Stiefvater, der Graf von 
St Paul, dann bis zu seiner Mündigkeitserklärung, 6. Juni 1267, 
sein Oheim Ludwig die vormundschaftliche Regierung führte 9 ), 
schon zur Zeit der Vormundschaft die Bestätigung von Schöffen 
vornehmen konnte. Wenn die Stelle wörtlich zu verstehen 
ist, so ergibt sich daraus, daß „a Paris li baras" der von 


*) s. Guesnon, M.-A. 1899, S. 166. 

*) Lenain de Tillemont, IV, S. 8881; Guy, S. 181 u. Anm. 1. 


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Robert le Clerc getadelten „eskievins de deus et d’as“ frühestens 
in der zweiten Hälfte des Jahres 1267 stattgefunden haben 
kann. Andererseits hört man die Anklage gegen den ab£ der 
Satiren bereits aus Satire II 1 ) heraus, also vor Pfingsten 1262. 
Genaueres wird von ihr erzählt in Satire XXIV 2 ), zwischen 
1262 und 66, und die Schöffen der Satiren hatten, nach 
Guesnons Nachweis 8 ), ihr 14 Monate währendes Amt 4 ) bereits 
vor Pfingsten 1260 in Händen. — Es geht also nicht an, die 
Vers de le mort mit den Satiren und mit Adans motet 
gleichaltrig zu machen und diese Dichtungen wechselseitig 
auseinander zu datieren, wie Guy es tut 

• § 3 (S. 129 f.) findet Guy einen weiteren Anhaltspunkt in 
den Strophen 74: + Mors, le roi de France deportel“ und 
besonders 121: 

„Mors, trat te en sus du roi de France 
Par cui crestientOs s’avance! 

Lais lui sen porpos maintenir 
Dont croisiOs est_• 

Aus der Besorgnis des Dichters, der Tod könne den frommen 
König allzubald hinwegraffen, geht hervor, daß Ludwigs Leben 
zu jener Zeit bedroht war. Dieser Umstand läßt sich auf 
die Zeit vor dem ersten so gut wie vor dem zweiten Kreuz-, 
zug beziehen. Im Dez. 1244 nahm Ludwig das Kreuz auf 
dem Krankenlager, nachdem er eben wie durch ein Wunder 
dem Tod entgangen war 6 ). Im Anschluß daran, etwa um die 
Wende 1244/6, wäre ein Gebet wie das in Str. 121 wohl* 
denkbar. Aus den 60 er Jahren wissen wir durch Joinville 8 ) 
von Ludwigs großer körperlichen Schwäche und Hinfällig¬ 
keit — Es ist vorläufig, nicht einzusebn, warum die erste 
Möglichkeit von Guy einfach abgelehnt wird. 

*) jeanroy-Guy, 11 v. 70 „Car ses contes tu tous bocus“. 

») a. a. O., XXIV, Y. 211 f». 

*) Guesnon,‘‘M.-A. 1900, S. 155. 

4 ) vgl. Guesnon, M.-A. 1908 „Publ. nouv. sur les trouv. art6s.“, S. 73 
Anm. 2. 

5 ) Lenain de Tillemont, 111, S. 58ff. 

«) Joinville, § 737. 5 


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§ 4 (S. 180 f.) geht Guy ebenso willkürlich vor, wenn er 
behauptet, daß die „enseignements indiscrets“, die Robert le 
Clerc Str. 148, 149, 150, 159, 162 an Robert den Grafen von 
Artois richtet, nur dem Teilnehmer an dem letzten Kreuzzug, 
Ludwigs jungem, Dez. 1248 geborenen*) Neffen Robert II. gelten 
konnten, dagegen undenkbar seien in Bezug auf dessen Vater, 
Ludwigs Bruder Robert I., der als erwachsener Mann an dem 
Kreuzzug von Aegypten teilnahm, wo er 1250 fiel. Worin 
bestehen eigentlich die Ermahnungen des Dichters? Er drängt 
seinen Landesherm immer wieder, dem Treiben der Arraser 
Wucherer ein Ende zu machen. Nicht das jugendliche Alter, 
des Grafen rechtfertigt dieses Drängen, sondern ganz allein 
der Eifer und die Erbitterung des Verfassers. Wie ließe es 
sich sonst verstehn, daß er keine Bedenken trägt, seine un¬ 
geduldige Aufforderung gleichzeitig auch dem König vor¬ 
zutragen? 

Str. 162: „K’atent dont de France li rois 

Et Robers, li sires d’Artois, 

Qui ne metent le guere a fin 
C’userier ont contre le crois?* 

Dieser Zusammenhang erlaubt also nicht den Schluß, den 
Guy zieht, daß es sich in den Vers um deti jungen Grafen 
Robert II. handeln muß. — Guy, der dies gleichwohl für 
erwiesen hält, greift im Anschluß hieran noch einmal auf den 
Arrasej Steuerskandal zurück und leitet aus dem jugendlichen 
Alter des Grafen die Behauptung ab, daß diese ganze 
Angelegenheit, und also auch das Todgedicht, erst i269 möglich. 
sei, „puisque le comte fut personnellement saisi de i’affaire,. 
lui qui restait encore, peu de temps auparavant, en dehors 
du gouvemement.“ ®) Der Steuerskandal im Ganzen wird auf 
seinen wahren historischen Kern hin voll Guesnon*) unter¬ 
sucht, der bei der Datierung zu anderen positiven Ergebnissen 

l ) s. Lenain d. Tillemont, IV, S. 884; u. .Inventaire sommaire* 
p. Richard, S. 29 a. 

^ vgl. Guy, S. 126, Anm. 8. > 

S) Guesnon, M.-A. 1899 u. 1900. 


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kommt und dadurch die Annahme Guys zerstört, der Skandal 
gehe auf eine außerordentliche Kreuzzugssteuer des Königs 
und des Giafen aus den Jahren 1267—8 zurück. 1 ) Gegen 
Guys Gedankengang darf man vielleicht noch eins zu bedenken 
geben, nämlich daß vorläufig überhaupt keine Gewißheit be¬ 
steht, ob unter dem conte, den die Satiren zweimal in wenig 
bestimmtem Zusammenhang nennen 1 ), Graf Robert II. selbst 
verstanden werden muß. Für das Todgedicht erledigt sich 
Guys Datierung außerdem schon dadurch, daß sein enger 
Zusammenhang mit der Steueraffäre als willkürliche Annahme 
erwiesen ist. 

In § 5 (S. 181 ff.) sucht Guy die Anklagen des Dichters 
gegen den Klerus für die Datierung der Vers nutzbar zu 
machen. Robert.le Clerc wirft den Welt- und Ordensgeistlichen 
Habsucht, Geiz und Eigennutz vor. Nun finden sich solche 
Klagen zwar zu allen Zeiten, doch wird man Guy recht geben, 
daß sie hier auf ganz bestimmte Ereignisse von allgemeiner 
Tragweite zurückgehen. Das ergibt sich namentlich aus Str. 93, 
worin der Dichter dem Papst zuruft: „Gott verlangt, daß 
deine Kleriker, Priester und Mönche das tun, was man. ihnen 
predigt, aber sie befolgen es sehr unvollkommen; .... „Tout 
prendent, ne lor caut coment, . . Et, au rendre, quierent 
essone“, sie raffen Reichtümer zusammen mit allen Mitteln, 
doch wenn es sich darum handelt zu zahlen, dann suchen sie 
Entschuldigungsgründe.“ Guy untersucht, um welche Zeit die, 
Haltung des gesamten Klerus diese Anklage hervorrufen konnte, - 
und findet, daß sie im letzten Jahrzehnt von Ludwigs Regierung 
viel verständlicher erscheint als in der Zeit vor dem ägyptischen 
Kreuzzug. In der Tat häuften sich in den 60er Jahren die 
Steuern und Abgaben der Geistlichen in hohem Maß. Bis 
zum Jahre 1266 (damals glaube ich die betreffende Strophe 
entstandenes. S. 87) werden hauptsächlich zwei außerordentliche 
Kirchensteuern in Frankreich genannt: der Hundertste von 


*) Guy, S. 143 ff. 

2) Jeanroy-Guy, II. v. 80, XXIV v. 72. 

b* 


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allen geistlichen Einkünften, den Urban IV. 1262/8 zunächst 
auf 5 Jahre zur Unterstützung des Heiligen Landes auferlegte 
und der Zehnte, den derselbe Papst 1264 auf 8 Jahre für den 
„Kreuzzug“ seines Schützlings Karl von Anjou gegen Manfred 
forderte.*) Der 8 jährige Zehnte für Ludwigs des Heiligen 
Kreuzfahrt wurde erst vom Frühjahr des folgenden Jahres 1267 
an erhoben. 8 ) Die Chronisten schildern den UnwUlen und 
Widerstand des so. schwer belasteten Klerus. Gerade die 
Kirchenprovinz Reims, der Arras als Suffraganbistum zu¬ 
gehörte, finden wir 1268, wie auch bald danach 1267, unter 
denen, die beim Papste Beschwerde führen gegen die immer 
neue Besteuerung. 4 ) Diese Beschwerde ist Ausdruck derselben 
Stimmung, die Robert le Clerc so energisch tadelt, und läßt 
die Entstehung von Str. 93 um jene Zeit durchaus begreiflich 
erscheinen. — In den Jahren, die Ludwigs erstem Kreuzzug 
voraufgehen, fehlt es allerdings gleichfalls nicht an Klagen der 
Geistlichkeit Uber zu große Steuerlasten. Aber sowohl die 
übertriebene Darstellung der Bedrückung des Klerus bei 
Matthaeus Parisiensis 6 ) wie auch in der Hauptsache die Klagen, 
die Ludwig im Namen seiner Geistlichkeit Juni 1247 dem 
Papst vorträgt 8 ), beziehen sich auf Steuern, die der Papst erst 
seit 1245 dem französischen Klerus auferlegt hat. Nun geht 
die hier besprochene Strophe 93 der Anspielung auf Ludwigs 
Krankheitszustand voraus, die, wenn man sie zu Ludwigs 
erstem Kreuzzug zieht, nur gegen Ende 1244 denkbar wäre, 
wie man’' oben (§ 3) sah, könnte also nicht später als 1244 
entständen sein. Der Steuerdruck Roms lastete zweifellos 
auch schon um diese Zeit schwer auf der Geistlichkeit 7 ) und 


‘) Lenain de Tillemont, V, S. 24 ff; G. Servois, Bibi. £c. Ch. 19, 
S. 113 ff; Gottlob S. 59. 

2) Stemfeld, S. 200 u. 211. 

*) Lenain de Tillemont V. S. 27 f. 

4 ) a. a. O. V, S. 25 u. 29. 

5 ) a. a. O. III, S. 117; E. Berger S. 194. 

8) E. Berger, S. 270 ff. 

’) a. a. O., S. 189. 


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wird entsprechend auf gelegentlichen Widerstand gestoßen 
sein; doch war er damals noch bei weitem nicht so pnerträgiich 
wie zwei Jahrzehnte später. Man wird daher mit Guy genfeigt 
sein, die betreffende Anklage des Robert le Clerc in die 
Zeit vor Ludwigs zweitem Kreuzzug zu setzen, jedoch Ohne 
die andere Möglichkeit vollkommen ablehnen zu können. — 
Guy zieht zur Stütze seiner Annahme die „Complainte de 
Constantinoble“ heran, in der Rutebeuf ähnliche Anklagen 
gegen die Geistlichkeit formuliert. Ebenso vergleicht er einige 
andere Gedichte des Pariser Trouveres aus derselben Zeit 
mit den Strophen, in denen Robert le Clerc die Gläubigen 
zur Teilnahme am Kreuzzug auffordert (Str. 156 hat keine 
direkte Beziehung zu diesem Thema), und schließt etwas 
kühn „que Pinspiration des deux trouvfcres est absolument la 
m£me, que ces oeuvres soeurs parurent ensemble.“ Solche 
Parallelsetzungen sind zwar, wenn zeitliche Uebereinstimmung 
erwiesen ist, nachträglich sehr interessant, aber zur Befestigung 
eines mutmaßlichen Datierung reichen sie nicht aus. 

§ 6 (S. 134 ff.) untersucht Guy dann die Angriffe des 

Robert le Clerc gegen die usuriers, die Bankiers, die beschuldigt 

# 

werden, Kampf gegen das Kreuz — d. h. hier den Kreuzzug —. 
zu führen (Str. 162 ). Diesen Vorwurf sollen sie sich nach 
Guy Ende der 60 er Jahre auf folgende Weise zugezogen 
haben: die italienischen Bankgesellschaften hätten sich, einem 
durchgreifenden Entschluß zufolge, von 1266 an hartnäckig 
geweigert, dem König weiter die zu den Kreuzzugsrüstungeto 
notwendigen Vorschüsse zu geben. Den Beweis für ein solches 
feindseliges Verhalten erblickt Guy in Ludwigs Erlaß vom 
Januar 1269, der die ausländischen Bankiers des Landes 
verwies. Demgegenüber ist einzuwenden, daß Ludwig noch 
1267 von Sieneser Bankleuten Geld empfing 1 ), und besonders 
daß man die Ausweisung des Jahres 1269 nicht als Vergeltung 
für kürzlich bewiesenen Widerstand der Lombards zu fassen 
braucht. Dieselbe Maßregel hatte der König bereits 1258 einmal 


’) G. Servois, Bibi. fic. Ch., 19, S. 117. 


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70 


• • 

angewandt 1 ). Es ist die gleiche Strenge, die uns seit der 
Frühzeit seiner Regierung in seinen Anweisungen zur gericht¬ 
lichen Verfolgung und Bestrafung der usure auffällt 8 ). Das 
ganze Mittelalter verurteilte die Ausübung von Bankgeschäften 
als ärgerniserregende Sünde. Ludwigs Frömmigkeit und die 
durchaus religiöse Auffassung seines Herrscherberufs geboten 
ihm unnachsichtige Bekämpfung des Wuchers. Diese Auf¬ 
fassung wurde von der Gesamtmasse seines Volkes durchaus 
geteilt, und sie ist es auch hauptsächlich, die aus den heftigen 
Angriffen und Schmähungen Roberts gegen die usure und die 
usuriers spricht. Da er sich oft ganz ausdrücklich an die 
Wucherer seiner Vaterstadt wendet (bes. Str. 147, 150, 152, 
154, 156) und sein Horizont auch sonst nur selten über die 
Grenzen von Arras hinausreicht, darf man annehmen, daß sein 
Zorn sich vornehmlich gegen die mächtigen Arraser Bankier- 
Familien richtet (Str. 148 gibt er ihnen den Gattungsnamen 
Bertoulois, nach dem Patriarchen der Wucherer, dem reichen 
Bürger Bertoul, s. S. 76 ff.), deren hochmütiges Auftreten und ver¬ 
weichlichte Lebensführung offenbar wie bei den kleinen Leuten so 
auch bei allen ernster Gesinnten Anstoß erregten. Was aber 
Robert mit dem Vorwurf meint, die Wucherer seien Feinde 
des Kreuzzugs, das scheint mir am Schluß der Strophe 162 
selbst angedeutet zu sein. Robert sagt: »Was zögern der 
König von Frankreich und Robert der Herr des Artois, dem 
Kampf der Wucherer gegen das Kreuz ein Ende zu machen ? 
Das Kreuz will zeigen, daß sie schlimmer sind als Heiden. 
Denn ein Heide sündigt weniger als die Wucherer „qui lor 
larrechin /Tienent contre consel devin“. Daß sie ihre unrecht 
erworbenen ReichtUmer nicht herausgeben, das macht er ihnen 
zum Hauptvorwurf. Hier lehnt sich Robert an die Auffassung 
der Kirche an. Die Kirche forderte stets von dem, der Buße 
tun will, daß er für den zugefügten Schaden Genugtuung leistet, 


‘) Guy, S. 137 Anm. 2. 

*) Erlaß von Melun 1230, s. Lenain de Tillemont, V, S. 71-8; 
Lavisse, 3, 11, S. 14. 


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71 


geraubtes Gut zurückerstattet; dahin zielen Roberts wiederholte 
Ermahnungen Str. 62, 70, 77, 207, 209-10. Aber hier und in 
andern Strophen, die in näherem Zusammenhang mit seiner 
Kreuzzug-Predigt stehn, bekommt diese energische Fofderung 
bei Robert einen ganz besonderen Sinn, wenn man sie zu¬ 
sammenhält mit einem Kreuzzugsprivileg aus jener Zeit Wir 
hören, daß Papst Clemens IV. 1265 seinem Legaten unter 
andern Kreuzzugsprivilegien die Vollmacht gibt, die Wucherer 
unter der Bedingung zu absolvieren, daß sie den Erlös ihrer 
Wuchergeschäfte für das Heilige Land zur Verfügung stellen 1 ). 
Darum also predigt Robert le Clerc seinen wuchertreibenden 
Landsleuten das Kreuz zur Buße und die Auslieferung ihres 
ungerechten Reichtums so oft in einem Atemzuge (s. bes. Str. 121 , 
143, 161, 163, 164), und darum kann er auch die Zurück¬ 
haltung, die sie in diesem Punkt gewiß durchweg übten, als 
Kampf gegen das Kreuz bezeichnen. Von diesem Gesichts¬ 
punkt aus betrachtet erscheint mir seine Stellungnahme zu den 
usuriers verständlicher. 

Mit § 7 (S. 139 ff. u. S. 420 ff.) kommt Guy zu dem letzten 
Punkt seiner Untersuchung, auf den er ganz besonderes Ge¬ 
wicht legt. Er glaubt den Verfasser der Vers de le mort in 
dem Robert le Clerc wiederzufinden, den die XVIIte der 
„Chansons et Dits Artesiens“ nennt*). Das Stück berichtet 
in launigem Ton von der Gründung der „Carite des Audulns“, 
der Gilde der Pantoffelhelden. Eine ganze Reihe von Arraser 
Bürgern werden ihre Mitglieder; den Vorsitz soll Robert le 
Clerc führen: „Robers li Clers wird ihr Dekan sein, er ist 
ärger zerstoßen als gebrühte Erbsen 0 , ist also dieser Ehren¬ 
stellung vollkommen würdig. Die Genossenschaft hat einen 
Abgesandten nach Rom beordert Dort pflegt die Geistlichkeit 
in einer Synode Beratung und macht ein Mittel ausfindig, das 
die geplagten Ehemänner künftig vor allen Gewalttaten von 

*) Lenain de Tillemont, V, S. 26. 

2) Jeanroy-Guy, S. 74, v. 108 ff. Dazu s. die Textverbesserungen 
und Erläuterungen bei Guesnon, M.-A. 1900, S. 18f; und Ad. Mussafia, 
Rom. 27, S. 499. 


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72 


Seiten ihrer Gattinnen schützen soll. — Natürlich ist die letzte 
Episode wie überhaupt die ganze Carit6 des AuduYns nichts 
als eine burleske Erfindnng 1 ). Aus diesem Zusammen¬ 
hang, v. 108 ff: 

„Robers li Clers en ert diiens, 

Plus est pil6s c’uns pois baiiens. — 

Iceste gent que je vos nome 
Ont piec’a envoiö a Rome; 

Li clergie bien s’i assene,“ 

der in Jeänroys Lesart allerdings etwas unklar bleibt, liest Guy 
heraus 2 ): Robert le Clerc ist Vorsitzender einer Genossenschaft 
von Klerikern und wird als deren Abgesandter nach Rom ge¬ 
schickt Letzteres findet er seiner Auffassung nach bestätigt 
durch Str. 170 der Vers de le mort, worin Robert le Clerc 
sagt daß ihm der Verkehr mit den verfluchten Advokaten 
keinen andern Nutzen eingetragen habe „Fors c’a Rome apel6s 
en fui“. Ueber die nähere Veranlassung und den Erfolg dieser 
Romreise hören wir kein Wort Guy, der als ihren Zweck 
die Vertretung der Interessen der Arraser Kleriker ansieht 
bringt sie in Zusammenhang mit einer weiteren Strophe der 
Vers, 149. Darin wendet sich Robert voller Zorn an die 
Arraser Wucherer: 

„Par nature de vilonie 
Est vo trekerie agregYe 
Sor les clers, por eus aloier 
Cui Rome a francise jugYe, 

As frais de vo grant gloutenie“ usw. 

Die wuchertreibende Arraser Bürgerschaft habe sich also be¬ 
müht die Kleriker, denen Rom Freiheit zugestanden hat, ihrer 
unersättlichen [Geld-] Gier dienstbar zu machen. Robert ver¬ 
tritt hier die Partei des in Arras so zahlreichen niederen 
Klerus, der, obschon er nicht die höheren Weihen empfangen 


') Vgl. die ebenso fingierte Versammlung der Kardinale, Stück XVIII, 
v. 38 ff. u. 85 ff. der .Chans, et Dits Art6siens*. 

2) vgl. Jeanroy-Guy, S. 118; u. Jeanroy, £t. rom. d6d. ä G. Paris, S.94. 


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und mit den Geistlichen nichts gemeinsam haben konnte, als 
die Tonsur, das geistliche Gewand und die — mehr oder 
weniger — geistliche äußere Lebensführung, dennoch Freiheit 
von der weltlichen Gerichtsbarkeit, von den Pflichten und 
Abgaben der Bürger für sich beanspruchte und um diese 
Privilegien hartnäckige Kämpfe mit der Stadtverwaltung aus¬ 
focht Guy erklärt nun die eben zitierte Stelle aus Str. 149, 
mit willkürlicher Umstellung, so: „Montrant votre caractfcre has, 
vous avez däployä vos fourberieg pour nuire au* dercs et 
pour essayer de les lier, mais Rome leur a con4erv6 leurs 
droits, et votre grande avidite fut de$ue“, und will in der 
Bestätigung der klerikalen Privilegien das Ergebnis der Rom¬ 
reise sehn, die Robert le Clerc als Vorkämpfer der Arraser 
Kleriker unternommen hätte. Zu einer Datierung der Vers 
kommt er dann auf folgende Weise: Roberts Verhandlungen 
in Rom ständen in engstem Zusammenhang mit der „affaire 
des clercs bigames“ im Jeu de la Feuillee. Dort führen die 
Betroffenen Klage darüber, daß der verstorbene Papst den 
bigames — d. s. Kleriker, die, dem kanonischen Recht ent¬ 
gegen, ein zweites Mal die Ehe eingegangen sind, — ihr 
Privileg der Steuerfreiheit entzogen habe, und erklären, daß 
sie gegen dieses ihnen zugefügte Unrecht Protest erheben 
wollen. Roberts Romreise bedeute nichts anderes als die Ver¬ 
wirklichung dieser Pläne. Guy glaubt das Jeu de la Feuillee 
1262 entstanden. Die Ausführung des Widerstands durch die 
bigames, die Verhandlungen des Robert le Clerc in Rom, das 
Zustandekommen des päpstlichen Gerichtsspruches hätten die 
folgenden Jahre in Anspruch genommen, — folglich schrieb Robert 
erst gegen Ende der 60er Jahre. — Was läßt sich von diesem 
ganzen Gedankenbau Guys haltep? Daß die Romreise des 
Robert le Clerc nicht aus der XVII. chanson erklärt werden 
kann, sah man oben; vollkommen fraglich ist es aber auch, 
ob man sie mit den Bemühungen der Arraser Kleriker um 
ihre Steuerfreiheit in Zusammenhang bringen darf. Ebenso 
groß dürfte die Wahrscheinlichkeit sein, daß es ein Prozeß 
privater Art war, der den Dichter nach Rom führte, doch fehlt 


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74 


es auch hierfür an Anhaltspunkten. Jedenfalls kann man ohne 
Voreingenommenheit nichts von einem Eingreifen Roberts in 
die Sache der bigames aus den Vers herauslesen. Doch läßt 
sich unabhängig davon die Fr^ge aufwerfen, wie sich' die 
Str. 149,. in der Robert-die Partei der Kleriker gegen die 
bürgerliche Stadtverwaltung ergreift, inhaltlich und zeitlich zu 
den erwähnten Vorgängen im Jeu de Ta Feuillee stellt. - ln 
dem Jeu beschweren sich die bigames, der Papst habe sie 
fallen lassen und ihr angeblich gutes Recht auf Steuerfreiheit 
damit preisgegeben. Die päpstliche Entscheidung, die jene 
Klagen hervorgerufen hat, will Guy, seiner Datierung des 
Stückes zulieb, in einer Bulle Papst Alexanders IV. vom 
21. März 1256 *) erblicken. Den gleichen Rechtsstandppnkt 
vertritt aber bereits ein früherer Gerichtsspruch der Kurie 
vom .28. Jan. 1254, den Papst Innocenz IV. am 11 . März 1254 
bestätigte 3 ), ln ihm wurde bestimmt, daß einerseits die 
Kleriker, die mehrmals geheiratet haben (bigami) oder mit 
einer Witwe vermählt sind, oder solche, die unehrenhafte Be¬ 
rufe betreiben (Wucherer, Budenkrämer usw.), zur Entrichtung 
von Steuern und Abgaben verpflichtet sind, daß die übrigen 
verheirateten Kleriker dagegen weiter der kirchlichen Gerichts¬ 
barkeit unterstehen und von den bürgerlichen Verpflichtungen 
frei sein sollen. Es hat durchaus den Anschein, als gingen 
die Klagen. der clercs bigames im Jeu de la Feuillee auf den 
einen Teil dieser Entscheidung zurück, während die andere 
Seite von Robert aufgegriffen wird mit den Worten Str. 149: 
„les clers ... cui Rome a francise jugTe“. Nur hat zur Zeit, 
da Robert spricht, die Sache bereits einen weiteren Verlauf 


*) Inventaire dironologique p. Guesnon, Doc. XXXI; abgedruckt 
bei Guy, S. 424. > - 

*) Invent. chronol. p. Guesnon, Doc. XXX; vgl. Guesnon M.-A. 
1902, S. 163 f; Fournier, S. 69 Anm.; E. Langlois, S. VH u. Anm. 4. — 
Die „sententia romana curia pro eis con firm ata“, auf die die Arraser 
Kleriker sich 1284 dem königlidien Gerichtshof ^gegenüber berufen, 
braucht m. Erachtens nichts anderes zu sein als diese nämliche Ent¬ 
scheidung aus dem Jahre 1254 (zu Guy, S. 428 f). 


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75 


genommen: die Bürger von Arras haben diese päpstliche 
Entscheidung nicht geachtet, sondern aufs neue versucht, die 
von Rom in ihren Privilegien bestärkten Kleriker zu besteuern. 
Wann das geschehen ist, darüber geben die Vers keine ge¬ 
nauere Auskunft Für die Datierung der Dichtung geht aus 
diesem Zusammenhang aber das eine mit Sicherheit hervor: 
die betreffende Strophe verweist frühestens in die 2. Hälfte 
der 50 er Jahre, kann also nicht vor Ludwigs erstem Kreuzzug 
entstanden sein. 

Wertvoll sind in Guys Untersuchung demnach folgende 
Punkte: einmal die Bemerkung, daß die Anklage Roberts gegen 
den Klerus besser in die Zeit vor Ludwigs zweitem Kreuzzug 
als zum ersten zu passen scheint (§ 6.); sodann die Beziehung 
von Strophe 149 auf die Steuerkämpfe der Arraser Kleriker, 
woraus ein Hinweis auf die gleiche Zeit erwächst, allerdings 
ohne die willkürliche nähere Ausdeutung Guys (§ 7.). Dagegen 
lassen sich nicht halten die übrigen Beweisgründe, die Guy 
zu Gunsten des Jahres 1269 als Äbfassungszeit der Vers an¬ 
führt. Das Jahr 1269 wird vollends ausgeschaltet durch 
Str. 98, worin Robert dem Papst seine Klagen über den Klerus 
vorträgt: ! „Pape, cieus qui vos fist corone . . . .• Denn vom 
29. Noveipber 1268 , dem Tode Clemens’ IV. an blieb der 
päpstliche Stuhl bis zum 1, September 1271 unbesetzt; dann 
kam endlich die Wahl Gregors X. zustande. *) Während dieser 
Sedisvakanz ist die angeführte Stelle natürlich undenkbar. 

Nach Guy hat sich vor allem Guesnon selbständig 
mit der Datierung der Vers de le mort befaßt. Seine aus¬ 
gedehnte Kenntnis der Archive läßt ihn zu schärfer umgrenzten 
Ergebnissen gelangen. Zunächst bestätigt sich ihm, daß die 
Dichtung in die Vorbereitungszeit auf den Kreuzzug von Tunis 
gehört, und zwar stützt er sich auf Str. 169 (vgl. o. § 2.). Die 


') Hergenröther, Handbuch d. allg. Kirchengeschichte, Bd. II, 
Freiburg i. B., 5 1903, S. 598; vgl. Sternfeld, Ludwigs des Heil. Kreuzzug 
nach Tunis, Berlin 1896, S. 121 ff. 


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dort erwähnte Abmachung, daß der Graf die' Hälfte der Geld¬ 
bußen von den Arraser Steuerhinterziehern erhalten .soll, Tindet 
er kurz erwähnt in der Verfassungs-Erneuerung Roberts II. 
vom 12 . März 1269. *) Darin bestätigt der Graf unter anderm 
ein zwischen ihm und den Sdiöffen der Stadt Arras getroffenes 
Abkommen über Steuer-Erhebung und Einziehen der Geldstrafen 
von den Bürgern, die falsche Vermögensangaben gemacht 
haben. 9 ) Doch bevor man, auf diese Zusammenstellung hin, 
die Vers de le mort endgültig mü dem zweiten Kreuzzugcr 
Ludwigs verknüpfen dürfe, müßte, nach Goesnon, erst völlig 
erwiesen sein „que ce long pofeme sok d’une seule venue et 
que l’auteur de la str. ci-dessus n'ait pas rajeuni, en y ajoutant 
des d6veloppements nouveaux, un vieux thfeme d6jä mis en 
oeuvre pour la pr6c6dente croisade.“ Nun steht zwar die be¬ 
treffende Strophe mit noch zwei andern, die nachgewiesener¬ 
maßen ebensowenig vor dem 1. Kreuzzug entstanden sein 
können (Str. 148, les Bertoulois, s. S. 77; Str. 149, der Steuer¬ 
kampf der Kleriker, s. S. 72 ff.), in der Auslassung'des Dichters 
gegen die Wucherer, Str. 144—164, die mit Ausnahme weniger 
Strophen eng in sich geschlossen ist. Aber auch außerhalb 
dieses Zusammenhangs finden sich vereinzelte Strophen, die 
in die nämliche Zeit zu setzen sind (Str. 93, Anklage gegen 
den Klerus, s. S. 67 ff.; Str. 104—5, Bertoul, s. u.); wollte man 
hier auszuscheiden anfangen, so ließen sich der Willkür über¬ 
haupt keine Schranken mehr ziehen. Guesnons Bedenken 
gegen die Einheitlichkeit der Dichtung scheint denn auch ge¬ 
schwunden zu sein, als er fand, daß eine zweite Stelle un¬ 
abhängig von der erst benutzten Str. 159 seine anfängliche 
Datierung bestärkte und zugleich genauer gestaltete. 

Zu dieser genaueren Datierung gelangt er von Str. 104 
—105 der Vers aus 8 ). In Str. 104 warnt der Dichter einen 
vom Alter geplagten Bertoul, dem Tod gegenüberzutieten 

! ) abgedruckt in ext. „Invent. dironol.“ p Guesnoil, Doc. XXXV. 

2) Guesnon, M-A. 1899, S. 166 f. 

*) Guesnon, M.-A. 1900, S. 28 Anm. 2 u. S. 155. 


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77 


beschwert mit unermeßlichem Reichtum, der auf Unrechte Weise 
erworben ist; in der folgenden Strophe knüpft er an den Tod 
desselben Bertoul seine Büßpredigt an. Später (Sir. 148) be¬ 
zeichnet er einmal die Gesamtheit der Arraser Wucherer mit 
dem Namen „les Bertoulois“, offenbar weil ihm Bertoul als 
der würdige Vertreter dieser verhaßten Kaste erscheint. Diesen 
Bertoul identifiziert Guesnon mit dem reichen Arraser Bankier 
Bertoul, Bartholomeus Verdifere, dessen Name in zahlreichen 
Urkunden sowie in andern literarischen Denkmälern begegnet. 
Die XVIII te der Arraser Chansons, die nicht später als 1249 
entstanden ist 1 ), verspottet ihn als eingefleischten Junggesellen*). 
Stück XXIV, zwischen 1262 und 1266 verfaßt (s. S. 27), erzählt, 
daß er sein Vermögen falsch eingeschätzt habe, um sich von 
der Steuer zu drücken 8 ). Guy glaubt, daß der in Stück XVI 4 ), 
als Lügner und Betrüger gebrandmarkte „Me sire Bertoul“ 
gleichbedeutend sei mit dem Bertoul der Vers de le mort, 
was aber Guesnon widerlegt 6 ). Ebenso kommen Jeanroy 
und Guy nur. durch falsche Parallelsetzung dazu, eine Stelle 
in der III. Chanson 8 ) auf Bertoul Verdi&re zu beziehen und 
zu glauben, daß darin auf dessen Gefangensetzung angespielt 
werde 7 ). Der Titel „damoisiaus“, der dem Bertoul Verdiere 
Stück XXIV, v. 126,. gegeben wird, zeigt, daß er zu den 
Patriziern gehörte. 8 ) Außerdem erfährt man aus Urkunden 
vielerlei, woraus sich Rückschlüsse auf seinen Reichtum ziehen 
lasse»: daß er um 1261 verschiedene Immobilien in Val 


*) Jeanroy-Guy, S. 109; Guesnon, M.-A. 1900, S. 211. 

*) Jeanroy-Guy, XVIII v. 141 ff. = Windahl, Einl. S. XXXVIII, fol. 
209 r°. Dazu s. Guesnon, M.-A. 1900, S. 28 f. und G. Paris, Rom. 27, 
S. 507. 

3) Jeanroy-Guy, XXIV v. 126 ff. 

4 ) a. a. O. XVI v. 67 ff. = Windahl. Einl. S. XXXVIII, fol.2C6r° 
6 ) Jeanroy-Guy, S. 114; Guesnon, M.-A. 1900, S 10. 

6) Jeanroy-Guy, III, v. 116—118. 

*) Jeanroy, fit. rom. d6d. ä G. Paris, S. 85 Anm. 1; Jeanroy-Guy, 
S. 147; dazu s. Guesnon, M.-A. 1900, S. 148 f., und G. Paris. Rom. 27. 
S. 508. 

8) Pirenne-Arnheim, S. 412. 


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78 


Saint-Etienne und in HOronval besaß, in den 50er Jahren 
finanzielle' Beziehungen zur Gräfin Margarete von Flandern 
unterhielt, 1264 oder 65 Gläubiger der Schöffen von Calais 
wurde, und schließlich daß seine Testamentsvollstrecker aus 
seinem Vermögen der Gräfin von Flandern und dem Grafen 
von Artois Vorschüsse machten. 1 ) Sein Todesjahr, dessen 
Feststellung für die Datierung von Str. 104—6 der Vers von 
größter Wichtigkeit ist, kennt man aus dem artesischen Toten¬ 
register, Hs. Bibi. Nat. fr. 8541. Diese für die Arraser Lite¬ 
raturgeschichte äußerst wertvolle Handschrift — sie enthält 
die Mehrzahl der Namen aus den drei Cong£s, den jeux- 
partis, den lokalen Satiren, dem Jeu de la Feuillee — ist 
1859 durch Vermittlung Guesnons in die Bibi. Nat. gekommen. 
Ein von Guesnon wiederholt angekündigter Abdruck ist leider 
nie im Handel erschienen. Man glaubte früher, daß die Ein¬ 
tragungen in der Hs. sich auf die neu aufgenommenen Mit¬ 
glieder der „Confrärie des Jongleurs et Bourgeois d'Arras“ 
bezögen. Erst Guesnon*) hat bewiesen, daß es sich um ein 
Totenregister handelt Nach E. Langlois 8 ) beschränkt es sich 
nicht bloß auf Mitglieder der „Confr6rie“. Es ist eine Auf¬ 
zeichnung von Verstorbenen, für die eine oder auch mehrere 
Seelenmessen vergütet wurden; daher entspricht die Zeit der 
Eintragung nur annähernd dem Datum des Todes, und so 
könnte sich auch die gelegentliche Wiederholung der gleichen 
Eintragung innerhalb eines kurzen Zeitabschnitts erklären. 
Aulfallenderweise ist die Lesweise der Nekrolog-Aufzeichnungen 
bei den verschiedenen Forschern nicht die gleiche. Guy und 
anscheinend auch Jeanroy 4 ) und Cloetta*) liest alle Daten des 
Verzeichnisses um 1 Jahr später als Guesnon und E. Langlois 
(Jeu de la Feuillee). Das einzige Mal, wo Guesnon sich der 
Wiedergabe Guys angeschlossen hatte, verbessert er sich 

• • • 

*) Jeanroy-Guy, S. 148; Guesnon, M.-A. 1900, S. 2S Anm. 2. 

*) Guesnon, Comptes rendus des s. de l’Acad., 1899, S. 464 ff. 

*) E. Langlois, S. Ul Anm. 8. 

4 ) s. Rom. 92, S. 48 Anm. 2: Baude Fastoul. 

5 ) s. Archiv 91, S. 64: Baude Fastoul. 


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später ausdrücklich. 1 ) Den Grund für diese Verschiedenheit 
der Lesung kann ich nicht angeben, da ich die Hs. nicht 
kenne. Doch beweist der Vergleich der Nekrolog-Eintragungen 
mit andern Dokumenten, daß Guesnons Lesung die richtige 
ist 3 ), während Guy es auch sonst mit der historischen Ge- 
nauigkeit nicht allzu streng nimmt, indem er z. B. bei der 
Datierung öfters vergißt, die Osterzählung in Betracht zu 
ziehen. 8 ) — Man braucht sich demnach nicht dadurch be¬ 
irren zu lassen, daß Guy den Bertoul Verdifere 1267 (Saint- 
Remy) aus dem Nekrolog herausliest 4 ), sondern wird der 
Wiedergabe Guesnons folgen, wonach Bertoul gegen Okt. 1266 
in das Totenregister eingetragen ist 6 ) — Indem Guesnon diese 
Angabe mit Str. 104 und 106 der Vers de le mört in Verbindung 
setzt, schließt er 6 ): „Le pofeme serait donc de la fin de cette 
ann6e 1266*. 

Damit wäre also die Entstehungszeit der Dichtung end¬ 
gültig festgelegt, wenn sich nicht sogleich vom ersten Haupt¬ 
punkt unserer Untersuchung . aus ein Widerspruch erhöbe. 
Wie man dort sah, verweist die Kreuzzugspredigt des Dichters 
au! die Zeit, nachdem Ludwig seinen Entschluß zur Kreuzfahrt 
kund getan hatte, was. vor seiner zweiten Fahrt erst am 
26. März 1267 geschah. Zwar berichtet Matthaeus Parisiensis, 7 ) 
Ludwig habe bei der Rückkehr von dem Kreuzzug nach 
Aegypten 1264 erklärt, er betrachte seine Fahrt als unbeendet, 

und er habe aus diesem Grunde das Kreuzesabzeichen weiter 

• * 

getragen. Doch war. die Oeffentlichkeit von seinen zunächst 

*) Guesnon, M.-A. 1900, S. 142 Anm. 2. 

*) s. Guesnon, Comptes rendus des s. de l’Acad. 1899, S. 469 ff. 

®) s. Guesnon, M.-A. 1900, S. 158 Anm. 1; M61. Wilmotte, S. 784; 
vgl. auch Jeanroy-Guy, S. 162 unter Pierre Wion: 28 mars 1242 — zu 
„Invent. somm.* p. Richard, S. 17. 

4 ) Jeanroy-Guy, S. 148. 

5 ) Guesnon, Comptes rendus des s. de l’Acad. 1899, S. 475; M.-A. 
1900, S. 10, 23 Anm. 2, 166. 

®) Guesnon, M-A. 1900, S. 156 Anm. 1. 

i) Matthaei Parisiensis Chronica Majora, V, S. 454. 


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— so — 

unbestimmten Wünschen, die erst allmählich zum festen Plan 

0 

wurden, keinesfalls unterrichtet, denn wir hören durch Joinville,') 
der hier aus vollkommen frischer Erinnerung heraus erzählt, 
daß sogar die meisten von des Königs nächsten Verwandten 
und Freunden, darunter die Königin und Joinville selbst, bis 
zum Tag der Verkündigung vollkommen ahnungslos waren und 
von Ludwigs Entschluß gänzlich überrascht wurden. 

Wie erklärt sich dieser scheinbare Widerspruch zwischen 
zwei Daten, die beide zu Recht bestehn? Ich glaube, einfach 
durch eine längere Abfassungsdauer der Diditung. Daß der 
Verfasser nicht in einem großen Zug geschrieben hat, ist, ganz 
abgesehn von dem deutlichen Zeitabstand zwischen Str. 104 
und 105, bei der Länge und dem sehr losen Aufbau des Werks 
von vornherein wahrscheinlich. Bei genauerer Betrachtung der 
Dichtung bestätigt sich denn auch, daß in ihr mehrere Teile 
zu unterscheiden sind. Man wird dabei an Bestand und An¬ 
ordnung der vollständigsten Hs., A, festhalten müssen, die auch 
Windahl seiner Ausgabe zugrunde gelegt hat Windahls 
Ansicht 9 ), die Anordnung der zweiten Haupt-Handschrift, P, 
(die dritte Hs., N, ist nur ein mit P eng verwandtes Bruchstück) 
sei der von A vollkommen gleichwertig, kann ich nicht bei- 
stimmen. A zeigt an mehreren Stellen durch Weiterführung 
eines Gedankens guten Ideen-Zusammenhang der Strophen, den 
P zerstört; so Str. 209—210 (P verbindet 194—210 || 209— 
282), 228—229 (P 226—229), 257—268 (P 289—258), UÜd 
namentlich 169—170 (P 169—187 || 207—170); mit diesen 
letzteren Strophen reißt P die Auslassung über die Advokaten 
(168—185) auseinander, wohl die leidenschaftlichste Stelle der 
Dichtung, die sicherlich .in einem Zuge entstanden ist. Wenn 
P umgekehrt Str. 42 (»Mors, Jacobins et Cordelois/Va pree- 
chier ....•) mit Str. 45 (»Mors, trois moines ponhiers endite..“) 
verbindet und ebenso Str. 55 (»Mors, se tes pooirs dure encore / 

Di cell qui ses cornes dore-•) erst zu 240 zieht („Dames, 

petit vos honoris,/Qui d’autrui ki6s vos embour6s ...“), so 

B ) Joinville, § 781. 

•) Windahl, S. XIV; XXXV Anm. 1. 



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81 


möchte ich darin das Vorgehn eines Kopisten erkennen, der 
äußeren Zusammenhang in seine lose Vorlage zu bringen be¬ 
strebt ist (vgl. u. die Textänderungen in Str. 207 bei P). Da¬ 
bei zeigt Str. 55, meines Erachtens, noch durch die Form ihrer 
Einleitung („Mors .... di celi..“), daß sie dem ersten Teil 
der Dichtung entstammt (s. u.> — Ebenso steht A seinem 
Strophenbestand nach dem Original näher als P. Zwar findet 
man in A 2 fehlerhafte Stellen, die offenbar durch nachträglichen 
Einschub verdorben sind: 1) Str. 205—206 —207. Str. 205 
und 207 gehören eng zusammen, beide beziehen sich auf den 
userier, der zur Rückerstattung des geraubten Gutes angehalten 
wird. Str. 206 (nur in A), die aus ganz allgemein gehaltenen 
Ermahnungen besteht, macht 207 fast unverständlich; sie muß 
nachträglich eingeschoben sein. P, das Str. 207 auf 258 folgen 
läßt, hilft sich, indem es ihr durch leichte Textabänderung eine 
allgemeine Wendung gibt, wobei aber v. 4 „Dont nus“ ziemlich 
störend bleibt — 2) Str. 260 — 261 (= 281) —262. Hier 
bringt A nach 260 irrtümlich noch einmal Str. 281, im Anschluß 
woran 262 überhaupt keinen Sinn gibt Statt der wiederholten 
Strophe muß ursprünglich eine andere gestanden haben, die 
vom Heiland handelte. In P fehlt dieser Passus gänzlich. — 
Da P sich an beiden Stellen der Vergleichung entzieht, muß 
dahingestellt bleiben, ob diese Fehler nicht schon auf den ge¬ 
meinsamen Urtext von A und P zurückgehn. Andererseits ist 
nicht zu bezweifeln, daß P sich dem Original gegenüber mehrere 
Auslassungen zpSchulden kommen läßt Die erste größere Lücke 
in P, Str. 119— 122 , umfaßt die beiden ersten Strophen der 
Kreuzzugspredigt (121:.,Mors, trai te en sus du roi de France/ 
Par cui crestientäs s’avance! / Lais lui sen porpos maintenir/ 
Dont croisi6s est . . .“; 122: „Cors . . . S’estre volßs bien 
consilliäs, / Ales u Dieus fu traveillies ...“), die als Einleitung 
zu dem Folgenden unentbehrlich sind. Dann fehlt P. Str. 154 
— 157, der Schluß des heftigen Angriffs gegen die Arraser 
Bankiers, worin u. a. der Graf noch einmal zur Strenge er¬ 
mahnt wird. Ferner überspringt es einen Teil der Auslassungen 
gegen die Advokaten (Str. 180—183), und schließlich steht 

6 


A 

V 


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82 


Str. 195—206, darin die gesamte zweite Aufforderung zum 
Kreuzzug, Str. 196 - 203, in A allein. Von diesen 3 letzt¬ 
genannten Stellen können zum mindesten die beiden ersten 
unmöglich von A nachträglich in das Original eingeschoben 
sein, denn sie sind vollkommen eins mit den jeweilig vorher¬ 
gehenden Strophen, dem Gedankengang und Tonfall nach. — 
Nach dem hier Dargelegten also trage ich keine Bedenken, 
der Hs. A den Vorzug zu geben. Ihr zufolge prägen sich in 
der Dichtung, wenn sie auch offenbar keinen festen Plan ver¬ 
folgt doch drei vollkommen unterscheidbare Teile aus: 

I. Der erste Teil, Str. 1—120, predigt in lose aneinander¬ 
gereihten Ausführungen die Allmacht des Todes, die Ver¬ 
werflichkeit der Sünde, die Notwendigkeit der Buße, und steht 
somit inhaltlich dem III. Teil des Werkes sehr nah. Doch ist 
er zunächst schon äußerlich dadurch charakterisiert daß von 
den 120 Strophen 96 mit dem Wort „Mors“ beginnen, während 
dies im II. Teil nur 4 mal (Str. 121, 168, 174, 208; dagegen 
128 verb. in „Cors“!), im letzten Teil nicht öfter als 2 mal 
vorkommt (Str. 222 , 299) und diese beiden Male nur in formel¬ 
haftem Anruf: „Tod, du kommst ungerufen und mit unwider¬ 
stehlicher Macht I“ Aeußerlich betrachtet trägt also allein der 
I. Teil der Dichtung den Namen „Vers de le mort“ zu Recht. 
In 31 von diesen 96 Strophen fordert der Dichter den Tod 
auf, seine Mahnungen selbst denen vorzutragen, die ihrer be¬ 
dürfen (Str. 6, 16, 20, 22, 26 , 28, 82, 37, 39, 40, 42, 45, 55, 
56, 57, 68, 64, 67, 75, 77, 86, 87, 90, 91, 98, 101), bittet ihn 
um Strenge gegen die Sünder (Str. 12 , 21) und nm Nachsicht 
für sich und einige Menschen, denen er wohl will (Str. 74, 
76, 99). Mit dieser äußeren Form der Einkleidung verbindet 
sich wiederholte Nennung von Einzelindividuen oder Körper¬ 
schaften, und beides zusammen gibt dem ganzen Abschnitt eine 
gewisse Lebendigkeit, die dem III. Teil durchaus fehlt. 

II. Im Gegensatz zu dem fortwährenden Wechsel der 
Ideen im 1. Teil, der mit fast jeder neuen Strophe statthat, 
zeigt ein II. Abschnitt der Dichtung, Str. 121 — 210 , längeres 
Verweilen bei Gedanken, die den Dichter innerlich gepackt 


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— 88 — 

0 

haben und nicht wieder loslassen. Der Kreuzzugsplan des 
Königs ist der erste Ausgangspunkt, an den sich Str. 121—142 
und 143—164 in einem Zug anschließen, wobei nur Str. 157, 
159 und 160 außerhalb der Reihe stehen. Str. 121—142 ist 
im wesentli±en eine Kreuzzugsspredigt, Str. 148—164 eine 
Auslassung gegen die Wucherer, die ihren unrecht erworbenen 
Reichtum zurückhalten, statt ihn zum Heil ihrer Seele dem 
Kreuzzug dienstbar zu machen: 121: „Mors trai te en sus 
du roi de Francei“ Aufforderung, gleich dem König das Kreuz 
zu nehmen zum Heil der Seele; 122—5: weitere Aufforderung, 
das Kreuz zu nehmen als Rettungsmittel für unsere Sünd¬ 
haftigkeit; 126—9: Gebet an die heilige Jungfrau, die Gott 
um unserer Sünden willen zu seiner Mutter gemacht hat, weU 
er uns so sehr liebte; ISO: Aus Liebe zu uns litt Christus 
zur Sühne für unsere Sünden, die Menschen aber sind ver¬ 
weichlicht in Völlerei; 131—2: Der glous wird zur Besserung 
ermahnt, er sollte sich das Leiden Christi zu Herzen nehmen; 
13 ö: Der leidende Heiland ruft den Sünder zum Kreuz hin; 
133 — 142: Der Sünder soll das Kreuz nehmen, dort ist Rettung 
und Heil; 143 (Uebergangsstrophe): Wer zum Leben eingehn will, 
muß sich vor allem frei machen von unrecht erworbenem Gut 

0 •• 

und zum Kreuz hinstreben; 144: Den Wucherer hält die Angst, 
sein Vermögen einzubüßen, vom Bekenntnis seiner Sünde ab; 
man muß es ihm abnehmen, da es ihn verhindert,- sein Heil 
zu erkennen; 145—146: Der Wucherer ist in sein Laster voll¬ 
kommen verstockt; 147—148: Arras, du, bist eingewurzelt in 
der Sünde des Wuchers; man kann Robert wohl daran erinnern, 
wie sein Ahnherr dich demütigte; der Dichter will die Ber- 
toulois, die reichen Wucherer, stürzen; 149: Die wuchertreibende 
Bürgerschaft von Arras hat versucht, die Kleriker, denen Rom 
Freiheit zugestanden hat, pekuniär auszubeuten; der Graf soll 
diese Schurken bestrafen und ihre Güter einziehn; 150: Graf, 
habe kein Erbarmen mit ihnen, sie sündigen wider Gott und 
sein Gesetz; 151: Scheußlichkeit der Sünde des Wuchers; 
152: Sich von ihr zu reinigen, dazu ist der Entschluß schwer; 
Graf, wenn man durch die Unterstützung solcher Räubereien 

6 * 



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nicht gottlos wird, so sind die Prediger zum Spott da; 158: 
Anrede an den Wucherer; 151: Graf, unterdrücke den Hoch¬ 
mut dieser Schurken!; 155: Wucherer, du hast Gott ge¬ 
kreuzigt und verschmähst sein Wort; 156: Arras, unendliches 
Unglück hast du [durch Wucher] verschuldet; — 168: Der 
Wucherer ist auch geizig; — — 161: Den Betrügern nützt 
das Kreuz nur, wenn sie den Erlös ihres Betrugs zurücker¬ 
statten; 162: Der König und Robert, der Herr des Artois, 

# 

sollen dem Kampf der Wucherer gegen das Kreuz ein Ende 
machen, die sich von ihrem ungerechten Reichtum nicht trennen 
wollen; 168—164: Reumütiger Monolog des Wucherers. — 
Nach 8 Strophen vom Charakter einer allgemeinen Büßpredigt 
(Str. 166—167) nimmt der Dichter dann ein neues Thema auf, 
den Angriff gegen die Advokaten, das er von Str. 168 bis 
185 ununterbrochen durchführt Er geißelt ihre Geldgier: Sie 
ruinieren ihre Klienten (Str. 168 , 169, 171, 173, 184, 185), ver¬ 
kaufen ihre Zunge (180, 181), nehmen unerlaubte Gebühren 
(178, 180); ihre Gewissenlosigkeit: Sie lügen (178, 188), suchen 
betrügerische Ausflüchte (185) verdrehen das Recht (184), ver¬ 
fechten das Unrecht (168, 182), ziehen den Prozeß hin (168), 
bringen falsche Zeugen vor (178, 177); die Art des Rechts¬ 
verfahrens: Die diffamatio beim Inquisitionsverfahren 1 ), die er 
als ungerecht im Prinzip verurteilt (172X die gehäuften posi- 
tiones 1 ). Außer diesen Anklagen allgemeiner Art, wie sie 
ähnlich in zahlreichen Satiren und in Erlassen jener Zeit 
wiederkehren 8 ), richtet er ganz persönliche Vorwürfe an sie: 
sie haben ihn um sein Vermögen gebracht, in Armut gestürzt, 
aufs. Schrecklichste in die Enge getrieben (Str. 170—171). 
Diese Mitteilungen erklären uns seine überaus heftige Er¬ 
bitterung gegen die Advokaten. Er wünscht ihnen alles Böse 
(Str. 170 [v. 10 = PJ, 179, 182, 185), malt mit Vergnügen die 

*) s. Fournier, S. 260, 269. 

*) s. a. a. O., S. 178 ff. 

*) vgl. Ed. Meynial in M6I. Chabaneau, Rom. Forsch. 28, 1907, 

• • • • • 

S. 557 ff. „Remarques sur la rlaction populaire contre l’invasion du droit 
römain en Fr. au 12« et 18« ss.‘; u. Lavisse, 8,11, S. 380. 


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Strafen aus, die ihrer warten (176,180), beteuert, daß Besserung 
für sie unmöglich sei (178). Wenn man damit Str. 44 im 
1. Teil vergleicht, worin er den Advokaten zwar eindringlich 
aber mit Milde zur Buße auffordert (v. 10: „Rent tes tor§ fais, 
Dieus t’aideral“), so wird man sagen müssen, daß seine 
Stimmung gegen jene Menschensorte sich seither wesentlich ver¬ 
schärft hat Möglicherweise hat er erst in der Zwischenzeit per¬ 
sönlich solch schlimme Erfahrungen mit ihnen gemacht. — Den 
Angriff gegen die Advokaten bricht der Dichter, seiner Ge¬ 
wohnheit gemäß, unvermittelt ab, bringt Str. 186—195 ver¬ 
schiedene allgemeine Warnungen und Mahnungen, dazwischen 
Betrachtungen über seine eigene Sündhaftigkeit und Schwäche 
im Alter (193), und greift dann noch einmal den Gedanken 
an den Kreuzzug auf, um einige Zeit dabei zu verweilen. 
Str. 196—203 mahnt er, das Kreuz zu nehmen, und preist es 
als das höchste Rettungsmittel für uns sündige Menschen; dann 
läßt er Str. 204—210 Warnungen vor dem ungerechten Reich¬ 
tum folgen, indem er sich abermals an den Wucherer wendet, 
der offenbar seiner Meinung nach der Buße am dringendsten 
bedarf; dazwischen stehn unvermittelt Str. 206, die nach¬ 
träglich eingeschoben sein muß (s. o.), und Str. 208 mit all¬ 
gemeinen Betrachtungen über die Allmacht des Todes. Daß 
ihn auch noch in diesem letzten Abschnitt der Gedanke an 
den Kreuzzug bei seiner Predigt erfüllt, geht aus den Wen¬ 
dungen Str. 205, v.4: „Ne crois ne te puet neteiier“ und Str. 209, 
v. 6: „Tu prens le crois d’iniquite“ hervor. 

III. Dieser gesamte II. Teil mit seinen im wesentlichen 
einheitlich durchgeführten Themen, die auch untereinander in 
Ideenverbindung stehn mit Ausnahme der Auslassungen gegen 
die Advokaten, bildet entschieden den Höhepunkt der Dich¬ 
tung, dem Aufbau wie dem Inhalt nach. Dagegen fällt der 
letzte feil, Str. 211 — Schluß, stark ab. Hier ergeht sich der 
Verfasser vorzugsweise in unverbundenen Betrachtungen über 
die Macht des Todes und die Nichtigkeit des irdischen Daseins, 
in Warnungen vor Leichtsinn und Sünde, denen sichere Strafe 
im Jenseits folgt, in Mahnungen zu einem bußfertigen und 


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86 


frommen Leben. Häufiger noch als im I. Teil verwendet er 
dabei Bilder und Vergleiche nüchterner und oft sehr platter 
Art aus dem täglichen Leben; aber kaum das eine oder andere 
davon trägt den Stempel eigner Anschauung und Phantasie; 
die weitaus meisten entstammen dem Formelschatz, der den 
Dichtern und Predigern jener Jahrhunderte gemeinsam ist und 
ihre Werke so oft unwahr und monoton erscheinen läßt. Den 
Mangel an Anschaulichkeit zfeigen am deutlichsten die Beispiele 
Str.273, v. 6—9 und 308, 7—9, die aus der Bestiarien- und Lapi¬ 
darien-Literatur herrühren. Weit seltener als im I. Teil wendet 
der Dichter sich in seiner Predigt gegen bestimmte Sünden 
und Mißstände, die ihn besonders geärgert haben (nur Str. 211 

—212, 218—219, 285, 239, 240—241, 245—250, 265, 281 
—284, 295, 303). Die meisten Strophen sind von recht inhalts¬ 
armer und ermüdender Allgemeinheit; man hat den Eindruck, 
als hätte der Verfasser das Wichtigste gesagt und schleppe das 
Werk nur noch so hin, weil er ihm keinen rechten Abschluß 
weiß. Wie in den früheren Teilen unterbricht er seine Predigt 
gelegentlich durch Betrachtung des Leidens Christi (I 79; 

II 130, 203; III 259, 293, 297), wendet sich in reumütigem 
und vertrauensvollem Gebet an die Muttergottes (II 126—129; 

III 270—271, 311) und bekennt in bußfertiger Gesinnung, daß 
er selbst in seiner Jugend leichtfertig drauf los gelebt hat, jetzt 
aber, da Alter und Schwäche ihn gefesselt halten, aufrichtig 
zu Gott hinstrebt (I 58, 97, 108 , 110 — 112 ; II 193; III 280 , 
Ende 268—269, 280). Ganz unvermittelt bricht die Dichtung 
ab. Hat der Verfasser ihr keinen Abschluß zu geben gewußt, 
oder ist ihm schließlich selbst der Tod zuvorgekommen, auf 
den er sich durch seine lange Büßpredigt vorbereiten wollte? 

Der innere und äußere Abstand zwischen den drei Teilen 
der Dichtung legt die Annahme nah, daß sie mit zeitlichen 
Unterbrechungen entstanden sind. Vielleicht ließ der Verfasser 
auch innerhalb der einzelnen Teile, namentlich des I. und III., 
sein Werk öfters auf kürzere Zeit ruhen. Nur von den größeren 
Abschnitten des II. Teils, Kreuzzugspredigt und Auslassung 
gegen die Wucherer Str. 121 —164, Angriff gegen die Advo- 


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katen Str. 168—185, zweite Kreuzzugspredigt und Mahnung 
an die Wucherer 196—210, kann man mit Sicherheit be¬ 
haupten, daß sie in einem Zug entstanden sein müssen. 

Es hat darum nichts Erstaunliches, wenn die Abfassung 
der einzelnen Teile der Dichtung in verschiedene Jahre ver¬ 
weist, wie man es oben sah. 

Teil I, Str. 1—120, läßt sich von Str. 104—5, dem Lebens¬ 
ende des Bertoul aus datieren; bis zu dieser Strophe, zu 
seinem größten Teil also, muß er vor Okt. 1266 abgefaßt 
worden sein. In diese Zeit gehört u. a. Roberts Mahnung an 
die Schöffen, ihren Amtseid zu halten (Str. 63), sein Vorwurf 
gegen Reims, die Metropole der Arras übergeordneten Kirchen¬ 
provinz, das sich durch Geldgier zu Gesetzwidrigkeiten in der 
Jurisdiktion verführen läßt (73), seine Bitte an den Tod, den 
König zu verschonen, weil dieser den habsüchtigen Klerus 
zum Guten ermuntert (74), seine Mahnung an den Bischof von 
Arras, Pierre II de Noyon, 1259 —1280 *), mit größerer Strenge 
gegen den Wucher in Arras einzuschreiten (75), die an den 
Papst Clemens IV. gerichtete Klage über die Habgier der Geist- 
lichkeit (93), die Sympathiekundgebung und Ermahnung an 
den abb6 d’Arras, Simon de Noyon (99); von sich selbst 
verrät der Dichter außer dem Namen (76), daß er alt und 
gebrechlich ist (58, 82, 108, HO). — Teil II, Str. 121-210, 
setzt dann erst nach der Kreuzzugsverkündigung des Königs 
vom 25. März des folgenden Jahres ein, und anscheinend nicht 
einmal in unmittelbarem Anschluß an jenes Ereignis. Im ersten 
Abschnitt, Str. 121—164, ermahnt der Dichter den Grafen 
Robert zu unnachsichtiger Bestrafung und Unterdrückung der 
Arraser Wucherer (Str. 148, 149, 150, 152, 154, 162). Dies 
und namentlich der Titel: „li sires d’Artois“, den er ihm gibt 
(Str. 162), weist darauf hin, daß der Graf damals bereits zur 
selbständigen Regierung gelangt war, was dem Brauch gemäß 
erst mit seinem Ritterschlag geschah, am 5. Juni 1267 a > Ein 


l ) Gallia Christiana III, col. 332 f. 
*) s. Guy, S. 181 u. Anm. 1 u. 2. 


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noch größerer Zeitabstand würde sich ergeben, wenn der Amts¬ 
antritt der Schöffen, auf deren unrechtliches Verhalten im Amt 
der Verfasser Str. 159 anspielt, mit absoluter Sicherheit unter 
die selbständige Regierungszeit des Grafen gesetzt werden 
müßte (s. o. Guy, § 2). Dann könnte die betreffende Strophe 
frühestens gegen Ende 1267 entstanden sein. — Ob sich an 
diesen Abschnitt die Auslassung gegen die Advokaten (Str. 168— 
185) und die zweite Kreuzzugsmahnung (Str. 196—210) un¬ 
mittelbar anschlossen, ist nicht zu ersehen. Soviel nur ist 
sicher, daß der gesamte II. Teil bis zum Schluß in die Zeit 
der Kreuzzugsvorbereitung gehört. — Das läßt sich von Teil III 
(Str. 211—812), in dem sich keinerlei historische Anspielung 
findet, nicht einmal mit Sicherheit behaupten. Doch spricht 
einige Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Dichter, der nach 
seiner eignen Aussage alt und sehr gebrechlich war, die Fort¬ 
setzung seines Werkes nicht ganze Jahre hindurch aufschob. — 
Zusammenfassend muß man sich damit begnügen zu sagen, 
daß die Dichtung um 1266/1267 durch mehrere Jahre hin¬ 
durch entstanden ist 

Da der Verfasser keinesfalls noch lange danach gelebt 
hat, ist es höchst wahrscheinlich, daß die Nekrolog-Eintragung 
gegen Ende 1272 *) sich auf ihn bezieht 


In Zusammenhänge ganz anderer Art als diese strengen 
Todes- und Bußgedanken führt der Name Robert le Clerc die 
beiden übrigen Male, die er in der Literatur begegnet. Wie 
man oben sah, stellt ein Arraser Spottvogel, der Verfasser 
der XVII. Lokalsatire, den Robert le Clerc an die Spitze der 
Pantoffelhelden seiner Vaterstadt Diese zweifelhafte Aus¬ 
zeichnung ist ihm vor März 1260 zugedacht worden, wie 
Guesnon 2 ) durch Heranziehung von Urkunden feststellt — 
Das andere Mal trifft man Robert le Clerc im Kreise der 


') Guesnon, M.-A. 1900, S. 18 Anm. 6. 
2) a. a. O., S. 20. 


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Partttrendichter. In jeu-parti R. 155, das Jehan Bretel und 
Fern gemeinsam gegen den Tresorier d’Aire und den Cuvelier 
ausfechten, wird ihm von ersteren die Entscheidung übertragen, 
letztere rufen den Pierre Wion an l ). Wann diese Partüre 
verfaßt ist, läßt sich nur ganz ungefähr aus den Namen der 
Beteiligten bestimmen. Bretel und Ferri, die auch als Partner 
des Robert de le Piere auf treten, haben aller Wahrscheinlichkeit 
nach ihre literarische Laufbahn noch im.2. Viertel des Jahr¬ 
hunderts begonnen. — Ueber die Persönlichkeit des Tresorier 
d’Aire ist überhaupt nichts weiter bekannt, als was aus 
seinem Titel hervorgeht: daß er das Amt eines Schatzmeisters 
an der Stiftskirche Saint-Pierre in Aire-sur-la-Lys bekleidete, 
das zur Diözese T6rouanne gehörte 2 ). Er tritt als Richter in 
2 weiteren Partüren auf 8 ), beide Male mit Dragon zusammen; 
möglicherweise ist er gleichbedeutend mit dem Tresorier, dem 
Thomas Erier 4 ) zwei seiner Lieder 6 ) widmet Daraus ergibt 
sich nur ganz allgemein, daß er in die Wirkungszeit Bretels 
gehört. — Ebensowenig vermag ich Genaueres zu sagen über 
die Lebenszeit des Jehan le Cuvelier oder Jehan Cuvelier 
(R. 1671). Eins von den 6 Liedern, die von ihm erhalten sind, 
ist dem reichen Arraser Bürger Wagon Wion gewidmet, der 
1265 Schöffe war, um die Wende 1272/3 starb 6 ). In den 
Partüren, worin er als Widerpart oder Richter auftritt, findet 
man ihn, mit Ausnahme von nur zweien 7 ), stets mit Bretel 
zusammen. Er könnte gleichbedeutend sein mit dem „Johannes 
Cuvellarius, burgensis de Bapalmis“, von dem man aus Arraser 

') Fauchet, S. 585 b; Passy, S. 474 VH. 

3) Die Urkunden aus den Jahren 1241—98, die in dem „Recueil 
de Chartes en langue vulgaire provenant des archives de la coll6giale 
de Saint-Pierre d’Aire“, Bibi. £c. Ch., 31, S. 261 ft, veröffentlicht sind, 
bringen keine Notiz über einen Tresorier dieser Kirche. 

3) R. ß92 und 1888. 

*) Zu diesem s. Gröber, S. 9ÖO—1; u. R. 1191. 

6 ) R. 1190 und 1308. 

®) Guy, S. 100 Anm. 3, u. Jeanroy-Guy S. 150, faßt ihn fälschlich 
als zur Familie Wagon gehörig; Guesnon, M.-A. 1900, S. 143 Anm. 2. 

7 ) R. 692 u. 1671. 


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Urkunden von April und Mai 1258 erfährt,, daß er Ländereien 
in der Nähe von Arras gepachtet hatte 1 ). Dagegen spricht 
natürlich nicht, wenn mehrere Hss. seinem Namen die Bezeichnung 
„d’Arras“ hinzufügen 9 ); das deutet höchstens darauf hin, daß 
die betreffenden Eintragungen außerhalb von Arras gemacht 
worden sind. Uebrigens scheint er ein sehr angesehener 
Bürger gewesen zu sejn; das geht hervor aus dem Titel „Sire a , 
den Sire Gamart ihm in jeu-parti R. 1671 einmal gibt 9 ). — 
Pierre Wion, der zweite Richter in Partüre R. 155, gehört 
einem weitverzweigten und sehr angesehenen Arraser Geschlecht 
an. Eine Urkunde von 1248 zeigt seine kaufmännische Tätig¬ 
keit 4 ). Da sein Sohn und andere Mitglieder seiner Familie 
bedeutende Bankiers waren, darf man ohne weiteres annehmen, 
daß auch er, wie wohl alle Arraser Großkaufleute übrigens, 
Bankgeschäfte betrieb. Er ist einer von den 12 betrügerischen 
Schöffen, denen die Hauptschuld an dem großen Arraser 
Steuerskandal zugemessen wird 6 ). Als solcher war er vor 1260 
im Amt; auch 1263 findet man ihn als Schöffen wieder. Er 
starb gegen Okt. 1268 6 ). Wahrscheinlich war er ein Gönner 
des Dichterkreises. In zwei weiteren Partüren 7 ) wird er zum 
Schiedsrichter ernannt, und Jehan Erart wendet sich am Schluß 
seines Klageliedes auf den Tod seines Freundes und Gönners 
Gherart Aniel 8 ) an ihn und Wagon Wion, wohl in der Hoffnung, 
bei diesen beiden Ersatz für seinen Verlust zu finden. Nach 


] ) Guesnon, M.-A. 1902, S. 162 Anm. 1; dass. Cartulaire de l’Evtdiä 
d’Arras, S. 210. 

*) Hs X, fol. 180 c; C, fol. & v°; vgl. Passy, S. 6. 

®) A. Jubinal, „Lettres ä Salvandy“ Paris 1846, S.92-4: „Par le foi 
ke je vous doi, / Sire Jehan Cuvelier“; eb. in Hs. Vat. fs. Christ. 1522, 
fol. I56v°, Photographie; dagegen hat Siena, f. 52v° einen Fehler: 
„Par le foi ke je vous doi / dire Jehan Cuvelier“, s. Archiv 88, S. 357. 

4 ) Jeanroy-Guy, S. 152; dazu vgl. „Invent. sommaire“ p. Richard, 

S. 17. 

5 ) Jeanroy-Guy, XXIV v. 217. 

®) Guesnon, M.-A. 1900, S. 149 Anm. I, 153 Anm. 2, 154. 

7) R. 875 u. 918. 

«) R. 485. 


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91 


den oben genannten Daten und der wahrscheinlichen Zeit¬ 
bestimmung des Jehan Erart (s. S. 38) kann man diese 
Ehrungen von Seiten der Dichter nur ungefähr in die mittlereren 
Jahrzehnte des Jahrhunderts ansetzen. — Es läßt sich also 
vorläufig nichts Genaueres sagen, als daß Partüre R. 155 
irgendwann zwischen den 40 er Jahren und 1268 (dem Todes¬ 
jahr Pierre Wions) entstanden ist. 

Der Zeit nach ist also durchaus die Möglichkeit gegeben, 
daß der Robert le Clerc der drei Denkmäler derselbe sei. 

4 

Auch das Wenige, was aus den Vers und der Lokalsatire über 
seine Lebensumstände hervorgeht, ließe sich in Einklang 
bringen. Aus Str. 159 der Vers de le mort, worin der Ver¬ 
fasser so energisch die Partei der um ihre Steuerfreiheit 
kämpfenden Kleriker ergreift, geht deutlich hervor, daß er 
selbst wirklich Kleriker war, was zu jener Zeit, wo die Bei¬ 
namen mitunter schon zu Familiennamen erstarren, nicht ohne 
Weiteres selbstverständlich ist 1 ). Da die ausdrückliche Hinzu¬ 
fügung „clerc“ beim Namen den Kleriker niederen Grades 
bezeichnet 2 ), hat es nichts Auffälliges, wenn man einen solchen 
als verheiratet wiederfindet wie in Stück XVII. — Sämtliche 
AuduYns der Lokalsatire, demnach vermutlich auch ihr doyen 
Robert le Clerc, sind angesehene und vermögende Arraser 
Bürger 8 ), sonst hätte das Spottgedicht ja auch viel weniger 
Reiz für das Publikum. Dazu scheint zu passen, daß der 
Verfasser der Vers de le mort seine grant borse erwähnt, die 
durch die Schuld der Advokaten klein geworden sei (Str. 170). 
Die Tatsache, daß er in der Lage war, in Prozeß-Angelegenheiten 
die kostspielige Reise nach Rom zu unternehmen, bestätigt, 
daß er von Haus aus nicht" unvermögend sein konnte 4 ). — 

] ) vgl. „Inventaire sommaire“ p. Richard, S. 26 a: „Jehan le Clerc, 
fils de Nicolas le Clerc, bourgeois d’Hesdin“, Nov. 1262. 

*) Socin, S. 601. 

8 ) Guesnon, M.-A. 1900, S. 17 ff. 

4 ) Lieber Prozeßunkosten vgl. Fournier S. 8*>, 230; über Appelieren 
nach Rom s. Gottlob, S. 235. 


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Dagegen besteht ein gewisser innerer Widerspruch zwischen 
der Partüre und den Vers de le mort. Der Abstand ist groß 
zwischen dem Arraser Dichterkreis, in dem die Geldaristokraten, 
von denen viele als Bankiers nachgewiesen sind, hohes Ansehn 
genossen, und andererseits der Auffassung des Verfassers der 
Vers, der die usuriers in Grund und Boden verdammt und von 
sich selbst sagt (Str. 148): „Les Bertoulois vieng desmonter / 
Qui, par reube et par forconter, / Ont tant amasse que c’est 
hontesl“ Aber wer sagt uns, daß aus dem Dichter der Haß des 
sozial minder Begünstigten gegen die Reichen spricht, ob es 
nicht vielmehr die fanatische Frömmigkeit und asketische Stim¬ 
mung eines Mannes ist, der aus irgend einem Anlaß in vor¬ 
gerücktem Alter zur inneren Umkehr gelangte? Der Verfasser 
der Vers verrät uns so wenig von seinem eigenen Erleben, 
daß die letztere Deutung immerhin in Frage kommt. 

Der Möglichkeit einer Gleichbedeutuhg der drei Namen 
steht aber andererseits die weite Verbreitung des Beinamens 
„le Clerc“ gegenüber. In Arras, wo der Bischofssitz und die 
Abtei von Saint-Vaast die Entfaltung geistigen Lebens so sehr 
begünstigten, war die Zahl derer, die einmal die Anfänge einer 
geistlichen Ausbildung genossen hatten, besonders groß. Es 
ist sehr wohl möglich, daß dort zu jener Zeit, da der erbliche 
Familienname noch nicht die Regel war, gleichzeitig mehrere 
Kleriker Namens Robert ihre Standesbezeichnung als einzigen 
Beinamen führten. Dabei darf man nicht erwarten, daß die 
Verfasser von Lokalsatiren oder von jeux-partis den betreffenden 
Robert le Clerc, den sie meinten, nun dem Namen nach, etwa 
mit einem charakterisierenden Beiwort, besonders kenntlich 
gemacht hätten. Man hat zahlreiche Beispiele dafür, daß so¬ 
wohl die in den „Chansons et Dits Artösiens“ aufgeführten 
Persönlichkeiten wie die Schiedsrichter in den Partüren ganz 
ungenau bezeichnet werden, so scheint es wenigstens uns 
Fernstehenden. Besonders oft geschieht dies durch den bloßen 
Taufnamen oder durch den Taufnamen in Verbindung mit 
einem Titel; vgl. in Stück I Ghilebers, maistre Wike; XIX Me 
sire Bauduins et me sire Sawales; II und XXIV Audefroi, 


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XIII Sire Audefroi; in den Partüren: Maistre GüiHaume, Maistre 
Adan, Sire Ermenfroi, Sire Audefroi, Copart, Phelippot, Bertran, 
Perrin, Jaket, Robert usw. Doch muß man sich vergegen¬ 
wärtigen, daß dem zeitgenössischen Publikum, für das die be¬ 
treffenden Denkmäler bestimmt waren, daraus keine Schwierig¬ 
keit erwuchs; es gehörte demselben Interessenkreise an und 
war so vertraut mit den Verhältnissen, daß es keinen Augen¬ 
blick zweifeln konnte, welcher Ermenfroi, welcher Robert da 
gemeint sei. — Unter diesen Umständen wird man also 
schwerlich zu einer Gewißheit darüber kommen können, ob 
in dem jeu-parti und der Satire der Verfasser der Vers de le 
mort gemeint ist; immerhin muß man die Möglichkeit in Be¬ 
tracht ziehn, wenn man sich später der Frage zuwendet: Ist 
der Verfasser der Vers de le mort, Robert le Clerc, gleich¬ 
bedeutend mit dem Lieder- und Partürendichter Robert de 
Castel ? 


Was erfährt man über Robert de Castel aus seinen 

Werken und aus anderen Denkmälern jener Zeit? 

Unter seinem Namen sind folgende 6 Lieder überliefert: 

R. 43, (I), abgedruckt nach Z von Steffen, Archiv 88, S. 382; 

R. 913, (II), abgedruckt nach Z von Steffens, Archiv 88, S. 331 f; 

veröffentlicht nach a von Keller, S. 272 f; danach von 
Maetzner, S. 28; Envoi veröffentlicht nach R 2 von 
P. Paris, Hist, litt XXIII, S. 751; 

R. 1277, (III), abgedruckt nach Z von Steffens, Archiv 88,S. 882 f; 

R. 1568, (IV), in phototypischer Wiedergabe nach K bei Aubry- 

Jeanroy, p. 282; abgedruckt nach Z von Steffens, Ar¬ 
chiv 88, S. 329; 

R. 1722, (V), in phototypischer Wiedergabe nach K bei Aubry- 

Jeanroy, p. 275—6; abgedruckt nach Z von Steffens, 


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Archiv 88, S. 881; herausgegeben nach N von Dinaux, 
III, S. 424!; 

R. 1789, (VI), findet sich außer in den bei G. Raynaud ver- 

zeichneten Hss.-Stellen in Hs. M., fol. 161 c, von einer 
späteren Hand eingetragen 1 ) (s. S. 18); in photo¬ 
typischer Wiedergabe nach K bei Aubry-Jeanröy, 
p. 258—9; nach U bei Meyer-Raynaud, fol. 169 v°; 
abgedruckt nach C von Brakeimann, S. 845 f; nach Z 
von Steffens, Archiv 88, S. 828; herausgegeben nach 
N von Dinaux, III, S. 422 f. . 

Wie mir ein photographischer Abzug zeigt, hat der 
Schreiber von Hs. X vor Lied IV über dem Verfassernamen 
„Robert dou chastel“ eine Krone eingezeichnet, in die er das 
Wort „coronee“ schreibt, zum Zeichen; daß dieses Lied im 

4 

Puy gekrönt worden ist*). Claude Fauchet 8 ) berichtet, daß die 
beiden Lieder VI und IV, von denen er einen Auszug wieder¬ 
gibt, den Rand vermerk „Coronee“ tragen. Fauchet schöpft 
das Liedermaterial zu den 64 ersten Dichtern in seinem 
„Recueil“ aus einer Handschrift des Staatsrats Henry de 
Mesmes, seigneur de Roissy 4 ), die uns verloren ist; sie stimmt 
dem Inhalt nach mit keiner der uns erhaltenen Liederhss. 
vollkommen überein, zeigt aber nahe Verwandtschaft mit der 
Gruppe S n <p und besonders der Teilgruppe v } im einzelnen 
steht sie teils X, teils K, teils N näher; für die jeux-partis 
benutzt er eine Hs. des Advokaten Matherel 6 ;, ebenfalls ver¬ 
loren gegangen, die unserer Hs. b offenbar sehr nahe stand. 
Daß auch Lied VI den Preis davongetragen hätte, wie Fauchet 
bezeugt, erscheint durchaus wahrscheinlich, denn keines der 
übrigen Lieder ist in annähernd so vielen Hss. überliefert; auch 


*) j.-B. Beck, Die Melodien d. Troubadours, Straßbg. 1908, S. 140. 
*) Diese Sitte bezeugt Jehan de Renti, R. 865, Ausg. Spanke, 
Z. I S. L. 32,1, S. 198 f. 

») Fauchet, S. 575 b. 

4 ) Fauchet, S. 564 r°. 

5 ) Fauchet, S. 584 r°. 


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die später erfolgte Eintragung in Hs. M spricht für seine Be¬ 
rühmtheit 1 * * ). 

Passy*) will Robert de CasteU weitere Lieder, R. 1466,1639, 
1788, 60 zuschreiben, sämtlich nur in Z überliefert, von denen 
die 3 ersten zwischen andern Liedern des R. de Castel, das 
vierte im Anschluß an sie eingetragen ist, ohne Verfassernamen, 
wie alle Lieder dieser Handschrift Passy stützt seine Zu¬ 
weisung auf das Geleit von R. 1639: 

„Chancons, oir et veoir 
Te fai ou Robers repaire 
De Castel, pour percevoir 
Se loiautäs puet valoir“, 

das, wie er glaubt, an die Gattin des Dichters geht. Der Text 
beweist aber klar, daß R. de Castel der Adressat des betreffenden 
Liedes ist, wie schon Schwan 8 ) bemerkt. Es ist daher offenbar 
höchst gewagt, auf Grund der Stellung dieser Lieder etwas 
über ihre Verfasser aussagen zu wollen 4 ). 

Außer den 6 Liedern gehört dem R. de Castel mit Sicher¬ 
heit eine Partüre zu, in der Jehan Bretel ihn mit Namen an¬ 
ruft: „Robert de Chastel, biau sire“; es ist R. 1505 (VII), ver¬ 
öffentlicht nach a im Anhang; v. 6—10,13—14 bei Passy, S. 806. 

l ) Faudiets Notiz aus dem Recueil, S. 575 b, findet sidi verkürzt 
wieder in Hs. a, die zeitweise in Faudiets Besitz war, und zwar von 
einer modernen Hand (von Fauchet selbst?) eingetragen. Dort steht 
auf tot 6l.r°, das seit Verstümmelung der Hs. den Anfang der Lieder 
des R:'de Castel darstellt, auf dem unteren Rande: „Des anciens poetes 
francois Livre 2" (d. i. die laufende Seitenüberschrift in Faudiets Werk), 
darunter Faudiets Notiz, worin aber das auf Lied IV und jeu-parti VII 
Bezügliche ausgelassen ist; fol. 168 v®, wo jeu-parti VII anfängt, ist, 
vielleicht von derselben Hand, aber flüchtiger, schräger, und mit mehr 
Ligaturen, unten eingetragen: „Fauchet, de Robert de Chastel”, darauf 
die noch stärker verkürzte Notiz. Es ist klar, daß diese Eintragungen 
erst nachträglich aus dem „Recueil” herübergenommen sind, und nicht 
umgekehrt Anmerkungen Faudiets zu der vorliegenden Hs. darstellen, 
wie Jeanroy, Rom. 33, S. 425 Anm. 1 von einer ähnlidien Notiz behauptet. 

*) Passy, S. 480 f. 

*) Schwan, S. 57. 

4 ) vgl. Steffens, „Perrin v. Angicourt, S. 91 f. 


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Ob ihm noch weitere jeux-partis zugewiesen werden dürfen, 
erscheint mir zum mindesten fraglich. Rud. Berger möchte die 
beiden Partüren R. 289 und R. 871 für ihn in Anspruch nehmen, 
ohne seine Annahme genauer zu begründen. In R. 289 stehen 
dem sprachliche Gründe entgegen, wie ich oben zeigte (s. 
S. 20). — In R. 871*) ist es anscheinend die von Robert 
gebrauchte Wendung v. .17 f: .Copart, a loi de clerc voles 
ouvrer / Kant boin vos sanle que gagent autre gent“, die 
Berger dazu veranlaßt, das jeu dem Kleriker R. de Castel zu¬ 
zuschreiben 1 ). Diese Aeußerung, in der offenbar dem Kleriker¬ 
stand ein kleiner Hieb versetzt werden soll, wird aber gerade 
umgekehrt schwerlich von einem Kleriker getan worden sein, 
vielmehr wird der Copart, an den sie sich richtet, zu den 
Klerikern gehören. Solche persönlichen Seitenhiebe sind in 
den jeux-partis sehr beliebt So wie das Lied überliefert ist -- 
es steht nur in Hs. a — widerspricht außerdem die epische 
Cäsur in v. 52 und vielleicht auch in v. 18, die sich bei 
R. de Castel nie findet, der Annahme Bergers. 

Wie man oben sah, widmet ein anonymer Dichter, der 
bei R. d. C. Verständnis für die höfische Kunst voraussetzt, 
ihm sein Lied R.1689. Ferner findet man ihn mit seinem vollen 
Namen als Richter in jeu-parti R. 1851 1 ). Wenn aber Passy 4 ) 
berichtet, daß R. de Castel als dritter Richter in R. 494 steht, 
so wiederholt er den Fehler von Hs. a, ohne zu bemerken, 
daß es sich hier abermals um die envois aus R. 1851 handelt. 
Hs. a fol. 179 bringt richtig den Text von R. 494 6 ) bis" zur 
letzten Zeile; beim drittletzten Wort gerät sie plötzlich in den 

Text von R. 1851, Str. 5, v. 4, das sie fol. 154 v° — 155 r° be- 

% 

reits einmal ganz gebracht hatte (= a *), und 'gibt das nun 
Folgende bis zum Schluß wieder, jedoch nach einer andern 


') Herausgegeben von Fiset, S. 532 f. 

«) Rud. Berger, S. 284, 877. 

^ Steffens, Archiv 88, S. 856—7. 

4 ) Passy, S. 497 Anm. 1. 

6 ) Herausgegeben nach Q von Coussemaker, S. 157 ff. 


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Vorlage (== a*). Die 8 Hss. von jeu»parti R. 1851, a 1 , a a , Z, 
die Textverschiedenheiten aufweisen, besonders hinsichtlich 
der Namen der Schiedsrichter, lassen sich nicht eindeutig 
gruppieren, und man kann nicht einer unbedingt den Vorzug 
vor den beiden andern geben, a* hat gegenüber a 1 und Z 
einen Fehler iii der letzten Zeile von Str. 5 (eil ki cou prent 
fait savoir —, a 1 u. Z: eil qui [ki] tout prent fait savoir); 
Z ebenso gegen a 1 und a a , Str. 5, v. 6 (cui anuie al drok 
ki boit — a 1 : eil en jue a droit ki boit, a*: diil en jue 
au droit ki boit), ferner steht in Z als erster Schiedsrichter 
.Merci“, während a 1 und a* „Fern* nennen; a 1 schreibt Str. 6, 
v. l „Bretel“, gegen „Sire“ in a* und Z, und bringt als zweiten 
Schiedsrichter „Demisele Oede", während a a und Z „Robert 
de castel“ haben. Was die Abweichung der Hss. in Bezug 
auf die Namen der Schiedsrichter anbelangt, so ist dies eine 
in den Lieder-Hss. häufig zu beobachtende Erscheinung 1 ). Man 
kann im Zweifel sein, ob es sich dabei um verschiedene 
Redaktionen eitles jeu-parti durch die Verfasser selbst 9 ) oder 
um Aenderungen von Seiten eines Schreibers handelt Selbst 
wenn letzteres der Fall war, möchte ich annehmen, daß der 
Schreiber, der solche Namens-Vertauschungen vomahm, dem 
Dichterkreis selbst noch nah stand, sodaß man nicht zu be¬ 
fürchten braucht, Namen nebeneinander zu finden, deren Träger 
nicht auch im Leben zusammen anzutreffen waren. Ich trage 
also jeu-parti 1851 zufolge kein Bedenken zu glauben, daß 
R. de Castel sowohl mit Fern wie mit Merci zusammen von 
Bretel und Grieviler zum Schiedsrichter in ihren jeux-partis 
erwählt werden konnte. 

Die Lieder R. de Casteis sind für die literarhistorische 
Forschung wenig ergiebig, da er in keinem einen Adressaten 
nennt Mit Ausnahme von III, zu dein kein Geleit überliefert 

ist, sendet er sie regelmäßig an seine Herrin, um ihr seinen 

* # 

__ __ ___ • 

O s. Fiset, S. 469—71; zu ergänzen': R. 1925, Passy, S. 26 XIII u. 
493; R. 297, Passy, S. 829II und Archiv 88, S. 850; R. 1881, Passy, S. 824. 

*) Verschiedene Redaktionen eines Liedes sind nichts Ungewöhn¬ 
liches, vgl. Reinh. Schmidt, Hall. Diss. 1908, „Andrieu Contredit“, S. 29. 

7 


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— 98 — 

Schmerz und seine grenzenlose Ergebenheit zu versichern, ihre 
hohen.Vorzüge zu preisen und in Demut die Hoffnung auf 
Lohn auszusprechen; der einzige Name, der darin vorkommt, 
ist sein eigner in Lied II. — Als Material zur Untersuchung 
bleiben demnach nur die beiden jeux-partis R. 1505 u. 1351. 

Roberts Partüre R. 1505 läßt sich bloß ganz ungefähr durch 
den Namen seines Partners Jehan Bretel zeitlich abgrenzen, dessen 
literarische Tätigkeit sich zwischen dem 2. Viertel des jhts. und 
1272 abspielte (s. S. 22 ff.). Daß die Wirkungszeit von dessen 
Richter, Cuvelier, diesem Zeitabschnitt in etwa entsprechen muß, 
sah man oben (s. S. 89 f.). Ganz ähnlich verhält es sich mit 
Gaidifer, dem Robert die Entscheidung überträgt. Er hat eine 
Reihe von Liedern hinterlassen, davon eins, R. 2054, von 

• 0 

Lambert Ferri in seinem serventois R. 2053 nachgeahmt wurde 1 ); 
zweimal ist er als Partner Bretels in Partüren*) überliefert, 
dann tritt er uns noch einige Male als Schiedsrichter in Par¬ 
türen entgegen, stets mit Bretel zusammen. Vier von diesen 
jeux-partis®) sind wegen des Auftretens des Perrin [d’Angi- 
court] mindestens vor 1269 zu setzen, nach Steffens’ und 
Guesnons Ansicht sogar ins 2 . Viertel des Jahrhunderts (s. 
S. 28 f.>. Daß er der Partner von |König Tiebaut von] Navarra 
in jeu-parti R. 1666 ist, wie Raynaud 4 ) annehmen möchte, ist 
vollkommen unerwiesen und hat keine Wahrscheinlichkeit für 
sich. Ueber seine Lebensumstände ist ebenfalls nur wenig 
bekannt Das Register der Hs. a bezeichnet ihn als „clerc“ 6 ). 
Guesnon 0 ) entnimmt der Hs. C, daß er aus Avions, 14 km 
von Arras stammte; in urkundlichen Belegen hat er ihn nicht 
angetroffen. 

*) s. B6dier in MSlanges Willmotte, Paris 1910, S. 903 f. 

*)"R. 1071 u. 1121. 

®) R. 295, 546, 1121, '1926; die beiden letzteren tragen Perrins 
Namen nidit in allen Hss. 

*) Bibi. fic. Ch. 41, S. 208.— 

6 ) Passy, S. 6 u. 883; Keller, S. 269 f. 

«) Guesnon, M.-A 1902, S. 143 f. 


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In Partüre R. 1351 wird R. de Castel von Grieviler zum 
Richter gegen Sire Bretel ernannt. Vielleicht verweist dessen 
Name dieses jeu-parti in eine frühere Zeit, als der Name 
Bretels es bei den meisten Partüren vermag; allerdings ist 
eine Gewißheit dafür vorläufig nicht vorhanden. Jehan de 
Grieviler, meist einfach Grieviler genannt, hat mehrere Lieder 
hinterlassen und begegnet in zahlreichen Partüren, und zwar 
mit Ausnahme von nur zweien 1 ) stets in Bretels Gesellschaft 
Vier von den jeux-partis s ) muß man wegen der Beteiligung 
Perrins mindestens vor 1269 ansetzen. Ein sicheres Zeugnis 
dafür, daß Grieviler bereits um die Mitte des Jhts. literarisch 
tätig war, erwächst aus seiner Partüre R. 258 mit Bretel, die 
zufolge der Anspielung auf „le were en Hollande“ in der 
2. Hälfte 1253 oder wenige Jahre später entstanden sein muß, 
und aus R. 668, das noch vor 1258, zu Lebzeiten Tiebauts 
von Navarra verfaßt wurde (s. S. 24 ff.). — Passy 8 ) hält 
Jehan de Grieviler irrtümlich für einen Ritter und nennt ihn 
v „Messire“. Diese Annahme geht einmal auf eine falsch inter- 
punktierte Textstelle aus R. 942 zurück 4 ), was schon Guesnon 5 ) 
bemerkt Ferner stützt sie sich auf jeu-parti R. 1890, wonach 
ein „pofete anonyme“, d. i. Bretel, nach Passys Wiedergabe 
den Grieviler mit „Sire“ anreden soll 6 ). Aber der Text zeigt, 
daß die betreffende Strophe gleichwie die vorhergehende 
Grieviler Selbst zugehört, der angeredete „Sire“ ist wieder 
Bretel; dazwischen muß eine Strophe ausgefallen sein. — 
Guesnon erbringt den Beweis, daß Grieviler Kleriker war. 
Er findet ihn als „Johannes de Qrieluier“ = Grieviler unter den 
16 verheirateten Arraser Klerikern wieder, die gegen Ende 1258 
(Guesnon schreibt „le 28 janvier 1264“) im Namen des gesamten 


>) R. 690 u. 692. 

*) R. 546, 978, 1838, 1925. 

») Passy, S. 14, 15, 34, 466. 

<) a. a. O. S. 16; dagegen gibt Passy, S. 328, im Zusammenhang 
die Stelle ganz richtig wieder. 

6 ) Guesnon, M.-A. 1902, S. 162 ff. 

6) Passy, S. 38, XXVIII. 


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— 100 — 

niederen Klerus ihrer Vaterstadt beim Bischof eine Klag- 
schrift über ihre Heranziehung zu den städtischen Steuern 
und Abgaben niederlegten. Es ist die nämliche Angelegenheit, 
die uns schon aus den Vers de le mort bekannt ist Nadi 
gründlichen Verhandlungen zuerst vor dem Bischof von Arras, 
dann vor der römischen Kurie, wurde sie zum vorläufigen 
Abschluß gebracht durch den Gerichtsspruch der Kurie vom 
28. Jan. 1264, denselben, auf den sich R. le Clerc beruft, Uber 
den andererseits die clercs bigames im Jeu de la Feuillee Klage 
führen ($.. S. 72 ff.). Gehört auch Grieviler zu denen, die Ursache 
hatten, mißvergnügt zu sein, da die Kirche sie fallen ließ, oder 
zählt er zu den ehrbaren verheirateten Klerikern? Man weiß 
es nicht 1 ). — Nach einer Notiz Guys erhebt sich die Frage, ob 
Grievilers Laufbahn in den 50 er Jahren nicht sogar schon zu Ende 
ging. Guy findet Grievilers Namen in dem artesischen Nekrolog 
verzeichnet: einmal fol. 17 v°, Okt 1240*); dann anscheinend 
ein zweites Mal 8 ) fol. 22v°, d. i., wie ich nur vergleichsweise 
und annähernd aus andern Nekrolog - Angaben 4 ) ermitteln 
kann, gegen 1254/1255. Der erstere Jean de Grieviler muß 
einer früheren Generation angehören. Wenn die zweite 
Nekrolog-Angabe richtig gelesen ist, so bestände die Möglich¬ 
keit, daß sie unsern Grieviler betrifft; ich sehe wenigstens 
keinen ernstlichen Gegengrund. Die mutmaßliche Datierung 
Schultz-Goras für R. 942, darin Grieviler als Richter beteiligt 
ist, auf die Zeit zwischen Sept. 1271 und Sept. 1272 6 ) würde 
sich umstoßen lassen. Sollte sich diese Möglichkeit bestätigen, 


*) s. Guesnon, M.-A. 1902, S. 162-4. 

*) nach Guy, S. 37 Anm. 8, u. Raynaud, Bibi. £c. Ch. 41, S. 201; 
ist 1289 zu lesen? 

») Guy, S. XXXIU. 

^ „pro bono Bretel Jehan“ fol. 19 (Guy, S. 39) = 1244. 2 16 (Gues¬ 
non, M.-A. 1902, S. 168); — „Jean Erard“ fol. 28 v° (Guy, S. 87, Anm. 6) 
= 1258. 2** oder 1259. l'° (M.-A. 1902, S. 159); — Adam Esturion „est 
cit§ ds. le ms. 8541 f. 28 ä l’annSe 1258“ (nach Jeanroy-Guy, S. 125), 
also wohl 1257. 

5 ) Sdiultz-Gora, S. 93 f. 


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101 


daß der Lyriker Jehan de Grieviler Mitte der 50er Jahre aus 
dem Leben schied, so wäre damit zugleich etwa die Hälfte 
der Partüren, in denen Bretel auftritt, und der dritte Teil der 
jeux-partis von Adan de Ie Haie als vor dieser Zeit entstanden 
festgelegt. Es verlohnte also zum mindesten eine Nachprüfung 
des Nekrologs. — Zu beachten wäre dann noch, daß unser 
jeu- parti R. 1851 mehr gegen Ende als zu Anfang von 
Grievilers literarischer Wirkungszeit entstanden ist, nach der 
Wendung, mit der Bretel es einleitet: „Grieviler, par maintes 
fies / Ai demandö et parti / A vous de pluseurs parties, / Or 
respondös a cestil“ 1 ) — Es um die Mitte des Jhts. anzusetzen, 
hindern ebensowenig die Namen der andern Personen, die 
darin neben R. de Castel als Richter auftreten. Es sind nach 
Hs. a* Ferri, den man als Sangesgenossen des Robert de le 
Piere kennen lernte, nach Z ein Merci, der schwer zu be¬ 
stimmen ist. Ist er gleichzusetzen mit dem Raoul de Mercis, 

# • 

den man in dem Dichterkreis von Bar wiederfindet? Ohne 
weiteres ablehnen möchte ich das nicht. Wenn „Merci“ wohl 
auch ursprünglich der Name des Herkunftsortes war 8 ), so 
könnte es doch schon zum Rufnamen geworden sein; man 
vergleiche „de Grieviler“ — „Grieviler“. Daß überhaupt 
Beziehungen zwischen dem Dichterkreis von Arras und dem 
von Bar bestanden, wird durch die Partüre zwischen Rolant 
[de Rains] und Perrin [d’Angicourt], R. 1759®), wahrscheinlich 
gemacht Lubinski hat über Raoul de Mercis nichts ermitteln 
können. Genau zu umgrenzen ist seine literarische Wirkungs¬ 
zeit nicht, da wir ihn nur einmal als Richter finden, in R. 917, 
zusammen mit Jehan de Bar, der nach Lubinskis Ansicht 
Sohn des Herzogs Thibaut II. (1240—96) wäre, und nicht vor 
Mitte der 70er Jahre gesungen haben könnte, und mit Rolant 
(de Rains), dessen Tätigkeit nach Lubinski etwa in die Zeit 


') Steffens, Archiv 88, S. 356. 

*) Es gibt mehrere Orte dieses Namens in Lothringen, 
s) s: Lubinski, Rom. Forsch. Bd. 22, H. 2. 1908, S. 511 f.; Steffens, 
„Perrin v. Angicourt“, S. 22 Anm. 1. 


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102 


zwischen 1250^1280 zu setzen ist 1 ). Gerade wie beiRolant 
konnte dieses jeu-parti in Raoul de Mercis’ spätere Zeit gehören. 
Doch zu irgendwie sicheren Ergebnissen läßt die mangelhafte 
Ueberlieferung hier nicht kommen. 

Ich kann demnach die Zeit, während der R. de Castel im 
Arraser Dichterkreis eine Rolle spielte, vorläufig um nichts 
genauer bestimmen, als daß sie innerhalb der Wirkungszeit 
Bretels liegt; ob mehr zu Anfang oder mehr gegen Ende 

dieser Periode, bleibt bisher noch ungewiß. 

# 

Außerhalb der chansons und jeux-partis findet man R. de 
Gasteis Namen in noch einem literarischen Denkmal: in dem 
Cong6, den der Arraser Spielmann Baude Fastoul, an seine 
Freunde und Gönner richtete, als seine traurige Krankheit ihn 
zwang, sich aus der Gemeinschaft des bürgerlichen Lebens 
zurückzuziehen. Wie Guesnon endgültig festgelegt hat 9 ), ge¬ 
schah dies zwischen April und Okt 1272. V. 198 ff. nimmt 
Fastoul Abschied von einem in der Cite, der Bischofsstadt, 
wohnhaften Kleriker Jaquemon und von „Robert de Castel, 
qui bloise“ (der stottert), die beide seine unglückliche Lage 
kennen und Mitleid mit ihm haben *). Wie bereits die älteren 
Literarhistoriker übereinstimmend bemerken 4 ), könnte hier wohl 
unser Liederdichter gemeint sein. Der Sprachfehler, der ihm 
nach Fastoul anhaftet, brauchte seine Zuhörer nicht mehr zu 
stören, als er z. Bsp. den Lütticher Priester Lambert le bfegue 
behinderte, von dem berichtet wird, daß er den „textores et 
pellifices“ predigte und für sie das Leben Mariae und die 
Apostelgeschichte in romanische Verse übertrug 6 ). — Dagegen 
möchte ich glauben, daß der Robert de Castel, den Guy über 
80 Jahre später im artesischen Nekrolog verzeichnet findet, 


‘) Lubinski, a. a. O., S. 511,622. 

*) Ouesnon, MSlanges Wilmotte, S. 737 ff. 

*) Barbazan-M6on I, S. 118. 

«) Dinaux III, S. 421 I; P. Paris, Hist. litt. 28, S. 761 f; Passy, 
S. 906 ». 

6 ) s. Pirenne-Arnheim, S. 401 u. Anm. 1. 


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einer späteren Generation als der utisrige angehört Guy sagt 
einmal ’), daß Robert du Chätel im Nekrolog fol. 85 r° ein¬ 
getragen sei, d. i. f wie andere Angaben 2 ) zeigen, zwischen 1808 und 
1306 nach Guys Lesart. Später 8 ) bringt er unter Robert de Caätel 
folgenden Verweis: „Reg., 1804, Pent et S.-Remi; ibid„ 1807: 
«de Castel dans Robers*.“ (Lauten die beiden ersten Eintragungen 
au! den gleichen Namen wie die dritte?) Offenbar war der Tauf¬ 
name „Robert“ in der Arraser Familie „de Castel? erblich. Im 
Jahre 1382 findet man abermals einen „sire Robert du Castel*. 4 ) 

Auch unserm Liederdichter wird von Bretel der Titel 
„Sire“ gegeben (VII, R. 1505). Nicht auf Grund dessen, 
daß er Kleriker war, wie die Hs a bezeugt, konnte dies 
geschehn, denn an sich entbehren die niederen Kleriker 
dieses Prädikats durchaus 6 ); vielmehr weist es darauf 
hin, daß er einem ratsfähigen Geschlecht angehörte, da von 
den Bürgern die Patrizier allein so betitelt wurden 6 ). Dieselbe 
Standesbezeichnung, die mit dem „dans,“ dominus, des Ne¬ 
krologs gleichbedeutend ist, begegnet noch bei ändern Gliedern 
der Familie; vgl. Sire Nicole du Castel, Bürger von Arräs, 
in einer Urkunde von 1252 7 j; Sire Ettor du Castel, 1882®). 
Das Vorrecht des Patriziats, daß aus ihm mit Regelmäßigkeit 
die Schöffenstühle besetzt wurden, bestätigt sich an dem Ge¬ 
schlecht der de Castel aus einer Reihe von gedruckten Belegen: 
ein Bauduinus de Castello ist Schöffe von Arras 1179°), 
Nicolas d. C., der obengenannte, 1255 10 ); sein Sohn Tumas, 
dem Guillaume le Vinier sein Lied R. 32 widmet, vor 1260 11 ); 


*) Guy, S. XXX1I1. 

*) vgl. a. a. O. S. 26, 50, 68, 341. 

®) a. a. 0., S. 668. 

4 ) „Rentes en 1882,“ S. 909. 

4 vgl. Socin, S. 602. 

®) vgl. a. a. O., S. 835; Pirenne-Arnheim, S. 412. 

*) Guesnon, Bull. hist, et phil. 1894, S. 422 Anm. 1. 
») „Rentes en 1382,“ S. 453. 

9 ) Cart. de l’hop. St-Jean-en l’Estree, S. 829 f. 

10 ) Guesnon, M.-A. 1900, S. 140 Anm. 8. 
u ) Jeanroy-Guy, XXIV, v. 227 f. 


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— 104 — 

Henri d. C. Oktober 1257, Okl 1261 und 1262*); ein gleich¬ 
namiger Jan. 1328*); Bertremieus de Castel ist Mitglied der 
vintaine, Jan. 1828*). — Baude Fastoul nennt in feinem Cong6 8 ) 
* außer Robert: den Nicoion d. C. (v. 61 ff.); Mikiel d. C., der 
sein Gönner war, wie er sich auch den Gillebert de Berneville 
verpflichtet hatte 4 ) (v. 288 ff.); den connestable Jehan d. C. 
(v. 674); v. 472 f. einen Segneur Henri und dessen Sohn Adan, 
möglicherweise des gleichen Geschlechts 6 ). Daß er sie ni^ht im 
Zusammenhang bringt, beweist noch nichts gegen ihre verwandt¬ 
schaftlichen Beziehungen; ebenso verfährt er z. Bsp. mit verschie¬ 
denen Louchard und Wion, deren Familienzusammengehörig¬ 
keit durch Urkunden erwiesen ist Offenbar war demnach zu 
Lebzeiten Roberts das Arraser Geschlecht der de Castel schon 
weitverzweigt Aus dem Jahre 1810 ist uns auch das Siegel 
des Jehan du Castel aus Arras erhalten: eine Hausfront mit 
einem kleinen Portal und 8 großen Türmen 6 ). Es zeigt uns 
nur, wie die Familie selbst ihren Namen erklärte, ohne Uber 
ihre Herkunft näheren Aufschluß zu geben. — Man kennt also 
Robert de Casteis bürgerliche Stellung im allgemeinen. Darüber 
hinaus ist bloß noch eine Einzelheit aus seinem Privatleben 
bekannt: daß er verheiratet war. Seine kürzlidi erfolgte Ver¬ 
mählung ist der Ausgangspunkt für das jeu-parti R. 1505, das 
Bretel ihm vorlegt 


Wenn man nun auf die Frage eingeht: „Ist der Liederdichter 
Robert de Castel gleichbedeutend mit Robert le Clerc, dem 
Verfasser der Vers de le mort?“, so wird man zugestehen, daß 
die Möglichkeit dazu, der Lebenszeit und den Lebensumständen 

') Guesnon, M.-A. 1899, S. 262 f; M.-A. 1900, S. 158 Anm. 2, 159. 
*) Invent. dironol. p.Guesnon, Doc. LXXI. 
a) Barbazan-M6on I, S. 118 !., 121, 127, 184. 

*) R. 1668. 

5 ) s. Guesnon, M.-A. 1900, S. 169; M6Ianges Wilmotte, S. 784, 
Anm. 2. 

«) Guesnon, Sigillographie, S. 17, Nr. 116. 


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% 



der beiden nach, soweit sie uns bekannt sind, durchaus vor¬ 
handen erscheint Stammen die Liebeslieder und die Bu߬ 
mahnungen der Vera-de le mort von ein und demselben Ver¬ 
fasser, dann ist es natürlich, die ersteren in seinen jüngeren 
Jahren, die letzteren gegen Ende seines Lebens entstanden zu 
decken. Man sah, daß die Vers de le mort um 1266/7 ge¬ 
schrieben sind und daß ihr Verfasser wenige Jahre später, 
wohl Ende 1272 starb.- Damit vertrüge sich einmal die 
Nennung des Robert de Castel durch Baude Fastoul, vor 
Oktober 1272. Dem widerspräche auch nicht, soviel man 
vorläufig sehen kann, die Abfassungszeit der Partüre 1861, 
worin er zum Richter ernannt wird, und seiner eignen Partüre 
1505, die beide wenigstens die Möglichkeit einer beträchtlich 
früheren Entstehung offen lassen. Und andererseits scheinen 
die aus Robert de Casteis Leben bekannten Tatsachen, kleri¬ 
kale Vorbildung, Ehe, geradezu eine Bestätigung zu finden in 
den Vers de le mort upd der Satire Uber die AuduYns. 

Die sicherste Lösung der Frage wäre aus den Denk¬ 
mälern selbst zu holen, wenn sich in ihnen irgendwelche 
Eigenart des Verfassers ausprägte, sei es Stärke der Empfin¬ 
dung, dichterische Anschauungs- und Gestaltungskraft, oder 
auch Hang zu gelehrten Anspielungen. Aber nichts von 
alledem ist in den chansons des Robert de Castel und in 
den Vers de le mort zu finden. Sie halten sich ganz an das 
hergebrachte Schema im bildnerischen Ausdruck, und auch 
der Ideengehalt ist — abgesehen von den persönlichen und 
historischen Anspielungen in den Vers — nichts weiter als 
eine Sammlung von Gemeinplätzen, hier der höfischen, dort 
der volkstümlich-moralisierenden Gattung. — Ebenso weichen 
die Denkmäler hinsichtlich der Kunstfertigkeit in der Form 
durchaus nicht vom Mittelmäßigen ab. Der Verfasser der 
Vers de le mort verwendet die sehr beliebte sogenannte 
Helinandstrophe J ) — zwölf 8-Silbner in der Reihenfolge 


') S. Literatur der Helinandstrophe bei O. Rohnström, „Etüde sur 
Jehan Bodel“, Upsala 1900 (Thfese de doctorat), S. 35 L. 


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aabaabbbabba —, Robert de Castel von den landläufigsten 
Versalien der nordfranzösischen Lyrik den io- und 7-Silbner, 
daneben seltener den 5-Silbner. Die nämlichen Reime kehren 
in den verschiedenen Strophen und Gedichten sehr oft wieder; 
der Reim ist hier wie dort durchweg natürlich, reicher und 
leoninischer Reim wird öfters verwendet, aber nicht gesudit; 
der relativ häufige Gebrauch homonymer Reime in den Vers 
ist ein naheliegendes Stilmittel in einer Strophe, die 2 Reime 
durch 12 Verse hindurch wiederholt. — Auch der sprachliche 
Zustand der chansons ließe sich mit dem der Vers in Einklang 
bringen; doch ist das Liedermaterial viel zu beschränkt, als 
daß man von dieser Seite her zu einem abschließenden Urteil 
gelangen könnte. 

Man wäre also gezwungen, die Streitfrage offen zu lassen, 
wenn nicht eine Erwägung allgemeiner Art schließlich den 
Ausschlag gäbe. Sie knüpft sich an die Art der Namens¬ 
bezeichnung, namenUich aus dem Munde der betreffenden 
Dichter selbst. Robert entsendet sein Lied II mit den Worten: 

„Chancons, or di la tres bien ensignie 
ke robers de castel li fait savoir 
k’a tous jours mais veut a li remanoir“ *). 

Auf der anderen Seite bittet der Verfasser der Vers de le mort 
in Str. 76 den Tod, dem Robert le Clerc vor seinem Ende 
zwei Monate Zeit zur Vorbereitung zu lassen, als Gegenleistpng 
dafür, daß er seine Allmacht gepredigt hat: 

„Mors, s’a nului pues estre amie, 

Robert le clerc,n’oublie mie“ usw. 

Wenn man Gleichbedeutung der beiden annimmt, wäre es an 
sich schon auffällig, daß der Dichter sich selbst mit zwei 
verschiedenen Beinamen benennen sollte. Aber die größte 
Unwahrscheinlichkeit liegt darin, daß Robert de Castel seipen 
feststehenden Familiennamen mit der allgemeinen Standes¬ 
bezeichnung vertauscht hätte, das eng Bestimmte also mit cjem 


*) Steffens, Archiv 88, S. 381 f. 


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107 


Unbestimmten und Mehrdeutigen. Das ist undenkbar, weil es 
dem natürlichen Zweck der Namengebung widerspräche, denn 
„Par le nom connoist on rome“ 1 ), oder soll ihn doch 
wenigstens erkennen können. Es wird uns denn auch von 
anderer Seite bestätigt, daß einfache Kleriker die Führung 
ihres Familiennamens beibehielten 9 ). 

Ich halte es demnach für ausgemacht, daß man den 
Kleriker Robert de Castel, der höfische Lieder dichtete, und 
den Verfasser der Vers de le mort auseinanderhalten muß. 
Die Persönlichkeit des Bußpredigers Robert le Clerc bleibt 
für uns also weiter im Dunkeln. 


‘) Crestien, Conte dcl Graal, v. 1756. 
») Socin, S. 602 f. 


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Anhang. 

Robert de le Piere. 

• • 

No. II. R. 696. 

nach Val. fs. Christ 1490, fol. 79 r°-79 v 0 . 1 ) 

„Robert de le Piere“. 

I 

l Par maintes lois ai chante liement 
Pour fine amour a cui me sui dounCs; 

Or chanterai ne sai con faitement, 

Car je ne sai se haYs u ames 
6 Sui de cheli qi j'ai Ionc tans amee: 

Qant plus la serf et mains la truis privee, 

Si m’esmerveil pour koi le fait ensi, 

Se n’est pour tant qe jou n’aim riens fors li 

II. 

Eie set bien qe jou Paim loiaument, 
io Et qe mes cuers n’en puet estre sevrCs; 
Pour che me fait, je croi, plus asprement 
Sentir les maus q’amours m'a destinSs. 

Mais puis q’ele est de moi aseuree, 

Pechie me fait et folie prouvee 
16 De moi mener ensi con je vous di; 

S’on ne m’en croit, si pert il bien a mi. 


0 Die Veröffentlichung der Lieder und Partüren geschieht nach 
photographischen Aufnahmen aus der Hs. 


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— 109 — 

III. 

Amer 1 ) pert il, li mien maus qe je sent, 

Car j’en sui moult empiries et matös. 

Je chantasse plus envoisiement 
20 Et plus souvent qe jou ne faic, ass 6 s, 
S’amours m’eust la grant joie dounee 
Qi de par li me tu pres k’afremee; 

N’encor ne l'ai, ains le me recoli; 

Che tient mon euer plus souple et mains joli. 

IV. 

26 Et puis k’amours tient mon euer en tourment, 
Je ne doi pas, par droit, estre blamfis, 

Se jou ne chant ausi soufisaument 
Qe se mes deul tust a joie atournes. 

Si chanterai selonc ma destinee 
30 Tous tans pour li; ne puet estre oubliee, 
K’ains riens n’amai ne ne ferai fors li: 

Qant li plaira, bien me sera meri. 

V. 

Bele, je chant pour vous tant seulement, 

Faites de moi tout qanqe vous volfis: 

35 Qant vous vaur 6 s, j’avrai alegement, 

Qant vous plaira, g’ere plus tourment£s. 

Aiies de moi merchi, s’il vous agree, 

Et s’il vous.plaist, ma paine soit doubleel 
Tout soit en vous de mort ou de merchi, 

40 Car en la fin morroie jou ausi. 


') Besserungsvorschlag von Prof. Wiese für „Amour* der Hs. Nach 
schriftlicher Mitteilung an Prof. Wiese schlägt Prof. Schultz-Gora dafür 
vor „A mi“, das aus dem Schluß der vorhergehenden Strophe wieder¬ 
aufgenommen wäre; doch finden sich solche künstlichen Anknüpfungen 
der Strophen nie bei R. d. 1. P. 


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110 


Envoi: 

Gille de Nueville, qi entendös, 

A vous sera ma canchon presentee; 
Jugiös a droit, selonc vostre pensee, 
S'amours doit bien merir a fin ami 
46 En aucun tans che q’il a deservi. 


No. V. R. 823. 

nach Vat. fs. Christ 1490, fol. 78 v°—79 r°. 

»Robert de le Piere“. 

I. 

l Je ne cuidai mais chanter 
En mon vivant, 

Ains m’en cuidai bien garder 
D’ore en avant, 

5 Et s’i ßust bien raison. 

Mais encor ferai canchon, 

K’en tel point ie m’a coumande 
Chele a qui sont tout mi pense, 

Qe je ne le puis laissier, 
io Ne je ne ros courechier. 

II. 

Dieus, tant me plaist a amer, 

Et je l’aim tant, 

Qe je n’os riens trespasser 
Q’ele commant; 

15 Et si aie 1 ) je pardon I 
K’ain puis n’amai se li non 
Qe je li euc mon euer dounä, 

Ne d’autre amour n’oi volenti; 

Ains l’aim tant de euer entier, 

20 Qe jou ne sai qe je kier. 

*) Hs: ai. 


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111 


III. 

Souvent me fait soupirer 
A euer dolant, 

K’a la fois me set moustrer 
Si douc samblant, 

25 Qe plus kerre n’en doit on. 
Autre fois sans aucoison 
Me fait samblant de erneute, 
Lors m’a mort et desconforte 1 ), 
Et lues me refait cuidier 
90 Qe j’avrai mon desierrier. 

t 

• 

•• 

IV. 

Einsi me set 9 ) atourner, 

Et ne pour qant 8 ) 

Tant plus m’a fait endurer 
Paine et mal grant 
86 Et destraint en sa prison. 
S’aprßs me fait samblant bon, 
<Errant li est tout pardoune 
Et sont tout mi mal oublie; 

Car si sui en son dangier 
4ö K’en moi n’a nul recouvrier. 

V. 

Si se deust bien penser, 

Au' mien cuidant, 

Qe ne li puis escaper, 

Et faire errant 
46 De s’amistte lige don 
A moi, qi sans traYson 


') Hs: desconfortee, letztes e radiert. 
*) Hs: sete, letztes e radiert. 

*) Hs: qant. 


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— 112 — 

Sui siens et ai lonc tans este. 
Par sa grant deboinairet^ 

Le me devroit otroier, 
ßo S’amour Ten deignoit proiier. 

VI, 

He, bele sans euer felon 1 ), 

Or en dites la verite 
Se fin loial m’aväs trove. 

Ne se doit bien esforchier 
55 Amours, pour moi avanchier. 


No. VIII. R. 1612. 

nach Vat. fs. Christ 1490, fol. 79 v°—80 r°. 

„Robert de le Piere“. 

I. 

l Cil qi m’ont repris 
De ma kandion courounee, 

N'ont pas bien enkuis 
Qe je senc, ne qel pensee 
5 J’avrai mon vivant. 

N'est pas pour aus qe je chantl 
Bele, pour vous fu trouvee, 

Qi pas ne l’aväs blasmee; 

S’en sui plus jolis. 

II. 

io Sage de grant pris, 

S’ele vous plaist et agree, 

Tous chiaus moult peu pris 
Qi le m’Sussent dampnee. 

S’il fuissent poissant, 

- 4 

! ) Hs: fehlt He. 


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- 118 - 

15 11 ne valent m’ent par tant 
Q11 aiment a le volee. 

Mais je vous ai foi portee, 

S’en sui plus jolis. 

UI. 

J'ai tout mon euer mis 
so En vous servir, bele nee. 

Chiaus tieng pour diaitis 
Qi ne vous ont goulousee; 

Qe vont il kachant? 

II n’en est plus maintenant 
35 Pole gent malöuree. 

J’aim del mont la mieus senee, 

S’en sui plus jolis. 

IV. 

Fols et esbahis 
Est diascuns qant il n’i bee. 
so Mais je sui tous Hs 

Qe leur mauvaiste leur vee, 

Q’ele a sens si grant, 

Qe nus qi n’ait euer vaillant 
Ne li avroit ja duree. 

85 Jou tous seus l’ai enamee, 

S’en sui plus jolis 1 ). 

# 

V. 

Bele, qi apris 
M’avfis a dianter, doublee 
Est 1 ) en moi toudis 
40 Bone amour Hne esmeree 8 ), 

4 • • j 

9 

• 

*) H«: S’en sui, naditräglidi eingefügt. 

*) Hs: Et (ln Abkürzung). 

^ Hs: esmesree. 

8 


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114 


S’en vienent mi chant, 

Dont li felon sont dolant, 
Mais pour aus n’ert oubliee 
L’amour qe leur ai emblee; 
46 S’en sui plus jolis. 


Envoi: 

Tassain Wagoune ai prouvee 
A sage entendant 
Pour cou li di en diantant, 
60 ICamours est si afremee 
En moi, ja n’en ert sevree; 
S’en sui plus jolis. 


No. XIII. R 1672. 

Nach Vat fs. Christ 1490, foL 164 v°— 165 v°. 

L 

Robert de le Piere, respondes moi, 

Deus jeus vous part 1 ) et le meillour prendes: 
Vous parlerös a vo dame en requoi 
Cascun trois jours, et s’ert moult bien ses gr6s, 
5 Mais tout ad6s d’autrui le mesqerres, — 

U vous sares qe eie loiaument 
Vous amera sans autre acueillement *) 

A pais de euer, mais vous n’i parlerßs 
Devant deus mois, a tant vous en tents. 

II. 

io Jehan Bretel, grant guerredon vous doi 
Qant si bele päfture me partes. 


‘) Hs.: partis. 

*) Hs.: acuelment 


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115 


Puls qe jou sai k’ele est loiaus vers moi, 
J’atendrai 1 ) bien le terme qe metds, 

Et ne pour qant il est trop long d’assös. 

15 Mais li espoirs qe j’ai d’alegement 
Me conduira, se Dix plaist, sauvement 
De si au jour qi tant est desirds, 

m ^ 9 • 

Et qant venra, s’iere rois courounäs. 

III. 

Certes, Robert, de povre sens vous voi 
20 Qi coisisies et le pieur prendßs. 

Vous savös bien c’on ne vit mais c’un poi; 
Qi vivra tant q’il ait deus mois passös? 
Puis qe jou sai qe 9 ) c’est se volentds 
Je veil parier a ma dame souvent, 

25 Cascuns trois jours, puis q’ele le consent. 
Se jel mescroi, s’en aie les grietOs! 

Qant sent les biens, li maus est oublids. 

IV. 

Par Dieu, Bretel, il ne sont mie troi 
Qi presisent cou qe vous soustenCs. 
so Je vous cuidai plus saje, par ma foi, 

Qi en dolour joTr d’amours vo!6s. 

Pour le plentg trop estes enganOs, 

Ne dites mais tel cose devant gentl 
Se jou moroie en bon aten dement, 

35 Si vauroit mieus mes desirs, c’est vretfis, 

Qe vos jolrs ensi con vous savös. 

V. 

Robert, or sai de voir et apercoi 
Q’a ensient le pieur desirös. 


*) Hs.: atenderai. 

*) Hs.: se. 

8 * 


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Qe ferai jou se ma dame ne voi 
40 Devant deus mois? J’en serai afamfcs. 

Ki cascun jour n’avroit fors pois wauures 
Et save pain et vin de povre gent, 

St vivroit il plus aaisiement 
Q’au cbiet d’uit l ) jors estre bien saoulte 
46 De tous bons mes et de vins esmerCs. 


VI. 

Jehan Bretel, j’en enteroie en loi 
Contre un houme ki fust gros et quarräs, 
j’ai le mieus pris, si vos dirai pour qoi: 
Nus biens ne vaut, s’il n’est asavourös. 
so Vostre jolrs et uns deduis morn 6s; 
joie d’amours ne puet venir trop lent, 
Pour c’on sache qe on l'ait sainement 
En bon espoir met li atendre s6s, 

Mais vo sens est par couvoitise outres. 

Envois: 

66 Robert, oir soit ensi, se vous volös: 

Car Audelroi Loucart qi bien s'entent 
Proions qll nous en face jugement, 

U qels vaut mieus, u vivre res a res, 

U trop languir et puis estre asases. 


oo Par Dieu, Bretel, se tous bien i pensls, 
Sire Ermenfroi qi a plus longement 
Am6 et plus al£ aveuc la gent 
Le nous dira, car il est plus fond6s 
Del droit d’amours; je veil q’il en soit tes. 


*) Besserungsvorschlag von Prof. Wiese für dui der Hs. 


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117 


Robert de Cattel. 

No. VII. R. 1606. 

nach Vat fs. Christ. 1490, loL 168 v*—169 r*. 


l Robert de Chastel, biau sire, 
Or estes vous maries, 

Or me devfis vous bien dire, 
S’il vous plait et vous volfis, 
5 Je le vous proi et rekier: 

Li kieus fait mieus a prisier, 
U tres grant plente d’amie 
U esperandie jolie 
A peu de deduit avoir? 
io Vous le dev6s bien savoir. 





Prindies du pui, sans mesdire 
Sui de respondre aprestßs 1 ): 
Petis deduis est li pire, 

Mieus vaut li tres grant plentes 
Qui fait euer rasasiier. 

Car tres l’amour coumendiier 
A on a cou baerie; 

S’aim trop mieus parfaite vie 
Qe peu de joie en espoir. 

Or vous en ai dit le voir. 


III. 

Robert, au piour eslire 
Vous estes bien avisls. 


*) Hs: aprestres. 


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— 118 — 

Jolis espoir doit soufire 
Qi bien est enamorös 
26 Et deduis a desirier 1 ). 

Car plentes, a droit jugier, 
N’a saveur, ne ne veut mie 
Amour estre parfumie, 

Ains doit en dangier manoir 
so Fiijs amis, pour mieus valoir. 

IV. 

Jehan Bretel, moult empire 
Vo sens qant cou soustenCs. 
Ki a joie avoir s’atire, 

N’en puet estre saouies, 

85 S’il n’a vil euer et lasnier. 
Toudis doit on couvoitier 
Avantaje et signourie. 

Cil est trop plain de folie, 

Qi mieus n’aime a recevoir 
40 Plente qe petit d’avoir. 

V. 

Robert, eil fait mieus ki tire 
Qe cil qui ront, c’est vretes. 
Amours a tel maiestire, 

Qe nus hom de mere n6s 
46 Ne doit nis osser quidier, 
Q’amie veille otroiier, 

Q’amis l’ait 8 ) en sa baillie; 
Car desir en amenrie 
Qi fait amour mains paroir 
60 Et plus metre en noncaloir. 

') Hs: desirer, mit unreinem Reim. 

*) Hs.: laist. 


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— 119 — 

VI. 

Sire Jehan, moult m’alre- 
Cou k’ennsi me respond6s. 
Parfaite joie et entire, 

C’est tout der, vaut mieus as6s 
65 Qe pau de joie a dangier 
En boin espoir d’avanchier. 

Et mieus vaut de cou paYe 
Qe tres boine plegerie 
Pour plus longuement devoir, 

eo Autans qe blans mieus de noir. 

• • 

En vois: 

A nous le di, Cuvelier: 

Trop a eil le char hardie, 

Qi si avant estudie 
En amour, qe percevoir 
65 Veut le fin de son pooir. 

Gaidifer, je sai tres hier, 
Q’amours n’est pas establie 
Pour avoir joie a moitie. 

Nus ne doit oevre esmouvoir 
70 S’il n’ose le tin veoir. 


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Namenverzeichnis 


Adan (maistre) 93. 

Adan (de Castel?) 104. 

Adam Esturion 100 Anm. 4. 
Adan de Givenchy 12. 

Adan 81, 46, 62, 66. = 

Adan de le Haie 22, 27, 45, 
61, 101. 

Aimer (de Neuville) 85. 

Alart de Cans 32. 

Alexander IV. (Papst) 74. 
Amicie de Courtenay 42. 
Andrieu Contredit 12. 

Andriu Wagon 48. 

Audelroi 27, 28 , 29, 40, 921. = 
Audelroi Louchart 26 ff., 80, 
34, 48, 68. 

Baude Bechon 61. 

Baude Fastoul 27, 85, 46, 54, 
78 Anm. 4 u. 6, 102 , 104, 
105; s. audi Fastoul. 
Bauduin 26, 92. 

Bauduinus de Castello 103. 
Baudouin de le Piere 12 
Anm. 1. 

Beatris 24, 42, 53. = 


Beatrix v. Brabant 24. 

Bertoul 60, 70, 76, 77, 87. = 

Bertoul Verdiere 77, 79. 

Bertoul (sire) 77. 

Bertran 37, 98. : • 

Bertremieus de Castel 104. 

Bouchard d’Avesnes 24. 

Boutillier 14 Anm. 2, 19, 381., 
54; s. auch Colart le Bou¬ 
tillier. 

Bretel 21, 22 ff., 28, 80, 32, 
87, 38, 39, 40, 44, 51, 89, 
97, 98, 99, 101, 102, 108. = 
Jehan Bretel. 

Brisegaus (de Neuville) 35. 

Clemens IV. (Papst) 71, 75, 87. 

Colart le Boutillier 18, 38 f., 
58; s. auch Boutillier. 

Copart 19, 84, 98, 96. 

Copart Doucet 34. 

Copin 19, 32, 33, 66. = 

Copin Doucet 32 ff. 

Cuvelier 89, 98. = Jehan (le) 
Cuvelier. 

Dragon 32, 36 ff., 39, 89. 


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121 


Eduard (Sohn Heinrichs III. 
y. England) 27,48 u.Anm.2. 

Elisabeth de la Pierre 11. 

Erart de Valeri 58. 

Ermenfroi (Hermenfroi) 19, 29, 
41, 98. = 

Ermenfroi Crespin 29 ff., 41. 

Ermenfroi Kiepuce (Puche) 8 1 . 

Ermenfroi le Tailleur 81. 

Ermenfroi de Paris 80 f. 

Ernoul Copin (Caupain) 32. 

Ettor du Castel 108. 

Eustache (Wistace) de Neu¬ 
ville 85. 

Fastoul 81, 84, 87, 40. = 
Baude Fastoul. 

Ferri 34, 41 ff., 63, 64, 89, 97, 
101 ; s. auch Lambert Ferri. 

Frekin 80.=Ermenfroi Crespin. 

Fromont 61, 66, 67. 

Gaidifer 98. 

Gamart Sire 90. 

Garet 51, 55. = Jacques 
Louchart. 

Gautier de Gand 41. 

Gherart Aniel 90. 

Gille de Nueville 18, 34 ff., 89. 

Gile le Vinier 12, 26. 

Gillebert 51, 62, 68, 92. = 

Gillebert de Berneville 14, 15, 
16, 17, 18, 24, 86, 88, 89, 
52 t., 104. 

Gillon 26. 

Grieviler 21, 22 Anm. 6, 24, 
36, 47, 97, 99 ff. = Jehan 
de Grieviler. 


Gregor X. (Papst) 76. 

Gui (de Neuville) 85. 

Gui de Saint-Paul 42. 
Guillaume 26. 

Guillaume (maistre) 88, 89, 98. 

= Guillaume le Vinier. 
Guillaume de le Piere 12 
Anm. 1. 

Guillaume le Vinier 12, 26, 
88 , 89, 108. 

Heinrich III. von Brabant 24, 
42, 68. 

Heinrich IIL von England :48 
u. Anm. 2. 

Heinrich Raspe IV. 24. 

Henri Amion 89,'40. . 

Henri de Castel 104. • 

Hue 20. 

Hue d’Arras 21. 

Innocenz IV. (Papst) 74. 
Jacques Louchart 55. 
Jaquemon 102. 

Jakemon Doucet 83.=Copin D. 
Jakemon Louchart 29. 

Jak. de le Piere 12 Anm. 1. 
Jaket 21, 82, 98. = 

Jaket (Jakemon) Pouchin 22. 
Jehan 20, 26. 

Jehan de Bar 101. 

Jehan Biset-48. 

Jehan Bretel 18; 22 ft, 28, 41, 
47, 48, 89, 95, 98, 100 
Anm. 4 ; s. auch Bretel. 
Jehan de Castel 104. 

Jehan (le) Cuvelier 891.; s. 
auch Cuvelier. 


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Jean Donce 88. 

Jehan Erart 18 Anm. 6, 82!., 
88, 39, 90, 91, 100 Anm. 4. 

jehan de Grieviler 99H ; s. 
auch Grieviler. 

Jean de Neuville 85, 88, 89. 

Jehan de le Piere 12 Anm. 1. 

Jehan de Renti 94 Anm. 2. 

Jehan Simon 26, 44, 54. 

Jehan Verdiere 54. 

Jehan de Vergelai 87. 

Johann v. Avesnes 24. 

Johann v. Dampierre 24. 

Karl v. Anjou 28, 29, 42, 48 
U. Anm. 2, 52, 58, 68. 

Lambert le bfcgue 102 . 

Lambert Fern 18 , 31, 40, 
41H., 58, 55, 56, 98; S. 
auch Fern. 

Ludwig IX. d. Heilige 28 , 42, 
48 u. Anm. 2, 58, 60,; 62, 
64, 66, «6, 67, 68, 69, 70, 
75, 7«, 80. 

Mahieu de Gant 18 , 19, 29, 
81, 40!., 55. 

Mahiu le Jui! 40. 

Mahiu de le Piere 12 Anm. 1. 

Manired (Sohn Friedrichs II.) 
42, 68. 

Mathilde v. Brabant 42. 

Margarete v. Flandern 24, 25, 
48 Anm. 2, 78. 

Merci 97, 101!. 

Michel 20. 

Mikiel de Castel 104. 

Moniot d'Arras 40. 


Nicole (Nicolas) de Castel 103. 
Nicoion de Castel 104. 

Oede 471-, 49, 66, 97. 

Paket Pouchin 81. 

Paul d’Haspres (Abt v. Saint- 
Vaast) 68. 

Perrin 28, 42, 98, 99. = 
Perrin v. Angicourt 28, 38, 
42, 98, 101. 

Phelipot 64, 93. = 

Phelipot Verdiere 89, 47, 51, 
53!. 

Pierre II. v. Noyon (Bischo! 

v. Arras) 87. 

Pierre Wion 42, 89, 90!. 
Raoul de Mercis 101, 102. 
Richard de Foumival 11. 
Ridel (de Neuville) 85. 

Robert 19, 20, 34, 98. 

Robert I. v. Artois 42, 66. 
Robert II. v. Artois 29, 60, 64, 
66, 67, 70, 76, 87. 

Robert de BCthune 20. 

Robert de Castel 11, 18, 19, 
20, 58, 59, 93 H. 

Robert du Caisnoi 48. 

Robert le Clerc 11, 58, 59!!., 

100, 104 H. 

Robert li Dus 21. 

Robert de le Piere 11H., 89, 

101 . 

Roger o! Leybume 48 Anm. 2. 
Rolant de Rains 101, 102 . 
Roussiaus li tailliere 51. 
Rutebeu! 69. 

Sawale (sire) 92. 


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Simon 26. 

Simon de Noyon (Abt v. St- 
Vaast) 68, 87. 

Simon Pouchin 22, 31 f. 
Tasse li Anstiere 48. 

Tasse Wagoune 17, 48 ft, 56. 
Tassynus 50. 

Thibaut II. v. Bar 101. 
Tiebaut IV. v. Navarra 25, 26, 
98, 99. 

Tiebaut de le Piere 12 Anm. 1, 
55. 

Thomas Erier 58, 89. 


Tresorier 89. 

Tresorier d’Aire 89. 

Tumas de Castel 103. 

Urban IV. (Papst) 68. 

Veit v. Dampierre 24. 

Vilain d’Arras 28, 40. 

Wagon Wion 89, 90. 

Wibert Kaukesel 88, 89. 

Wike (maistre) 52, 92. 
Wilhelm v. Dampierre 24, 25, 
58. 

Wilhelm II. v. Holland 24, 25. 




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Lebenslauf 


Geboren wurde ich, Angelica Hoffmann, am 18. Septbr. 
1888 zu Sehl bei Codiem a. d. Mosel als Tochter des Kauf¬ 
manns Carl Hoffmann, jetzt wohnhaft zu Codiem, und seiner 
Frau Katharina geb. Loelgen. Ich bin katholischer Konfession 
und besitze die preussische Staatsangehörigkeit Bis zu meinem 
14. Lebensjahre besuchte ich die Volksschulen in Sehl und in 
Codiem. Nach einem einjlhrigen Aufenthalt in Südfrankreich 
trat ich Ostern 1904 in die erste Klasse einer privaten höheren 
Mädchenschule in Bonn ein. Von 1905 bis 1908 besuchte ich 
die damit verbundene Lehrerinnenbildungsanstalt und bestand 
Ostern 1908 in Coblenz die Prüfung für mittlere und höhere 
Mädchenschulen. Von 1908 bis 1910 nahm ich an einem Real¬ 
gymnasialkursus für Lehrerinnen in Frankfurt a. AL teil, worauf 
ich Ostern 1910 an der Musterschule in Frankfurt die real¬ 
gymnasiale Reifeprüfung ablegte. Seitdem widmete ich mich 
aut den Universitäten Bonn, München und Halle dem Studium 
der romanischen und germanischen Philologie und der Geschichte. 
Im Winter 1911/13 hielt ich mich in Paris auf und hörte Vor¬ 
lesungen, namentlich an der Sorbonne. 

Meine akademischen Lehrer waren folgende Herren Do¬ 
zenten : 

Bonn: Clemen, Francfc, Funaioli, Levison, Litzmann, Lote, 
Ritter, Schneegans, Verweyen. 

München: v. Aster, v. Bissing, Burger, Grauert, Hartmann, 
v. Heigel, Hellmann, Jacobsohn, Jordan, v. d. Leyen, Meyer, 
Paul, Riehl, Simon, Simonsfeld, Streitberg, Voll, Vossler. 


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* 


— 126 — 

Paris: Basdi, Brunot, Chamard, Gazier, Huguet, Reynier, 
Seignobos, Thomas. 

Halle: Bremer, Fester, Fries, Frischeisen-Köhler, Geissler, 
Hartung, Heldmann, Klincksieck, Krueger, Lindner, Menzer, 
Michel, Saran, Stammler, Strauch, Suchier, Voretzsch, Wiese. 

Diese Arbeit ist auf Anregung Hermann Suchiers ent¬ 
standen, zu dessen letzten Schülern ich mich in dankbarer Ver¬ 
ehrung zählen darf. 

Zu grobem Dank verpflichtete mich Herr Prof. Dr. Wiese, 
der mir bei der Beschaffung der Hss.-Abzüge aus der Vatikan- 
Bibliothek, bei der Ausgabe der Texte und der Drucklegiing 
der Arbeit in liebenswürdigster Weise behilflich war. 


UMVER8JTY OF MtCHIQAN 



3 9015 03439 9009 





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